[Mo, 27.3.2023 – Schnee, Flusspegel, schwedisch lernen, Kühlschrankmöbel]

Es schneit.

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Ich werde jetzt schwedisch lernen. Da meine Frau und ich das Holzhaus im schwedischen Wald übernehmen, ist es ganz praktisch, wenn ich die Sprache einigermassen sprechen kann. Ich verstehe vieles, bin aber weit davon entfernt zu sagen, dass ich schwedisch verstehen würde. Momentan gibt es einen halben Aufstand in der Gemeinde, in der sich unser Häuschen befindet, weil irgendein böser Kapitalist ein Wasserkraftwerk bauen will, das den Fluss um zehn Zentimeter anheben würde und damit unser Flussufer im Frühjahr zweimal öfter überschwemmt werden würde, als dies bisher der Fall ist.
Genau. Ich habe jetzt Probleme ganz neuer Art: ein Flusspegel im schwedischen Nirgendwo.

Zuerst standen wir der ganzen Sache etwas gleichgültig gegenüber. Ein zehn Zentimeter höherer Flusspegel ist nicht die Hölle und ein Kraftwerk, das kein CO2 ausstösst, ist eigentlich ja auch keine schlechte Sache. Aber es summierten sich die negativen Kleinigkeiten, zum Einen ist es bereits sein zweiter Anlauf um das Kraftwerk zu bauen, inzwischen hat er viele Ländereien aufgekauft, damit es weniger Klägerinnen gibt, dann befindet sich die ganze Gegend in einem Naturschutzgebiet, über das er sich einfach hinwegsetzen will, und zum Schluss hat er allen Anrainern mit Flusszugang einen Schadenseratz von 500 schwedischen Kronen Schadensersatz zugessagt. Fünfhundert schwedische Kronen sind fünfzig Euro. Diesen fingierten Schadenersatz fanden wir so frech, dass wir uns auf die Seite der anderen geschlagen haben. Ausserdem sind das unsere potentiellen, zukünftigen Nachbarn, es ist ohnehin besser, sich mit denen gut zu stellen. Ich muss jetzt also Gesetztestexte verstehen, Nachrichtentexte lesen können, und sowieso, wenn da ein Holzhaus viele Monate im Jahr leer im Wald herumsteht, sollten wir dort einigermassen vernetzt sein.

Es leben dort aber kaum Menschen. Der Bauer, der den Aufstand anführt lebt drei Kilometer flussabwärts. Eine Frau, die uns schon einmal zu kontaktieren versucht hat, wohnt näher dran, etwa einen Kilometer flussaufwärts. Die anderen wohnen alle weiter weg. Ich freue mich aber schon sehr darüber, diese Menschen zu besuchen. Mich in deren Wohnzimmer zu setzen, einen Kaffee oder einen Tee zu bekommen und vielleicht gibt es sogar Smörgastbröd, oder diese mit Brot und Salatblättern gestapelten und in Majo sowie Zitronensaft getränkten Krabben. Nur quatschen kann ich noch nicht. Und die meisten älteren Menschen in der Gegend können kaum englisch, manchmal gehen Satzfetzen auf deutsch, aber wir sind hier schliesslich nicht in Stockholm oder Göteborg.

Daher habe ich jetzt Duolingo installiert. Zwar las ich viel schlechtes darüber, wie sehr die Gamification nervt aber irgendwo muss ich ja anfangen. Mit meiner Frau werde ich nicht schwedisch üben, das funktioniert in einer Beziehung nicht.

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Am Abend baute ich den Kühlschrankmöbel in der Küche ab. Wir haben einen neuen Kühlschrank gekauft, der alte ist jetzt ziemlich genau 14 Jahre alt und wir bemängeln schon seit Jahren, dass er zu klein ist. Der neue Kühlschrank ist aber dermassen gross, dass er nicht in das Ikea-Möbelteil hineinpasst, unter dem der Kühlschrank bisher stand. Weil der Möbel ziemlich ineinander verbaut ist, musste ich den gesamten oberen Teil abbauen. Keine Ahnung, was ich mit diesem Teil nachher anstellen werde. Meine Frau schlug mir vor, das Möbelteil einfach obendrauf zu bauen und eine entsprechende Verblendung zurechtzuschneiden und diese bündig anbringen. Ich mag es sehr, dass sie mir immer so viel Handwerklichkeit zutraut. Das macht sie immer, sie meint es ernst, sie traut es mir wirklich zu. Auch wenn die Dinge, die ich mache, nie wirklich schön werden und ehrlicherweise auch nur teilweise gelingen. Sie traut mir immer alles zu. Das rührt mich. Und ich sage immer: ich schaus mir mal an.

