Am Freitagnachmittag fuhren wir nach Usedom, genauer nach Koserow. Koserow kannte ich bisher nur auf der Karte, wir faren sonst immer nach Zinnowitz und mittlerweile sind wir ja solche Leute geworden, die immer zu den selben Orten fahren. Eine Freundin meiner Frau besitzt in Koserow eine Ferienwohnung, ein guter Grund, etwas an den eigenen Gewohnheiten zu ändern.
Ich freute mich schon die ganze Woche auf den Kurzurlaub, zum einen, weil ich immer gerne an der Küste bin und zweitens, weil ich mich für die Hündin mitfreute, die von der ganzen Unternehmung natürlich noch nichts wusste. Sie war noch nie an einem Strand, sie war auch noch nie am Meer. Sie kennt das Meer nur von den Fähren nach Dänemark oder nach Schweden.
In Meckpomm schneite es, je näher wir an die Küste kamen, desto stärker. Eine halbe Stunde vor Wolgast las meine Frau, dass die Brücke in Wolgast drei Mal pro Tag für Schiffe geöffnet werde. Ich kenne die Brücke, es ist eine richtige Seebrücke mit überdimensioniert wirkenden Stahlbalken. Es wirkt überdimensioniert, weil dort sonst alles klein ist, man fährt zuerst auf diese schöne Altstadt von Wolgast zu, biegt dann rechts ab, entlang der mittelalterlichen Stadtmauer, um ein paar alte Fachwerkhäuser herum bis hinunter zum Fluss, der kein wirklicher Fluss ist, es wirkt nur wie ein Fluss, weil das Meer bzw der Peenestrom an jener Stelle schmal ist, und dann steht auf einmal eine massive Seebrücke vor dir.
Ich mag diese drei Minuten Strecke immer sehr.
Laut Navi würden wir ziemlich genau zur Öffnung der Brücke in Wolgast landen. Da wir noch vor Sonnenuntergang auf der Insel sein wollten, drückte ich auf das Gas und so beobachteten wir, wie die Ankunftszeit auf dem Navi Minute für Minute weniger wurde. Wir waren aufgeregt.
Abends gingen wir in ein Restaurant namens Bernsteinhexe. Essen, Lokal und Ambiente ist, sagen wir, eher mittelmässig. Ich bin wirklich kein Snob, aber es wirkte alles etwas lieblos. Und das Essen war auffällig salzarm. Was bei deftiger Küche nicht ganz passen will.
Nachts auf dem Rückweg durch das Dorf bis in die Wohnung, über ganz Koserow hört man die Brandung.
Am nächsten Morgen stand ich früh auf und ging mit der Hündin in Richtung Wasser. Koserow hat keinen direkten Zugang zum Wasser wie beispielsweise Zinnowitz, Koserow liegt seitlich hinter einen Berg hineingebaut, erst ausserhalb des Dorfes, am westlichen Rand, gibt es den Zugang zum Strand mit einem Pier. Auf der Ostseite des Dorfes, an dem wir wohnten, befindet man sich auf einem 50m hohen Berg. Die Hündin und ich spazierten hinaus auf den Berg liessen uns von der Morgensonne anstrahlen, während wir auf das Meer hinausschauten.
Das sind solche Momente, an denen es sich lohnt, einen Hund zu haben. Ohne Hund sässe ich um diese Uhrzeit am zweiten Kaffee und würde mich zugrundefaulenzen.
Wir fuhren dann noch zum örtlichen Netto, nicht dem roten Netto, sondern den Netto mit dem Hund. Brot kaufen, Käse kaufen. Das Supermarktpersonal ist schlecht gelaunt und unfreundlich, ich weiss nicht, warum das im Osten meistens so ist, ausser wenn das Personal polnisch ist, die sind immer freundlich. Ich versuche meistens darüber hinwegzusehen, am Abend davor im Restaurant zB, da kann ich es ignorieren, aber manchmal deprimiert es mich, zB an einem Samstagmorgen, nachdem ich gerade einen schönen Sonnenaufgang gesehen habe.
Nächstes Mal fahren wir für alle Besorgungen nach Zinnowitz, dort arbeiten Menschen aus Polen.
