Abends waren wir bei Freunden in Moabit zum spontanen Abendessen eingeladen. Die Freunde sind vor einem halben Jahr für zwei Jahre nach Paris gezogen. Wir reden über Paris und Berlin, ziehen Vergleiche, ich mag das, es hilft immer wieder die Dinge einzuordnen. Das letzte Mal, als ich in Paris war, war es noch eine totale Autostadt, mittlerweile wird die Stadt in einem atemberaubenden Tempo zu einer Fahrradstadt umgebaut. Auch in Berlin werden bessere Fahrradwege gebaut, aber das geht hier dermassen träge vonstatten, dass wir bei Fertigstellung sicherlich schon alle mit Flugtaxis durch die Stadt schweben. Es glänzt natürlich nicht alles in Paris. Die französische Hauptstadt ist wesentlich stressiger, wesentlich lauter, wesentlich weniger grün. Wenn ich nachrechne, war ich wirklich schon lange nicht mehr in Paris, Ende der Neunziger, als ich noch in den Niederlanden lebte und Anfang der Nullerjahre, war ich mehrmals jährlich da, sei es nur auf der Durchfahrt von Madrid zu meiner damaligen Freundin nach Hamburg (ich flog nicht gerne). Ich habe gerade im Blog nachgeschaut, das letzte Mal war im Sommer 2003 dort. Fast zwanzig Jahre her. Das war mir nicht bewusst. Damals gab es das Blog noch gar nicht in dieser Form, mit dem Blog ging es erst im November des selben Jahres richtig los. Auch das ist wieder zwanzig Jahre her. Ich mochte Paris immer aus ästhetischer Sicht und ich mochte diese Kompaktheit, dieses Meer an fünfgeschossigen Gebäuden, so etwas wie ein Prototyp der europäischen Stadt. Mittlerweile empfinde ich Paris als etwas zu idealisiert. Natürlich verfügt jeder bekannte Ort über seine ganz eigenen Projektionen, aber bei Paris wurde mir diese Idealisierung irgendwann zu billig und unecht, wenn sich junge Mädchen einen Traumprinzen unterm Eiffelturm vorstellen, oder der französische Akzent, der Liebende angeblich so weich werden lässt wie Käse, wenn er schmilzt und lange, lasszive Fäden zieht. Aber die Schilderungen unserer Freunde, dass sie in Paris mit ihren winterlichen Funktionsjacken auffallen, positiv wie auch negativ, das finde ich dann schon lustig. Und gut auch.