Gegen Mittag fuhr ich nach Utrecht. Wir hatten einen Termin bei einem Diensteister. Utrecht war 7 Jahre lang eine richtige Heimat für mich. Leider hatte ich einen vollen Terminkalender, aber nächstes Mal möchte ich mir mehr Zeit nehmen, frühere Orte aufzusuchen, frühere Strecken abzulaufen. Seltsamerweise sind alle meine Freunde von damals entweder nach Amsterdam oder in andere Städte oder Länder gezogen. Bis auf Antoon sind sie eigentlich alle weg,
Am Bahnhof Centraal weiss ich mich sofort zu orientieren, den Weg zu dem Dienstleister nehmen wir zu Fuss. Mittlerweile säumen Hochhäuser die Strasse auf der Hinterseite des Bahnhofs, früher war da nur, nun, was stand da früher, ich kann mir das gar nicht mehr richtig vergegenwärtigen, es war eher eine verwahrloste Gegend mit zwei breiten Ausfallsstrassen.
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Später zurück in Amsterdam nehmen wir ein Feierabendbierchen auf dem Balkon der Firma mit Ausblick über die innere Stadt. Eine sommerliche Sonne scheint auf uns nieder.
Heute ist Totengedenktag. Das findet immer am 4. Mai statt. Am Totengedenktag gedenkte man früher an die Toten des zweiten Weltkrieges, mittlerweile gedenkt man den Toten der Kriege im allgemeinen und bereits seit Jahren gedenkt man dabei verschiedenen Minderheiten, vor allem natürlich Juden. Es gab Bemühungen, auch der ermordeten Homosexuellen zu gedenken, aber die Offiziellen der Stadt verschlossen sich dem viele Jahre lang. Aus diesem Grund wurde eine alternative Gedenkfeier an der Westerkerk begründet, ein zeitgleich stattfindendes Totengedenken am Homomonument auf der Freifläche nördlich der Westerkerk.
Da meine Firma eine queere Datingplatform ist, fragte ich, on jemand vor Ort sein wird, ich würde da gerne hingehen, am liebsten natürlich in Begleitung. Es fanden sich zwei Kollegen, die mit mir mitgehen würden.
Es finden Reden und Kranzniederlegungen statt. Auch eine Stiftung, die von meiner Firma finanziert wird, legt Blumen ab. Dann wird zwei Minuten lang geschwiegen, ganz Amsterdam verstummt. Ein sehr beklemmendes, aber eindrückliches Gefühl. Ein paar Vögel fiepen dazwischen, ansonsten: Amsterdam verstummt.
Nach einer Dreiviertelstunde gehen wir in die Kneipe, trinken Amstelbier und bestellen Bitterbollen. Wir wechseln in eine andere Kneipe, mit Tischen am Wasser. Es schwimmen Enten vorbei, und kleine Boote. Wenn ich aufs Klo gehe, balanciere ich an der Kaimauer entlang und habe Angst ins Wasser zu fallen. Ich bin glücklich.