Marketingmaschine Mamma

In dem kleinen Dolomitendorf aus dem in entstamme, bin ich vermutlich gerade dabei berühmt zu werden. Nun ist dies in einem Dorf mit ein paar hundert Seelen keine besondere Leistung, immerhin habe ich es in meiner Jugend geschafft in kürzester Zeit berüchtigt zu werden, und schliesslich wird dort jeder Bauer berühmt, der es hinbekommt eine suizidfreie Familie zu halten – aber dass aus jenem Dorf ein Schreiberling entspriessen würde, damit war nun wirklich nicht zu rechnen gewesen.
Ich bin natürlich kein nennenswerter Schriftsteller, auch wenn ich mittlerweile schon ganze sechs Finger zum Tippen benutze, seit meine Mutter jedoch von der Lesung, letzte Woche in Berlin, Wind bekommen hat, ist alles anders geworden. Die ganze Welt ausserhalb der Berge. Für meine Mutter jedenfalls.
Marketingmaschine Mamma kam ins Rollen. Eine Wucht von einer Walze. Glückwünsche von dem Nachbarn und von dem anderen Nachbarn, Glückwünsche von der Tochter des Wieser-Bauern, Glückwünsche von der Rosa aus dem Wirtshaus und sogar dem Herrn Lehrer schien die Mundklappe nicht mehr schliessen zu wollen. Der sagte ja schon immer, dass die Schuld an meiner ganzen Misere, bloss die grünen Haare gewesen seien.

Frau Mutter hatte nur ein wenig Schwierigkeiten wenn es zur Terminologie kam. Telefonisch teilte sie mir mit, dass sie ja nicht immer nur vom Schreiben reden konnte, weil Schreiben konnte ja jeder, ob nun die Rechnungen beim Metzger geschrieben wurden oder die versoffenen Laggl im Wirthaus die Punkte beim Kartenspielen auf den Zettel schrieben. Schreiben, ja, ach das kann jeder, aber wie nannte man das nochmal das was ich machte?
Ich beruhigte sie, Mamma, das ist alles nicht so wichtig, ich schreibe bloss ein bisschen und einigen Leuten gefällt das. Heute mit dem Internet geht das alles ganz einfach.
„Ja, aber du hast doch in Berliiiiien gelesen!“
Sie bohrte weiter und wollte wissen wie sich das nennt. Ich hatte einmal ganz beiläufig das Wort „bloggen“ erwähnt und ich wusste, dass das das Wort war das sie suchte. Um meinen Frieden zu bekommen hätte ich ganz einfach dieses Wort nennen können, jedoch wusste ich ohnehin schon, dass sie es abstreiten würde, dieses Wort jemals aus meinem Mund gehört zu haben. Das Wort das sie suchte musste nach grosser, weiter Welt und Klugheit klingen. Weil „bloggen“, das klang wie Pommes Frites mit Ketchup oder Majo.
Ich dachte noch kurz daran mir einen kleinen Scherz zu erlauben und sagen ich sei Online-Publizist. Bei diesem Wort zog es jedoch ganz übel an meinem hintersten Backenzahn und ich musste den Term augenblicklich aus meinem Kopf verbannen. Das tat weh.
„Ach Mamma, du übertreibst, das ist nichts besonderes, ich übe mich halt ein bisschen in Gedichten und Literatur und-“
„Literatuuuuuuur!“ hörte ich dann im Hörer, gefolgt von einem tiefen Aufatmen.

Und schon war das Stichwort gefallen das die nächsten Wochen durch mein heimatliches Dorf geistern wird.

22 Kommentare

  1. die tochter vom wieser-bauern und die rosa,
    die wissen halt, worauf es ankommt im leben!
    (nur nicht beirren lassen.)

  2. ich freue mich jetzt schon auf dein dorf.

    ( und die prozessionen nachts, wenn alte relikte aus der schule-
    stuhl, klassenbuch, etc- murmelnd durch die gassen getragen werden. )

    mütter.

  3. wenn die mutter das eigene schaffen mit „literatur“ adelt, ist man dann nicht mit einem mal in den stand eines alten familienadels gehoben worden?

  4. tehe. die mütter.

    aber sie haben ganz recht, herr mequito. „bloggen“ ist irgendwie ein komisches wort und „online-publizist“ hat den charme von „ordnungsamt“. man müsste mal ein neues wort erfinden.

  5. Die grünen Haare liefern doch die Themen. Von wegen Misere. Diese Lehrer immer. Ich sehe schon dieses Steinrelief auf dem Dorfplatz – mit grünen Haaren, natürlich.

  6. das ist ja mal eine feine und fundamentale position zum thema, ich werde sicher – höchst amüsiert – darauf zurückkommen. 😉

  7. „Bloggen“ steht als Wort auch in Sätzen rum wie ein verriegelter Aktenschrank. In den Weiten meiner dörflich-ostfriesischen Herkunft ist bislang (gottseidank?) noch kaum jemand auf meine Schreibereien aufmerksam geworden. Da hält man „Internet“ aber teilweise auch noch für ein seltsames Kompliment, und die 75jährige Nachbarin meiner Eltern fragte mich letztens: „Du, Ole, sech eehm, watt is eengtlich Züberschpacke?“
    „Ähh… Züberschpacke?“
    „Jou, datt stunn annerliädsdns bi uns in’t Bladdje drin. Wach’eehmd, ick haal hüm futt.“
    Sie holte die Zeitung, in der es vermeintlich um Züberschpacke ging. Kein Licht dämmerte mir, was das sein sollte. Dann kam sie zurückgeschlurft, legte mir den Artikel hin, um den es ging, und ich las: „Cyberspace ist der Trend der Zukunft“.

