[Fr-So, bis 9.7.2023 – Burlesque, Pegelindikator weg, Moby Dick]

Am Freitagabend trank ich dermassen viel, dass ich das ganze Wochenende lang völlig ausserstande war, einen Text zu verfassen. Es ist jetzt Sonntagabend, langsam kehren die Lebensgeister in alle Gliedmassen zurück.

Am Freitag traf ich mich mit meinem Fussbalfreund B. Wir gingen in den Starken August an der Schönhauser Allee. Ich besuche die Bar schon seit vielen Jahren, weil sie eine der ersten war, in der man gutes Bier kultivierte. Die Bar zum Starken August wird von einer Rockabilly- und Burlesque Szene frequentiert. Manchmal gibt es Burlesque Shows, in der sich Frauen, Dragqueens und auch Männer genüsslich ausziehen. Das war auch heute der Fall. B und ich beschlossen kurzhand eine Karte zu kaufen.
Die Stripshows sind politisch, die Moderatorin hält flammende Reden über Selbstbestimmung, nachher kommt eine als Witwe verkleidete, übergewichtige Frau auf die Bühne und lässt ihre Korsage fallen. Es ist ein guter Mix.

Nach der Show setzten wir uns an die Strasse, danach kamen einige unserer Fussballfreundinnen dazu, die vorher beim Testspiel von Hertha gegen den BFC im Jahnstadion waren. Auch B und ich hatten zuerst überlegt zum Spiel zu gehen, aber weil sich beim BFC Dynamo so viele Nazis tummeln, entschieden wir uns dagegen.

Und dann wurde es eben sehr spät. Und ich hatte meinen Pegelindikator für den Alkohol verloren. Als ich zuhause ankam, wurde es am Horizont wieder hell. Normalerweise fahre ich ja gerne betrunken Fahrrad, aber diesmal konnte ich mich kaum an die Fahrt erinnern.

Am Samstag wachte ich dann mit einem Schädel auf, der den Raum des gesamten Schlafzimmers füllte. Den Rest des Tages döste ich in einem Dämmerzustand. Ab und zu musste ich mich übergeben, dann setzte ich mich wieder auf das Sofa, dann legte ich mich ins Bett, ab und zu trank ich etwas und so rotierte ich den ganzen Tag.

Am Sonntag ging es ähnlich, allerdings döste ich weniger. Dafür schaute ich zwei ganze Filme. Einmal die Hintergrundgeschichte zu Moby Dick. In dem Film wird die wahre Geschichte über Herman Melville erzählt, wie er den letzten Überlebenden des gesunkenen Walfängers „Essex“ interviewt und ihm die Geschichte entlockt, woraus er später „Moby Dick“ stricken wird. Die Odyssee der „Essex“ ist eine historisch belegte Geschichte, in der ein Walfänger von einem riesigen Potwal angegriffen wird. Danach treibt die Besatzung monatelang in kleinen Booten über den Pazifik. Die meisten sterben, als die Übriggebliebenen entdeckt und gerettet werden, findet man verstörte Menschen mit brüchiger, grauer Haut vor, die an den Knochen der verstorbenen Mitfahrer nagen, von denen man sie kaum trennen kann.
Der Film ist okay, ein bisschen zu viel Action vielleicht. Er gilt als der beste Film, der sich mit der Moby Dick Thematik auseinandersetzt. Alle anderen Verfilmungen sollen eher enttäuschen.

Mich interessierte der Film hauptsächlich deswegen, weil ich schon seit vielen Jahren immer wieder mal Moby Dick zu lesen versuche, aber stets nach etwa 100 Seiten den Faden und das Interesse verliere. Vermutlich stellte ich mich immer zu sehr auf ein Seeabenteuer ein und weniger auf einen Text der vielleicht etwas ganz anderes ist als ein Seeabenteuer, zumindest interpretiere ich das so, wenn ich Sekundärliteratur zu Moby Dick lese, die aus dem Buch ein rätselhaftes Kunstwerk macht, das es zu analysieren gilt. Wenn ich das Wort Analyse bei Texten schon lese, dann vergeht mir meist die Lust den Text zu lesen. Ich hörte auch mit Ulysses auf, als ich las, wie James Joyce sich darüber amüsierte, dass er dermassen viele Rätsel in Ulysses versteckt habe, die man selbst in 5000 Jahren noch nicht fertig entschlüsselt hätte. Woah, wenn ich rätseln will, dann lade ich mir eine App im Playstore herunter, dafür lese ich keinen Text.

Trotzdem: Seeabenteuer entfachten immer schon die Faszination in mir. Wäre ich als Bauernkind im Südtirol 1820 grossgeworden, wäre ich vermutlich ausgewandert und hätte als Matrose in London oder Hamburg angeheuert. Vermutlich als Walfänger. Ein Leben ohne Perspektive und ohne Weitsicht in einem engen Tal in den Alpen, das hätte mich fertig gemacht. Ein Leben als Matrose wäre zwar auch ein Scheissleben gewesen, aber immerhin ein Scheissleben, bei dem die Gedanken nicht von Bergkämmen beschränkt sind.
Andererseits wäre ich im Südtirol von 1820 vermutlich Analphabet gewesen, ich wüsste gar nicht wo ich Geschichten über die Südsee hätte aufschnappen sollen.

2 Kommentare

  1. Leute fahren in die Berge um den Himmel näher zu sein und um sich frei zu fühlen.

    Aber das man als Talbewohner die Berge auch als Eingrenzung oder bedrückend wahrnehmen kann, wäre mir so gar nicht in den Sinn gekommen.

  2. Aber auf den Bergen wohnt ja niemand. Die Menschen wohnen in den Tälern oder an Hängen in den Tälern.

    Zum Himmel hinauf gehen nur wenige und nur manchmal, in der Freizeit.

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