Kaffee.Satz.Lesen

Ich bin ja bloss ein einfacher Kuhhirte aus den Bergen. Ich wollte lieber Schafhirte sein, aber die Bauern in meinem Dorf maßen die Länge ihrer Kaminwurzen an der Zahl ihrer Kühe, da gab es keinen Platz für Wolle, pft, armseliges Zeug. Und weil Kühe so furchtbar träge sind und ich daher immer viel Zeit übrig hatte, während ich auf den Wiesen lag, Grashalme zerkaute und von Schafen träumte, nahm das Schicksal seinen Lauf: als meine Lieblingskuh Elisa dieses hässliche Geschwür an ihrem Euter bekam und zum Metzger musste, schrieb ich ein Trauergedicht für sie, entdeckte dabei die Liebe zum Wort und begann zu Schreiben.

Nach vielen Jahren stiess ich auf das Weblog dieses Herrn Paulsen, dessen Geschichten ich mag, und der, wie sich später herausstellte, Mitgründer der Rederei Hamburg ist, der Verein hinter der Literaturveranstaltung Kaffee.Satz.Lesen in Hasselbrook. Ich ging da manchmal hin, setzte mich unauffällig ins Publikum, lauschte den grossen Schreiberlingen auf der Bühne, und dachte mir im Stillen immer: „Boah Mek, wenn Du mal so gut schreiben kannst, das Du DA mal auftrittst, dann hast Du wirklich etwas erreicht, mein Lieber. Dann hat sich Elisas Tod ja fast gelohnt!“
Höhö, lachte ich meistens nach diesem Gedanken und nahm einen Schluck Flens, während die Dichter da oben grosse Worte sprachen die mich nur im Entferntesten an Elisas Trauergedicht erinnern liessen.

Ein Jahr später kochte die liebe Dame bei mir zuhause Zander mit Salzkartoffeln. Herrlich, dachte ich, während ich schnell noch ein paar mal auf mein Mailprogramm klickte, in der Hoffnung, jemand hätte gerade an mich gedacht und mir eine Email geschickt, und ja, kurz bevor die Dame „Der Zander rührt sich nicht mehr“ aus der Küche rief, flatterte eine neue Mail in meinen Postkasten. Die Mail kam von diesem Paulsen. Und in der Betreffzeile stand „Kaffee.Satz.Lesen“.
Der Mauszeiger auf dem Bildschirm zitterte.
Nach fünfmal klicken erwischte ich schliesslich die richtige Mail und erfuhr, dass der Paulsen, nachdem er erstmal haufenweise freundliche Worte über meine Texte niederprasseln lies, mich fragte, ob ich am 28. Mai, bei ihnen in Hasselbrook, eine Geschichte von mir vortragen könnte. Dort oben auf dieser Bühne, da wo die grossen Geschichtentipper immer sassen.
Der Zander lag danach mit offenem Maul vor mir. Und ich tat es ihm nach. Ich musste meine Dame enttäuschen, ich bekam keinen einzigen Bissen hinunter, mein Magen war blass geworden.
Ich kämpfte zwei Wochen lang mit meinem Magen, redete ihm merhmals gut zu, er solle sich doch beruhigen, das sei alles nicht so schlimm, es sei doch wunderbar, dass ich dort lesen dürfe. Nach zwei Wochen und einigen Kilos weniger, hatte er schliesslich ein Einsehen.

Die Zeit schritt voran, inzwischen sind der Herr Paulsen und ich trinkfreudige Gesellen geworden, auch die paar verlorenen Kilos blieben mir vom Leib und so sassen wir beide eines Abends in der Pfälzer Stube in Eimsbüttel bei Hektolitern Bier und Saumagen, in geselliger Runde, mit vielen klugen Menschen, als das Gespräch wieder auf diese stattzufindende Kaffesatzlesung kam. Ich war mit meinem Saumagen fast durch, lediglich den letzten Leckerbissen und etwas Sauerkraut hatte ich mir aufbewahrt, weil ich so voll war, dass ich erst noch eine Zigarette rauchen wollte, damit der letzte Leckerbissen besser schmeckte, als dann der Name einer meiner Mitleser fiel: John von Düffel. Keine Ahnung wer das sei, aber bei meinen Tischgesellen löste dieser Name ein tiefes, kollektives Seuzen aus: von Düffel!
Von Düffel sei sen-sa-tio-nell, von Düffel sei ein Star, noch nie hätte man solch einen grossen Namen bei Kaffee.Satz.Lesen gehabt, von Düffel sei von der Heidenreich im Fernsehen hochgejubelt worden, seine Romane hatten eine Auflage mit vielen Nullen, es gibt einen Eintrag bei Wikipedia über ihn, und selbst eine Doku die im Fernsehen läuft-

Da sass er also, dieser kleine, zitternde, südtiroler Hirtenjunge, der eigentlich viel lieber Schafe gehütet hätte als Kühe, und starrte verdrossen auf seinen letzten Leckerbissen Saumagen, als sein eigener Magen sich wieder zusammenzog und jegliche Essensaufnahme verweigerte. Hätte er doch bloss nie dieses Trauergedicht für Elisa geschrieben. Es wäre ihm einige Aufregung erpart geblieben.

Andererseits, eine willkommene Gelegenheit nochmals ein paar Kilo zu verlieren.
Wenn ihr also sehen wollt, wie schlank ich geworden bin, kommt am Sonntag doch einfach vorbei.

8 Kommentare

  1. Dass Frau Heidenreich jemanden lobt, wirkt ja auf den ein oder anderen eher abschreckend. Aber John von Düffel ist wirklich großartig. Ich bin so gespannt.

  2. Also, falls es Sie beruhigt: Ich bin bei John von Düffels „Vom Wasser“ bis heute nicht über Seite 64 hinausgelangt. Das ist mir bei Ihnen noch nie passiert, dass ich mittendrin hängen geblieben bin. Sprachlich war Düffels Buch wirklich ganz schön, aber überhaupt keine Dialoge – und das von einem Theaterautor.

  3. Nachdem ich vorgelesen habe, kaufe ich mir am Tresen das Buch und fange am Montag damit an.

  4. es ist immer gut, ein ziel für danach zu haben.
    ich bin untröstlich, nicht dabei sein zu können.

  5. Ich finde, ein Hirtenjunge darf ruhig aufgeregt sein, soll sich aber bitte nicht davon abhalten lassen, etwas anderes, als Kühehüten zu machen. Das bringt auch die symphathischen Verleser wieder, die natürlich dabei sein müssen und nicht „weggemacht“ werden dürfen. Ich finde es aber schöner, wenn es nicht nur für den Leser spannend wird, ob er durchkommt, sondern ob er dabei seine Zuhörer zum träumen kriegt. in diesem Sinne werde ich da sein und Dir lauschen, lieber Mek, auch, damit es mir nicht wieder so geht, wie beim Foolsgarden, den ich komplett ausradiert hatte. Ich will auch mal mitreden können;)

  6. für den vortrag drücke ich die daumen und hoffe, dass den autoren mehr luft bleibt als im foolsgarden 😉 die lesung war jedenfalls einwandfrei für einen fast schäfer :o)

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