  8. Züberspacke klingt ja noch hundertmal besser als Geschichten über Leute die ihre Emils abrufen. Als nächstes würde mich ja interessieren wie Sie ihr diese Züberspacke erklärt haben.

    „Heiliger Strohsack“, Modeste, Sie haben ja ein Vokabular 😉

    Das mit dem grünhaarigen Relief auf dem Dorfplatz hätte ja was, die Haare aus Kupfer, wenn sich mein Todestag jährt und der Grünspan sich über das steinerne Antlitz verschmiert, dann sähe ich aber auch noch gerne die Dorfkapelle in Trachten und Nietengürteln „My Way“ spielen, während ein paar stramm gezüchtigte Margatenterinnen im schicken Dirndl Rosen an die Anwesenden verteilen. Ach sterben könnte so schön sein…

  9. Aber noch leben Sie, Herr Mek. Machen Sie sich bloß nicht so schnell vom Züber-Acker. Nutzen Sie doch bitte Ihren rasant über die Grenzen wachsenden Ruhm ;-), um wirklich mal so eine Art Züber-Brehnschtorming anzuschubsen, wie man dieses Online-Dingsen schöner benennen könnte?! Sie sind doch so’n Poetischer. 😉 „Bloggen“ ist wirklich schauderhaft. Gibt es nicht in irgendeinem Dialekt sogar ein ähnlich klingendes Wort, was „malochen“ bedeutet? Bloggern? Plockern?? Puh…

  10. Ein Blogger ist für meine Mutter immer noch ein Gerät, mit dem man den Boden poliert. Aber bei mails und sms blinzelt sie schon verständnisvoll. Noch ist nichts verloren, Herr mek. Bleiben Sie bitte vorläufig am Leben, es lohnt sich.

  11. ich würde da einen vorschlag machen wollen: webeln. der webler und die weblerin wohnen in ihrer bloghütte, webeln geschichten zusammen und nehmen hier und dort einen faden auf, den sie im web gefunden haben. die weblers halt.

  12. Als unterstützende Marketingmaßnahme im Dolomitendorf schlage ich vor, dass gelegentlich Fans dorthin fahren und alle Dorfbewohner nach Mequito ausfragen. Man könnte auch schön eine halbe Stunde mit offenem Mund vor dem Haus der Mequitoeltern stehen bleiben und dann schließlich doch klingeln und fragen, ob man mal SEIN Zimmer sehen dürfe, wieviel Eintritt das kostet, ob man fotografieren darf, und ob es auch Kinderfotos zu sehen gibt. Und wo der Devotionalienladen sei.

  13. „Bloggen“ könnte für Mütter irgendwie nach Eishockey klingen, nach Brutaltität und Rohheit. Ein weiser Entschluss. Literatur trägt dafür nahezu eine Garantie in sich nach Leidenschaft in der Stimme, leuchtenden Augen und der automatisierten Fortschreibung einer „urban legend“ in einem Dorf in Südtirol. Fast hätte ich Triol geschrieben 😉

  14. Ist denn Literatur nicht was Anrüchiges bei Dir daheim? Ich wär damit vorsichtig. So mancher ist schon wegen weniger (z.B. Tagebuch schreiben) von den Dorfbullys versohlt worden.

  15. könnte bitte ole in kürze ein native-ostfriesen-blog eröffnen, und seine texte als mp3’s reinsetzen ?
    fragt bitte nicht warum.
    danke 🙂

  16. Seit ich gestern diesen Beitrag gelesen habe, spielt in meinem Kopf die Bloodhoundgang rund um die Uhr ihren alten Hit „I´m a legend in my sparetime“. Wäre ein super T-Shirt, Mequito!

  17. „Native eastfrisian special content“ off wo datt heeit, giff’t ja fookendermaal ook in Absurdistan. Door harr’ck jo ja ook all watt verklickert van plattdüütske spreekworden, nobelpreisträgers un anner schlau Lüü bi uns, harr proot van schkiäive Karken, de

  18. Herrje, irgendwas ist da jetzt ziemlich schief gelaufen. Für Nichtostfriesen („Utlanners“) hier nochmal die Übersetzung:

    “Native eastfrisian special content” – oder wie das heißt – gibt’s auch ja häufiger Mal in Absurdistan. Da hab ich Euch was erklärt von plattdeutschen Sprichworten, Nobelpreisträgern und anderen schlauen Leuten bei uns, hab von schiefen Kirchen und so erzählt, von der der großen Welt in meiner kleinen Heimat und noch nem ganzen Haufen anderer Sachen.

    Aber ich könnte das mal wieder intensivieren. Wo ich nur grad am Magistrieren bin, läuft mir nur die ganze Zeit die Zeit weg.Ob ich da noch Zeit finde, auf nem extra Tagebuch nur auf platt zu reden und dann auch noch mit so’nem neumodischen Kram wie Mp3 und so… das weiß ich noch nicht so genau. Das gefiele mir durchaus, aber dafür brauche ich ja auch noch Equipement, glaube ich. Lasst Euch überraschen. 🙂

  19. Spammer 😉
    Zusätzlich zu Lu’s Vorschlag: Bringen Sie Ihrer Oma mal das Podcasten bei. Wir gründen inzwischen eine Fangemeinschaft.
    Herr Paulsen, I’m „mommies little hero“. Mit 30 Jahren Verspätung jedenfalls.
    Bald gibt es meine neue Windeln-Winterkollektion. Danke für die Idee.

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