Wie meine treue Leserschaft wahrscheinlich wissen wird, besitze ich eine äusserst glückliche Hand in der Küche, die schon etliche Heiratsgesuche per Email reinflattern liessen und wovon man sagt, dass schon sämtliche Menschen willsenschwach umgefallen seien. Nichts ist jedoch weniger wahr, als diese vermeintlich glückliche Hand. Ich bin ein absolutes Disaster am Herd, aber da ich dies alles hinter der Fassade des Küchenpunkrock verberge, merkt man es mir nicht an. Ich koche halt mit Liebe. Mit Liebe verwandle ich die Küche in einen riesigen Schweinestall, ganz verliebt rühre ich meinen Risotto zu Tode und merke es erst, wenn sich der Kochlöffel plötzlich vor lauter Angebranntem nicht mehr bewegen lässt. Von der Liebe singen Maria Callas und ich, während ich den Fisch in der Pfanne wende und all das spritzende Fett die Küchenwände verschmiert, oder wenn das Gemüse in der Pfanne und ich uns eine ganze Flasche Weisswein teilen. Aus Liebe lasse ich es brutzeln und rauchen. Je lauter es in der Küche hergeht, desto mehr Freude herrscht in meinem Hause.
Was ich jedoch gerade eben gekocht habe, hat mir völlig die Stimme verschlagen. Sogar Maria Callas unterbrach ihr „Casta Diva“ aus den Lautsprecherboxen und staunte erstmal. Ich dachte mir heute nämlich einmal eine Sauce zu kochen.
Nachdem ich vor einigen Monaten von dem sehr netten Herrn, der hier manchmal unter dem Namen „Der Langweiler“ kommentiert, ins Restaurant „Vienna“ in Eimsbüttel eingeladen wurde, hat sich für mich eine neue Welt des Kochens aufgetan. Das weiss ich seit heute.
Wir hatten an jenem Abend sehr viel getrunken, der Herr Langweiler entpuppte sich nämlich alles andere als langweilig, überdies hatte er eine äusserst sichere Hand bei der Auswahl der Topinambur- und Birnenschnäpse. Zwischen den Schnäpsen und den Hektolitern Rotwein bekamen wir ein Essen serviert, bei dem es mir, gleich wie heute, die Sprache verschlug. Es war vor allem diese Sauce, von der ich nachher noch wochenlang, mitten in der Nacht, schweissgebadet aufwachte. Gleich wie es früher nur feuchte Träume zu tun pflegten. Eine Sauce die meine Sinne vernebelte, eine Sauce, die fünfmal ihren Geschmack veränderte während sie sich über meine Zunge ausbreitete.
Als der Herr Langweiler und ich zur Sperrstunde, uns an Stühlen und Tischen festhaltend, versuchten das Lokal zu verlassen, sah ich am Ende des Raumes den Küchenchef ganz alleine sitzen und irgendwelche Geheimnisse auf Papier zu schreiben. Vielleicht schrieb er Rechnungen oder er entwarf neue, noch erotischere Gerichte, ich weiss es nicht. Was ich in dem Moment jedoch unbedingt wissen musste, war, wie ich mir diese Sauce selbst, zuhause zusammenbrutzeln konnte. So sank ich vor ihm in einem Stuhl nieder und schwärmte erstmal drei Minuten lang von der Sexualität dieser Sauce und bat ihn anschliessend, nein ich flehte ihn an, mir die Zubereitung dieser zu erklären. Er lächelte freundlich und erklärte mir ohne zu zögern und sehr detailiert die Rezeptur. Ich hörte gespannt zu und bekam schon beim blossen Hinhören wieder Hunger, wobei ich fast zu schmelzen drohte und man mich beinahe als Mequitosauce vom Boden hätte schlecken können. Ich war begeistert, wenn der Kater vorbei wäre, dann wollte ich mich gleich dranmachen und einen Riesenkleks Erotik auf den Tisch zaubern.
Am nächsten Tag wachte ich auf und das Rezept war aus meinem Kopf verschwunden. Erst dachte ich noch es sei bloss der riesige, fette Kater, der sich in meinem Kopf breitgemacht hatte und jegliche Erinnerung verdrängte. Als der Kater jedoch drei Tage später vorbei war, klaffte da immer noch diese Lücke. Ich wusste nur noch einige Kleinigkeiten, dass eben Sahne dazugehörte und Brühe. Das wichtigste von allem hatte ich zum Glück nicht vergessen: das Wort Reduzieren! Meine treue Leserschaft weiss vielleicht was reduzieren heisst, meine Leserschaft ist ja ein Haufen gebildeter Leute, aber für mich war das neu, und wie er mir dieses Reduzieren erklärt hatte, wusste ich sofort, dass dies etwas für mich sei. Reduzieren heisst einfach köcheln lassen und rühren, bis das Wasser verdampft ist.
