Die beiden Bewerbungsgespräche liefen gut. Allerdings komme ich nur für eine der beiden Firmen infrage. Für die andere bin ich überqualifiziert, wie der Herr meinte. Ich würde mich nur langweilen, sagte er. Überqualifikation finde ich in meinem Fall eine lustige Formulierung. Als Manager oder Führungskraft bin ich in Wahrheit zu inkompetent, um die richtige, fachliche Arbeit durchzuführen. Ich kann aber gute Emails schreiben und die Leute zusammenhalten. Überqualifikation ist natürlich der schönere Begriff. Die andere Firma ist aber super. Für die würde ich gerne arbeiten.
Wegen der beiden Gespräche fiel heute das Fitnessstudio aus. Ich meide es noch, in den Abendstunden zu trainieren. Mir ist es bewusst, dass ich derzeit den Vorteil geniesse, nicht nach Feierabend ins Studio zu müssen, wenn alles überlaufen ist. Sobald ich wieder arbeite, wird sich das ändern, dann werde ich oft an Geräten warten müssen. Gestern hatte ich tagsüber ja auch einen Bewerbungstermin, deswegen war ich gestern auch schon nicht da. Ich muss aufpassen, dass ich nicht schon nach wenigen Wochen nachlässig werde. Ich muss daher unbedingt morgen gehen. Und ich werde auch am Freitag trainieren, um die Woche wenigstens mit zwei Trainings gefüllt zu haben. Allerdings habe ich am Freitag auch wieder zwei Bewerbungsgespräche. Schon verrückt, diese Woche. So viele Angebote gab es noch nie. Dabei ist Freitag sogar ein Brückentag.
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Vor drei Jahren, als Russland die Ukraine angriff und die Gasversorgung in Deutschland in Gefahr geriet, bereiteten wir uns in meiner Firma auf einen Ernstfall im Winter vor. Wir schafften ein kleines Dieselaggregat an, kauften eine Starlink-Station, viele Taschenlampen und tausende Liter Wasser in Flaschen. Die Idee war es, bei einem landesweiten Stromausfall zumindest Mitarbeiterinnen und Familienmitglieder ins Büro bringen zu können, wo wir Internet und Wasser bereitstellen können wollten.
Nun ist es glücklicherweise nie zu diesem Ausfall gekommen. Aber auch zuhause kauften wir Trinkwasser, Taschenlampen und ein kleines, analoges Radio. Ein Radio hat ja kaum noch jemand. Mein Auto kann vielleicht noch Radiowellen empfangen, aber sicher bin ich mir da auch nicht. Wie der Stromausfall in Spanien gestern gezeigt hat, werden alle wichtigen Kommunikationswege ausfallen. Sogar die Handymasten, die eigentlich noch eine Stunde lang auf Akkubetrieb funktionieren sollten, fielen sofort aus. Das normale Volk wird nicht mehr kommunizieren können. Meine Frau und ich sind jetzt wirklich keine Prepper, aber dieses kleine Radio zu besitzen, war schon sehr speziell.
Wovor ich mich aber am meisten fürchte, ist es, in einem Fahrstuhl stecken zu bleiben. Natürlich auch, weil es im Katastrophenfall Tage oder Wochen dauern kann, bis Hilfe kommt. Man muss nur rechnen, wie lange ein paar Dutzend Aufzugsfirmen brauchen, um hunderttausende Menschen im ganzen Land aus Aufzügen zu holen. Die meisten Menschen werden nach drei Tagen schlichtweg verdursten.
Aber dieses Szenario finde ich gar nicht so schlimm. Mehr Angst habe ich davor, dringend aufs Klo zu müssen. Im Aufzug ist das ja immer so. Im Aufzug muss ich plötzlich dringend aufs Klo gehen. Das fängt schon an, wenn ich mich dem Haus nähere: Die Blase beginnt sich zu melden, leichtes Kribbeln. Je näher man der Haustür kommt, desto mehr drückt sie, mit jedem Schritt wird das Bedürfnis urgenter. Im Aufzug kann ich es kaum noch bei mir halten. An der Wohnungstür fallen meine motorischen Komponenten aus und ich stochere wild mit dem Schlüssel am Schlüsselloch herum.
Jetzt will ich mir nicht vorstellen, was passiert, wenn im Aufzug der Strom ausfällt. Davor habe ich Angst.
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Zusammengefaltete Zeitung in der einen Hand, schwarzes Hemd, Sonnenbrille im Ausschnitt, die Frisur wie ein griechischer Gott aus schwarzem Marmor.
Wenn ich jetzt bloss nicht watscheln würde wie eine Ente. Dann wäre mein Look perfekt.
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Am Abend war ich zu einem Drink verabredet. Die Verabredung wurde allerdings abgesagt und nun sass ich wieder etwas hilflos mit geöffneten Rezeptoren für Bier zuhause herum. Das mit den Rezeptoren beschrieb ich bereits vor zwei Wochen. Heute hatte ich den ganzen Tag kaum gegessen, um den Kalorienhaushalt einigermassen im Gleichgewicht zu halten, weil ich mittlerweile weiss, wie viele Kalorieneinheiten ein alkoholisches Getränk in sich führt.
Meine Frau wusste wieder Abhilfe zu schaffen und schlug vor, mit der Hündin eine lange Runde zu drehen und uns irgendwo einen Aperitif zu gönnen. So taten wir es dann auch.
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ich drücke daumen, das klingt doch vielversprechend! und wegen dem drang im aufzug: es gibt tragbare und verschließbare beutel für sowas, kannst du immer einen dabeihaben! (mutter von jungs bin ich)