Heute war es nicht mehr so weit. Nur noch etwas 3 Stunden. Der Großteil der Fahrt würde auf Landstrassen stattfinden bzw über kleine Strassen durch die Wälder von Västra Götalands Län. Teilweise fährt man da durch schwedische Bilderbücher. Kleine Seeen mit kleinen Grüppchen weissroter Holzhäuschen. Immer wieder, in verschiedenen Variationen.
Die Hündin mag diese Strassen nicht. Sie kotzte drei Mal. Auf der Autobahn war noch alles gut, als wir aber durch die kleinen Strassen fuhren, ging es los. Das war gestern in Deutschland auch schon so. Sie übergab sich erst, als wir auf der Landstrasse auf Rügen fuhren. Es ist zumindest eine Erkenntnis. Zur Sicherheit hatten wir Reisetabletten für sie gekauft. Da sie mittlerweile das Fahren einigermassen zu ertragen scheint, sahen wir davon ab, man muss ja nicht immer mit Chemie zuschalgen. Aber auf dem Rückweg werden sie wohl einsetzen, sie soll Autofahren wenn möglich mit positiven Erinnerungen verknüpfen. So steht es im Buch geschrieben.
Das lustige dabei: ihre Trockenfutterchips behalten ihre Form, aber vervierfachen offenbar ihre Größe im Magen. Ausgekotzt sehen sie aus wie Fishermans Friends.
Gegen Mittag kommen wir in unserem Häuschen an. Weil der Schwager im Herbst Rattengift ausgelegt hat, muss das Tier draussen warten. Wir kriegen die Türen aber nicht auf, die Schlüssel lassen sich nicht drehen. Der Vater meiner Frau hat uns gewarnt, dass die Schlüssel sehr neu sind und daher etwas schwierig handzuhaben sein werden, daher probieren wir lange herum, bleiben lange optimistisch, wir stecken die Schlüssel sogar in Handcreme. Das Schloss lässt sich aber nur wenig drehen.
Irgendwann rufen wir die Eltern meiner Frau an, die vorschlagen, den Sohn des ehemaligen Pächters zu kontaktieren. Der Sohn des ehemaligen Pächters heisst Lasse und ist ein beeindruckender Mann. Beeindruckend in der Größe, beeindrucktend im Händedruck und überhaupt. Ausserdem ist er sehr freundlich und war uns immer sehr zugewandt. Ich kenne ihn schon seit Jahren. Eigentlich ist er Waldarbeiter, ja was will ich eigentlich sagen, ich glaube, ich will sagen, dass wenn jemand weiss, wie man in das Haus hineinkommt, dann ist es Lasse. Lasse kann eigentlich alles.
Am Telefon sagt er uns, dass er gleich nach dem Mittagessen kommt. Er schickt stattdessen jedoch seinen Sohn. Meine Frau kennt den Sohn noch von früher, als sie ein kleines Mädchen war. Er ist nur wenige Jahre jünger als wir und ist gerade wieder zurück in die Gegend gezogen, nachdem er mehr als zehn Jahre in Norrbotten gelebt hat. Norrbotten ist das riesige, weite, dünnbesiedelte Gebiet im Norden, zu dem auch Lappland gehört. Er hat einen dreijährigen Hund dabei, eine Mischung aus sibirischem Laika, Jämtländischem Hund und noch etwas von da oben. Er ist klein, aber trotz seiner Größe wirkt er sehr athletisch. Lasses Sohn sagt, dass er sie vor allem wegen der Bären hielt. Genau. Das Norrland und die Bären. Unsere Hündin liebt den Hund auf Anhieb und himmelt ihn an.
Er zieht jedenfalls seinen Schlüssel raus und steckt ihn ins Schloss, dreht ihn um und die Tür öffnet sich.
Das finden wir lustig. Seltsam aber lustig. Weil unsere Schlüssel nicht zu funktionieren scheinen, lässt er uns seine da.
Danach beginnen wir mit den Aufschliessarbeiten. Also lüften, Strom anschalten, Kühlschrank putzen, Mäusekot wegmachen. Es gibt dieses Jahr keine böse Überraschungen. Nach zwei Stunden sind wir schon fertig. Wir entdecken zwei halbvolle Orkney Whiskys. Damit setzen wir uns in die Sonne und stoßen an.
Heute würden wir noch kein Wasser haben, dafür kommt morgen der Elektriker, der den Brunnen gebaut hat und in Betrieb nehmen kann. Bis dahin waschen wir uns mit Wasser aus Flaschen.
Vor dem Haus in der Sonne ist es schon angenehm, es hat sechszehn Grad, aber das Haus selbst ist ziemlich ausgekühlt. Es ist drinnen kälter als draussen. Gegen fünf Uhr fachen wir das Feuer im Kamin an, nach zwei Stunden merken wir aber, dass das Haus davon nicht wirklich warm wird. Wir hätten besser den Herd angeheizt, damit die Heizungsrohre anspringen. Dafür ist es aber schon zu spät, also beschliessen wir, den Abend am Kamin zu verbringen. Wir essen Würstchen mit Kartoffesalat. Das finden wir lustig. Meine Frau hält sich die Würstchen ins Feuer des Kamins. Die Sonne geht um 21Uhr unter. Eine halbe Stunde später als in Berlin.
Vom Abendessen bis zum Sonnenuntergang sitzen wir vor dem Kamin und wechseln kaum ein Wort miteinander. Das klingt jetzt komisch. Ist aber schön.