[Montag, 18.7.2022 – Lesen, Stabskirche, Supermarktkette, Abwege]

Es regnete. Den ganzen Vormittag. Gerade so sehr, dass man noch rausgehen konnte.

Nach dem Frühstück gingen wir hinauf, zurück ins Bett. Meine Frau las. Ich möchte auch wieder lesen, ich habe jegliches Interesse an Fiction verloren. Aber gegen meinen Willen. Ich finde Fiction durchaus ein valides, sogar wichtiges Erzählmittel empfinde. Ich schaue ja auch Serien und Filme, die sind größtenteils immer Fiction. Bei Büchern fühle ich mich manchmal der Autorin zu nahe, alle diese Wörter, Satz für Satz hingeschrieben, jedes Wort zum Anfassen und umzudrehen und jeder Satz erfunden. Ich habe zu viel Einblick ins Handwerk. Dabei stört mich das Handwerk nicht, aber ich habe das Gefühl, dass ich sehe, wie der Text entstanden ist und sehe die erfundenen Gedanken regelrecht auf dem Papier vor mir. Nach drei Seiten gebe ich auf. Ich lese fast nur noch Essays, Blogs. Ich hasse es.

Bewegtbilder überwältigen mich besser. Vielleicht, weil ich das Handwerk nicht so kenne, ich weniger seziere. Vermutlich habe ich auch einfach zu viele schlechte Bücher gelesen. Dabei habe ich noch ein paar Bücher von Freunden, die ich unbedingt lesen will. Aber es kommt schon seit einigen Jahren nicht mehr über mich, dieses Bedürfnis, das Buch in die Hand zu nehmen. Romane. Ganz schlimm. Viel theoretische Lust darauf, vor allem, wenn ich Buchrezensionen lese, aber nach drei Seiten muss ich mir sehr viel Mühe geben und nur wenige Bücher schaffen diese Schwelle.

Heute wollte ich Joseph Conrads Herz der Finsternis weiterlesen. Immerhin ein Klassiker. Ich habe meinen Ereader in Berlin vergessen, aber ich kann Bücher ja auch auf dem Telelefon lesen. Jetzt spinnt diese Tolino App. Ich kann kein einziges Buch öffnen. Nur Fehlermeldungen. Und aufgrund des dämlichen Kopierschutzsystems kann ich das Buch nirgendwo anders lesen, ohne es neu kaufen zu müssen.

Am frühen Nachmittag fuhren wir nach Hedared. Dort gibt es diese mittelalterliche Holzkirche. In Schweden ist es die einzige verbiebene ihrer Art. Alle anderen wurden Laufe der Zeit abgerissen. Nur in Norwegen gibt es noch viele davon. Dort sehen sie meist auch spektakulärer aus. Die Holzkirche in Hedared sieht eher wie ein kleines Hexenbauernhaus aus. Aus schwarzem Holz. Ich war vor zwei Jahren zum ertsen Mal da, allerdings war die Kirche aufgrund Corona geschlossen. Heute sollte sie aber offen sein. Als wir ankamen war die Tür allerdings verschlossen. Davor stand ein Schild: Guide kommt gleich.
Der Guide kam aber nicht gleich. Also warteten wir vor der Kirche. Ich lief ein bisschen um die Kirche herum und schoss Fotos, meine Frau sass auf einer gemütliuchen Bank und las aus ihrem Buch. Nach zwanzig Minuten kam der Guide, eine junge Frau anfang zwanzig, und liess uns in die Kirche. Sie führte uns nicht im Sinne eines Guides, aber sie konnte Fragen beantworten. Zum Alter der Bilder etc etc usw.
Ich bin mit Kirchen gross geworden und finde diese kleinen bemalten Holzkirchen zum Umfallen beeindruckend. Meine Frau kann mit Kirchen wenig anfangen und empfindet das alles eher bedrückend. Das düstere Äußere der Kirche gefällt ihr allerdings.

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Danach fahren wir einen kleinen Umweg nach Töllsjö, dort gibt es eine Brauerei, dessen Bier ich mal getrunken habe. Offenbar haben sie vor Ort einen Ausschank, ausserdem kann man die Brauerei besichtigen. Wir wollen einfach nur wissen, wie es da aussieht und ich liebe es, durch diese kleinen, abgelegenen Ortschaften zu fahren.
Die Strasse von Hedared nach Tollsjö ist eine einspurige Asphaltstrasse, auf der es alle paarhundert Meter Einbuchtungen gibt, die zum Ausweichen bzw Überholen gedacht sind. Man darf auf dieser hügeligen, kurvigen Strasse 70 fahren. Nachdem uns zweimal Geländewagen auf Steroiden entgegenkamen, bewog sich mein Tacho aber der Null näher als der Siebzig.

Die Brauerei befand sich gerade im Umbau, wir konnten also nicht hinein.

In Töllsjö gibt es auch einen normalen Lebensmittelladen. Wir brauchten noch Kohlebriketts, für den Grill am Abend.
Schweden wird ja dominiert von den riesigen ICA Supermärkten. Auch wenn ich ICA Spitze finde, weil es dort soo viele Produkte gibt, die ich aus Deutschland nicht kenne, aber ich ahne schon, dass es wirtschaftspolitik eher problematisch ist, wenn der Lebensmittelmarkt von einer einzigen Supermarktkette dominiert wird. Auf dem Parkplatz des Ladens steht eine Schild, das darauf hinweist, dass dies ein kleiner Lebensmittelladen ist, dass der Kunde hier im Mittelpunkt steht, und dass man sich dafür bedankt, ein vielfältiges Wirtschaftsleben aufrecht zu erhalten.
Mit diesem Spirit betreten wir den Laden. Dummerweise kommen wir uns vor wie in einem Zoo. Danach ist die Kasse nicht besetzt. Eine andere Kundin wird etwas ungehalten und brüllt etwas nach hinten, den ich als unfreundlichen Aufruf, die Kasse zu besetzen, interpretiere. Daraufhin kommt eine junge (natürlich) blonde Frau nach vorne und rechnet ab. Es klingt jetzt etwas klischeehaftig, wenn ich sage, sie wirkte lustlos. Die Kassiererinnen bei ICA sind immer freundlich. Ich würde jetzt gerne auf der richtigen Seite der Welt stehen, aber.

Danach fahren wir entlegene Waldwege zurück nach Hause. Ich wollte nicht den gleichen Weg zurückfahren, ich liess das Navi die hellen, fast undurchsichtigen Wege kalkulieren. Wir fanden uns dann auf löchrigen, unasphaltierten Schotterwegen wieder. Ich fands gut. Ich weiss, dass mein Schwiegervater einmal die ausgeklügelte Federungstechnik bei Citroens lobte. Unser neuer C3 zeigte nun seine ganze Ausgeklügeltheit.

Hedared Stavskyrka