Reduzieren, das ist was für mich. Ich könnte nämlich mein ganzes Leben lang rühren. Gemüse rühren, dem Dampf zugucken wie er aus der Pfanne hochsteigt, rühren und eine traurige Weise summen, rühren bis man ein Loch in die Pfanne gerührt hat. Deshalb brennen auch meine Speisen immer an.
Heute durfte ich jedoch rühren wie es mein Herz begehrt, denn heute machte ich diese Sauce, jedenfalls so wie sie durch den Sieb aus Birnenschnaps und Rotwein in meinem Gedächtnis hängengeblieben ist.
Eigentlich ganz einfach:
Etwas Olivenöl in eine, ich nenne sie jetzt mal Saucenpfanne, heiss werden lassen und dann 250ml Sahne hinzugeben. Dann köcheln lassen, auf kleiner Flamme. In der Zwischenzeit einen ganzen Würfel Gemüsebrühe in heisses Wasser verrühren, wenn der Wurfel dann aufgelöst ist, in die Saucenpfanne giessen. Und dann heisst es: Redukt! Rühren und rühren und köcheln lassen, bis es sich anfühlt wie ne Sauce.
Das war es schon, klingt nicht ganz so spannend und ist auch bestimmt ganz falsch zubereitet, aber Blumekohlknöllchen haben noch nie so sexy geschmeckt wie gerade eben. Noch nie.
Ja, das ist wirklich banal. Warum erst Olivenöl in die Pfanne geben, wenn man darin doch nichts röstet? Das könnte man auch mit Sahne alleine in der heißen Pfanne erreichen, die kocht nämlich auch so ein. Also entweder Olivenöl um darin Zwiebeln, Knoblauch, Pilze oder Fleisch, Fisch, Krustentiere anzubraten, oder nur Sahne um eine Sahnesoße zu machen. Aber Olivenöl und Sahne hört sich für mich sehr sinnlos an. Oft werden Zwiebeln angebraten, diese mit Mehl überstäubt und dann mit Sahne aufgegossen um eine Bindung zu erreichen. Diese kann dann natürlich wieder mit Brühe zur gewünschetn Konsistenz verändert werden, aber so, wie Du das schilderst, kann es keinen Sinn ergeben.
Warum Olivenöl? Nun, ich dachte ein bisschen Fett könne bestimmt nicht schaden.
Aber mal ernsthaft, muss ich nun wirklich, nur weil ich jetzt in Deutschland wohne, auch aufhören in jede erdenkliche Speise Olivenöl zu kippen? Ich habe schon damit aufgehört Olivenöl in
den Kaffeechinesisches Bami zu giessen. Irgendwo muss man auch Grenzen setzen.und was ist nun mit dem birnenschnappes und dem rotwein ?
In die Sauce? Gute Idee. Wenn sich die Sauce mit mir die Flasche teilt.
Da werde ich ja ganz rot bei dem Lob.
Ich erinnere mich auch noch, dass die Sauce eine Reduktion aus Hühnerbrühe und Sahne war. Aber die Komponente, die meine Zunge nur als mysteriös wohlschmeckend identifizieren konnte, die wurde in der Auflösung genannt:
Trüffelessenz.
Vielleicht erbarmt sich der Herr Paulsen und verrät uns, wo man so etwas herbekommt.
ich kenne jetzt trüffelessenz zu wenig, aber bei mir reicht ein kleines fläschen dass fühle ich mit olivenöl (ich gehöre auch zur olivenölfraktion) voll und dann gebe ich noch ein kleines stück trüffel bei. dieses öl wird göttlich und wenn auch nur mal ein wenig an pasta mit einem hauch von parmesankäse.
reduktionen sind immer leckere grundbestandteile.
Bin 1A-Saucentiger.
Trüffelessenz! Ein magisches Wort. Wie konnte ich das bloss vergessen. Der Birnenschnapssieb muss sehr feinmaschig gewesen sein, danke Herr *weiler.
