Im Büro wurde ich zwei Mal anerkennend auf meine neuen Turnschuhe angesprochen. Einer trug sogar das selbe Modell. Es war mir nicht bewusst, dass ich mir einen bekannten Schuh angeschafft hatte.
Die Blasen an den Fersen und die befürchtete Qual für die nächsten Tage, hielt sich in Grenzen. Auf der linken Ferse behalf ich mir mit einem Pflaster, die rechte Ferse hingegen brauchte gar nichts, die Haut war lediglich leicht irritiert. Mein Fussproblem war also erträglich.
Am frühen Abend fuhr ich nach Utrecht, wo ich meine Exfreundin traf. Auch sie wohnt seit zwanzig Jahren nicht mehr in Utrecht, zwischenzeitlich wohnte sie in Burkina Faso, als sie schwanger wurde zog sie wieder zurück in die Niederlande, aber raus aufs platte Land, in den sogenannten Bibelgürtel, im Südosten, im Land zwischen den beiden grossen Flüssen, wo die streng reformierten Kirchen ihr Unwesen treiben. Aber das stört sie nicht, sie kommt aus der Gegend, sie hat genau so viel Recht dort zu wohnen, wie die anderen, sagt sie.
Es ist schon sechs Jahre her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben. Sie hat sich in all den Jahren kaum verändert, und das dachte ich vor sechs Jahren auch schon. Das erste, das sie zu mir sagte war: du bist dick geworden.
Sie lachte dabei aber, sie meinte das nicht böse, sie weiss, dass mich das nicht kränkt, die meisten Menschen finden aber auch, dass ich die eine oder andere Gemeinheit durchaus verdiene. Sie gehört durchaus zu diesen Menschen.
Sie mag ja dünne Männer, mochte sie immer schon, eigentlich komisch, dass wir überhaupt ein Paar waren. Sie war ausserdem immer dicker als ich und ist jetzt immer noch dicker als ich, aber das bedeutete nicht, dass man nicht dünne Männer mögen kann.
Jetzt fiel mir auch wieder ein, dass sie sechs Jahre älter ist als ich, das war mir nie so bewusst, ich bilde mir ein, dass man den Altersunterschied jetzt besser sieht, aber ich vergesse immer, dass ich selber ja auch gealtert bin. Mir machten ein Selfie und stellten fest, dass man den Altersunterschied nicht sieht.
Wir gingen ins Café Belgie. Dort sassen wir damals oft. Auch sie war schon zwanzig Jahre nicht mehr dort. Das Café Belgie hat sich kein bisschen verändert. Nur die Tische sind neu und die Logos auf den Toiletten. Der Rest ist genau so wie früher. Und die vielen Biere gibt es auch immer noch. Mittlerweile sind es mehr als 195. Es ist eine gute Kneipe.
Danach assen wir Pizza an der Oude Gracht. Wir haben uns viel aus unseren Leben zu erzählen, wir zeigen einander Fotos von dies und das. Meine Fotogalerie ist sehr einseitig, sie besteht aus Fotos von meiner Hündin, von meiner Frau und von Essen. Sie zeigt mir Fotos von ihren beiden Kindern. Ich hatte sie beide vor sechs Jahren kennengelernt, jetzt sind sie schon fast erwachsen.
Gegen elf Uhr fuhr ich wieder zurück nach Amsterdam. Das Intercitysystem ist unglaublich effizient. Diese kleinen Intercitys flitzen in 15-Minutentakt von Stadt zu Stadt, Frequenz und Erreichbarkeit ähnelt mehr einem erweiterten S-Bahnsystem, was in einem kleinen, dichtbevlökerten Land wie die Niederlande natürlich wesentlich einfacher ist als in einem grossen Flächenland wie Deutschland. Von Utrecht Centraal nach Amsterdam Centraal fährt man 35 Minuten. Das ist schneller als von Spandau bis nach Köpenick. Es allerdings auch weniger Kilometer.