6 Kommentare

  1. Schwedisch ist eine so schöne Sprache. Mangels Praxis habe ich fast alles vergessen, vor allem beim aktiven Sprechen. Trotzdem habe ich mit dem Sprechen nur gute Erfahrungen in Schweden gemacht. Die Schweden wissen es zu schätzen, wenn sich jemand mit ihrer kleinen Sprache beschäftigt und verzeihen alle Fehler, das war jedenfalls mein Eindruck.

  2. Den Eindruck teile ich. Sei es wenn man nur sagt: Jag pratar bara lite svenska (zur Not: Jag pratar inte svenska)

  3. Den Satz, dass du mit deiner Frau nicht schwedisch üben kannst, verstehe ich nicht wirklich. Wobei “üben” glaube ich der falsche Ansatz ist, einfach losquatschen, nicht lange fackeln, scheint mir zielführender zu sein, mit anderen Worten Sprachpraxis ist das Zauberwort. Mit niemandem kann man so gut eine Fremdsprache sprechen lernen wie mit seiner Freundin/Frau. Ich bin seit fast 30 Jahren mit einer Französin zusammen. Anfangs – in Luxemburg – haben wir nur französisch miteinander gesprochen, dann seit wir in Deutschland leben deutsch. Wir machen es jetzt immer so, dass wir in Frankreich, also meist im Urlaub, nur französisch sprechen und in Deutschland nur deutsch. Das klappt ganz gut und ich finde das auch natürlich. Wobei wir ähnlich wie die Türken in Berlin manchmal die Sprachen mischen. Es gibt Worte, die sind im Französischen einfach treffender und umgekehrt. Oder Wörter im Patois. Es hat allerdings manchmal auch etwas, in Deutschland französisch zu sprechen, so dass man das Gefühl hat, man spricht eine Geheimsprache, die die anderen nicht verstehen. Also die Chance mit einer Schwedin schwedisch zu sprechen, würde ich mir nicht entgehen lassen. Just my 2 cents.

    Dass deine Frau dir so viel zutraut, obwohl du anscheinend nicht so der praktische Mensch zu sein scheinst nachdem, was du da schreibst, das kenne ich sehr gut. Ich würde sagen, genieße es, das könnte sich irgendwann ändern. So ging es bei mir, irgendwann war klar, dass sie mit den Händen viel geschickter ist als ich, dann war ich “nur noch” gut fürs Grobe bzw. für gewisse Sachen, auf die sie keine Lust hat. Ich ärgere mich z. B. seit einiger Zeit mit dem Einbauen von Insektenschutzgittern in die Fensterrahmen rum. Ein Handwerker würde dafür keine Stunde brauchen, ich brauche mindestens vier. Es ist immer wieder erstaunlich wieviel man bei so einer relativ simplen Arbeit falsch machen kann. Ich mache immer jeden Fehler, den man machen kann (rechts und links bzw. oben und unten bzw. vorne und hinten verwechseln) und muss zig mal von vorne anfangen. Wenn ich es dann geschafft habe, bin ich allerdings stolz wie Oskar.

    • Nach 15 Jahren fängt man nicht mehr damit an. Unsere (private) Sprache ist ohnehin ein wilder Mix aus 5 Sprachen, die auf deutschem Satzbau basiert. Das will ich eigentlich gar nicht ändern.

      • Das mit dem Bauen: ich würde das wirklich gerne können. Es gibt dafür auch Kurse. Die stehen auf meiner Liste. Aber: die Liste ist lang und mit vielen anderen Dingen gefüllt.

  4. Sorry, das mit den Türken war Blödsinn, ich meinte natürlich Deutschtürken.

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