[Fr, 9.5.2025 – Sassnitz, Königsstuhl, Papam, Display, Webcam]

In der Binzer Hauptstrasse fand ich nach längerem Suchen ein Bekleidungsgeschäft mit einem schwarzen Hemd. Fast alle Bekleidungsgeschäfte in Binz hatten Hemden. Sie führten allerdings keine Schwarzen und auch keine Weissen im Sortiment. Dafür viele Hemden mit Palmen, Sonnen, Blumen, Vögeln und Fischen. Für ein Bewerbungsgespräch nur so mittel. Dann hätte ich mich auch in einem schwarzen T-Shirt vor die Kamera stellen können.

Erst in einem Laden mit Marken wie Boss und Lacoste wurde ich fündig. Zwar nur ein schwarzes Hemd aus Leinenstoff, aber in der Kamera kommt es nur auf den Kragen an. Die anderen Details sieht man nicht.

Danach fuhren wir nach Sassnitz und zum Kreidefelsen. Die Rezeptionistin unseres Hotels kam aus Sassnitz. Sie hatte uns gesagt, das sei der schönste Ort der Welt. Sie gab aber auch zu, dass sie in dieser Frage ziemlich voreingenommen sei. Wir fuhren dennoch hin und machten eine kleine Runde durch den Ort. Was uns sofort auffiel: Hier arbeiten die Leute. In Binz sieht man nur flanierende Menschen, in Sassnitz arbeiten sie. Ob ich den Ort schön fand, kann ich noch nicht ganz beurteilen. In Sassnitz gibt es auch viele dieser Holzhäuser aus der Jahrhundertwende. Sie wirken aber nicht wie Strandresidenzen, sondern eher wie repräsentative Wohnhäuser. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob mich hier nicht die gefühlte Arbeitsamkeit der Sassnitzerinnen beeinflusst hat.

Wir hielten uns da nicht sehr lange auf und machten uns auf den Weg zum Königsstuhl, diesem Bergzahn aus Kreide. Den Königsstuhl nannten wir die ganze Zeit lang „Kaiserstuhl“. Vermutlich brachte ich das durcheinander, weil ich einen langjährigen Freund habe, der am Kaiserstuhl in Baden-Württemberg aufgewachsen ist. Der Begriff ist mir daher sehr geläufig, ich dachte aber, ein Kaiserstuhl sei eine allgemeine Bezeichnung für eine wasweissich, eine Landschaftsform. Aus dieser Verwechslung mit dem Königsstuhl weiss ich jetzt aber, dass das ein Gebirge im äussersten Südwesten der Republik ist. So finde ich es durchaus witzig, dass der Königsstuhl sich wiederum im äussersten Nordosten befindet. Das ist aber Zufall. Als hier Könige und Kaiser das Land regierten, lag der nordöstliche Zipfel des Landes noch ganz woanders.

War dann ganz nett. Es gibt einen sogenannten Skywalk, eine Schleife aus Beton, über die man laufen kann, und damit die Kreideküste überblicken und den Königsstuhl erfahren. Auf dem Gelände vor dem Skywalk gibt es ein sehr gutes Museum über Bäume, Geologie und Geologiegeschichte der Gegend. Meine Schwester fand das ungemein interessant, obwohl sie überhaupt keinen Bezug zu Geologie oder der Umgebung hat. In diesem Museum war allerdings nur meine Schwester drin, weil ich das Gebäude mit der Hündin nicht betreten durfte. Der Spaziergang durch den Wald zum Königsstuhl war aber super. Es gibt dort auch einen See namens Herthasee. Fand ich natürlich noch superer.

Auf dem Rückweg hielten wir bei Edeka an. Bevor wir ausstiegen, fand meine Schwester heraus, dass aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle weisser Rauch gekommen war und jeden Moment der neue Papst angekündigt werden sollte. Als fürchtige, aber nicht besonders ehrenhafte geborene Katholikinnen schalteten wir den Livestream an. Also sassen wir da im Auto auf dem Edeka Parkplatz. Das Telefon auf die Mittelachse gestellt. Der Petersplatz war voll. Die Menschenmenge wirkte wie ein sanft raunender und ächzender Organismus. Die Menschen euphorisiert, strahlend, wartend auf das Licht. Ein bisschen wie Woodstock.