Den Trick mit dem eingelegten Trüffel werde ich auch mal probieren, kommt dem Original wahrscheinlich nicht ganz so nahe, ist aber die billigere Alternative. Meine Mutter legt immer alles in Olivenoel ein, Knoblauch, Peperoncini, Rosmarin, Basilikum, alles was irgendwie Geschmack hatte, ich koche ab jetzt nur noch Saucen mit den ganzen verschiedenen Oelen. Schon Schade, dass man die Saucen nicht als Hauptgericht essen kann, so richtig mit dem Loeffel meine ich, wie eine Suppe. Wer braucht schon Gemüse dazu?
ich hab mich neulich an salze rangemacht.
rosmarin-, basilikum- und rhymiansalz.
jeweils kleinhacken und mit salz in einen mörser, feste zerkloppen und dann durchsieben und den inhalt merken ( wenn man mehrere macht ). und das, was im mörser blieb benutze ich ebenfalls noch.
sehr lecker.
( im tausch zum trüffeloiltipp )
Manchmal ist Trüffelöl besser als der Trüffel selbst – man bekommt am Markt (vor allem da wo ich wohne) häufig keine guten Trüffel.
Und – Lu – die Salzexperimente werde ich auch mal tätigen. Ich hoffe, die Mediziner kommen endlich drauf, dass Salz doch nicht so ungesund ist, wie immer behauptet, sondern, im Gegenteil, der Schlüssel zum langen Leben. Dann käme ihm kulinarisch endlich die Bedeutung zu, die es verdient hat.
Salz ist sowieso der Paria der modernen Küche. Ab in den Untergrund mit uns! Für eine Gleichberechtigung aller Gewürze und einer Resozialisierung der Salze. Völker hört die Signale…
genau, wir starten die salz-revolte, HEUTE!
( ha, endlich mal wieder was los auf dem planeten )
Ich denke doch auch sehr stark, dass der Herr Viena Trüffelöl verwendet hat. Das allerdings, sollte immer erst ganz zum Schluß an die Sauce, Trüffelöl „verfliegt“ schnell, die ätherischen Stoffe verflüchtigen sich beim Kochen. Also die Sauce immer erst vor dem Servieren parfümieren. Olivenöl bringt an Sahnesaucen eine leicht bittere, kernige Note, auch nicht uninteressant.
Trüffelessence kochte man in den Achtzigern. Da wurde z. B. weißer Portwein und Kalbsfond mit Trüffelspänen reduziert, wieder abgekühlt und dann ganze Trüffelknollen darin in Gläsern eingekocht, eingeweckt. Der Sud wiederum wurde dann auch für Saucen verwendet, weil man dachte, er habe den Trüffelgeschmack angenommen. Leider hatten eher die Trüffel den Portweingeschmack angenommen, das ignorierte man aber damals. Seitdem habe ich nichts mehr gehört von Trüffelessencen und das ist gut so.
Eine schöne Grundsauce, die sich später gerne mit Trüffelöl vermählt, ist diese hier:
250 ml Geflügelfond oder Geflügelbrühe mit 50 ml Créme double auf kleiner Flamme 10 Min. unter gelegentlichem Rühren köcheln lassen und durch ein Sieb in einen sauberen Topf gießen. Bei schwacher Hitze 30 g kalte Butterwürfel einrühren, nicht mehr kochen. Mit Salz (revolutionäre Grüße!) und Pfeffer würzen.
An diesem Gerüst lässt sich einiges Erkletter. Beim Einkochen kann man Gewürze zugeben, oder 4 El Weißwein oder 1 El Portwein. Den Geflügelfond kann man für Fischgerichte durch Fischfond aus dem Glas ersetzen und wenige Tropfen Noilly Prat oder Anis zugeben. Nach dem Einkochen kann man frisch gehackte Kräuter einrühren, oder eben Trüffelöl dazugeben. Für eine schaumige Variante, kann man vor dem Servieren noch 1 EL geschlagene Sahne untermixen.
Boah. Jetzt wird Maria Callas aber ihr Krächzen vergehen.
Lieber Herr Paulsen, vielen Dank.
Und sie haben bestimmt recht. Meine Erinnerung an den späteren Abend ist leicht verwackelt.
Jetzt probiere ich das auch mal (erstmal ohne Trüffelöl).
wuow, ab in die küche sag ich da mal.
aber bitte, WO bekomme ich trüffeloil ? mein biosupermarkt gab es nicht her.
machs auch gerne selbst ( diesen satz bitte nicht einzeln lesen ).