Als meine Frau wach wurde, unternahmen wir einen langen Spaziergang am Strand. Die Hündin flippte am Strand völlig aus. Ich verstand nicht, was genau sie derart in Aufregung versetzte, es war aber lustig anzusehen. Sie rannte weite Kreise um uns herum und wirbelte Sand auf. Ausserdem fürchtet sie sich vor dem Wasser, das angespült wird.
Dieser Wald mit Buchen. Der ganze Küstenabschnitt zwischen Koserow und Loddin ist ein Buchenwald. Das ist so schön. Wusste ich nicht. Am Pier in Koserow sind wir platt und lassen uns in einem Cafe nieder. Der (polnische) Kellner legt italienischen Schlager auf. Bell’ amor’ solo. Es trällert. Es ist gleichzeitig lustig, deprimierend und egal. Wir ziehen lustig vor.
Nach 2km zurück in die Wohnung sind wir dann noch kaputter. Es gibt direkt in der Wohnung eine Sauna. Es ist der Moment, an dem man eine Sauna nehmen sollte, oder? Wir gönnten uns eine Sauna, danach konnte man uns auf Brotscheiben schmieren.
Am Abend gingen wir wieder ins Dorf, diesmal zum Käptn Brass, wir wollten Fisch essen, das Restaurant ist für seine Fischspeisen bekannt. Auch dieses Lokal atmet eine unfassbare Lieblosigkeit aus. Zwar ist es opulent eingerichet und man merkt, dass das Lokal mal etwas besonderes sein wollte, aber die Stimmung des Personals färbt dermassen auf alles ab, dass sogar das Essen nicht mehr wirklich schmeckt, es ist nicht so, dass wir unfreundlich behandelt wurden, aber lieblos, freudlos, antriebslos, leer.
Dafür ist die Landschaft wirklich sehr schön. Als wir zurück in die Wohnung gehen, nehmen wir den Waldweg, er ist nämlich mit Strassenlaternen ausgeleuchtet, damit hatten wir nicht gerechnet, sonst hätten wir den längeren Umweg durch das Dorf nehmen müssen. Je länger man nachts im Wald läuft, desto gruseliger wird es aber auch, zumindest, wenn man über den Wald nachdenkt und zu viel nach links und nach rechts schaut. Nach einem Kilometer endet die Beleuchtung. Vor uns der weitere Pfad, den wir gehen müssten, er führt geradeaus in ein dunkles Loch. Rechts führt ein spärlich beleuchteter Weg zurück zum Dorf. Wir beschlossen den Lichtern zu folgen.
Am Sonntag spazierten wir wieder zum Strand. Wir nahmen auch eine Picknickdecke mit und setzten uns eine Weile hin.
Am Nachmittag fuhren wir wieder zurück nach Berlin.
Bzgl. der Lieblosigkeit des Personals an der Ostsee fällt mir folgendes Erlebnis ein. Wir haben vor ein paar Jahren im Sommer die Alpen von Gmund am Tegernsee nach Sterzing in Südtirol überquert. Ich glaube es war in Achenkirch, also die erste Übernachtung in Österreich. Dort war abends in unserer Pension eine bombige Stimmung, der Laden war voll und das Personal bestgelaunt. Unsere Bedienung war extrem locker und sehr witzig. Ich fragte ihn, wo er herkam, da der – nicht vorhandene Akzent – so überhaupt nicht in die Gegend passte. Es stellte sich heraus, dass er aus Rügen kam. Auf die Anschlussfrage, dass dort ja auch viele Touristen wären und wieso er nicht dort kellnern würde, sagte er, man würde dort kein Trinkgeld geben. Vielleicht hat die schlechte Laune der “Zurückgebliebenen” ja auch etwas damit zu tun. Wobei das natürlich auch so ein bisschen ein Teufelskreis ist. Wer gibt schon gern miesgelaunten Bedienungen ein üppiges Trinkgeld…
Hm.
Oder er ist weggezogen, weil seine Laune zu gut war. Wäre ja unverschämt, ständig mit soner freundlichen Fresse herumzulaufen.