Irgendwann kam der Kardinalprotodiakon und sagte die berühmten Worte, und gefühlte Jahre später trat der neue Pontifex auf den Balkon. Als während der Verkündung klar wurde, dass der neue Papst ein US-Amerikaner war, machte sich eine seltsame Enttäuschung breit. Der Petersplatz schien zu verstummen. Vielleicht war das auch nur meine Wahrnehmung. Vielleicht schauten sie alle nur auf ihre Telefone, um den neuen Hirten auf Erden zu googeln. Mich zog das anfangs schon etwas runter, dass gerade mit der heutigen Weltlage ein Amerikaner zum Papst gewählt wird. Ich konnte es regelrecht spüren, wie Trump und sein Baby-Vance vor Freude ejakulierten.

Später stellte sich allerdings heraus, dass Leo XIV aber vielleicht eine ganz okaye Besetzung ist.

Zurück in Binz war es bereits spät und wir gingen auf unsere Zimmer. Dort fiel mein Telefon auf den Boden und es zersplitterte sich das Display. Es ist das erste Mal, dass ich mir ein Handy schrotte. Ich konnte damit nur ganz schlecht umgehen. Die untere Hälfte des Bildschirms blieb schwarz. Die andere Hälfte funktionierte noch, aber gerade an der schwarzen Hälfte befinden sich die meisten Bedienelemente für Apps. Der Auslöseknopf der Kamera, die Auswahltabs, die Sendeknöpfe und natürlich das Inputfeld, wenn man eine Nachricht schreiben will. Ich fühlte mich, als hätte ich keine Beine mehr. Immerhin hatte ich den Laptop dabei. Ich verbrachte drei oder vier Stunden damit, eine Lösung abzuwägen. Neues Handy vs. Display reparieren lassen – und wenn neues Handy, welches denn? Es gab mehrere tausend Optionen. Irgendwann wurde ich todmüde und fiel in den Schlaf.

Am nächsten Vormittag zog sich das Unglück fort. Ich hatte den Bewerbungscall. Ich bereitete alles vor, las mich nochmal ein und zog das Hemd an. Etwa eine Viertelstunde vor Beginn wollte ich den geeigneten Ausschnitt für die Webcam auswählen, und in dem Moment stellte ich fest, dass die Webcam nicht funktionierte. Auch das Mikrofon funktionierte nicht. Ich schloss panisch alle Apps. Ich startete panisch verschiedene Tests. Ich startete auch panisch den Laptop neu. Es half aber nichts. Ich weiss, dass die Kamera funktioniert, deswegen ist mir gar nicht der Gedanke gekommen, die Kamera an sich zu testen. Ich wollte nur den Ausschnitt wählen.

Wegen des zerstörten Displays konnte ich auch nicht das Telefon verwenden. Also rief ich die Personalerin an, die jedoch nicht antwortete. Ich schrieb auch eine Email an sie, in der ich die Situation erklärte. Ich bat um einige Minuten Geduld, da ich zu jenem Zeitpunkt noch dachte, das Problem lösen zu können. Nach zehn Minuten musste ich mich allerdings geschlagen geben und bat um einen Folgetermin nächste Woche. Erst später fiel mir ein, dass ich mich wenigstens hätte einwählen können. Man hätte sehen können, dass ich anwesend bin, aber irgendwie ein Problem habe. Das hätte eine persönliche Nähe gebracht, bilde ich mir ein. Ich hätte auch das Telefon als Webcam im Verbund mit dem Laptop verwenden können. Ich weiss, dass mein Telefon das kann. Aber die Zeit war mir davongerannt und ich kam erst später auf den Gedanken.

Für einen Technikchef macht das natürlich keinen guten Eindruck.

So. Kunstpause,

Um den Ärger loszuwerden, fuhren wir nach Prora. Meine Schwester wollte noch ins Wasser. Die Wassertemperatur bewegte sich um die 10 Grad. Die Hündin fand das super. Meine Schwester fand es vor allem kalt. Aber auch total super. Sie sagte, es habe sie belebt.

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