Stadtsafari

„Ein Schif, ein Schiff“ rief der doofe Mek begeistert, als er auf dem Dach der Ubahn Haltestelle Landungsbrücken stand, und beliess es nicht bloss bei diesem albernen Ausruf, sondern wedelte vor heller Freude noch wild mit den Armen, weil ein Schiff nunmal eine einzigartige Attraktion im Hafen ist, als er sein Mobiltelefon aus der Brusttasche herausfallen sah. Normalerweise ist der Mek ein ganz flotter, fängt fallende Messer mit links, erschlägt Mücken mit dem kleinen Finger, aber dieses kleine Telefon ruinierte seine Hosen, sein Hemd und seine frischgeputzten Schuhe.
Warum die Schuhe? Nun, weil das kleine klingelnde Mistding erst auf dem schmalen Vordach der Aussichtsplattform auffederte und dann in einem eleganten Bogen, aus seinem Blickfeld verschwindend in die Tiefe stürzte. Lange verharrte der Mek, mit dem rechten Ohr zum Abgrund gewendet, auf ein leises Ploinkploink wartend. Im Notfall hätte er auch ein lautes Krachen in Kauf genommen, aber stattdessen geschah gar nichts. Seiner lieben Begleitung entwich ein nachdenkliches „oh-oh“.

Ich gebe zu, das erklärt die Sache mit den Schuhen nicht, aber wir kommen der Sache näher, sobald wir erfahren, dass er daraufhin in die Tiefe spähte und einen undurchdringlichen Urwald unter sich entdeckte. Kein Problem für Supermek, einfach runter auf die Strasse und hoch ins Gebüsch. So dachte er. Nur stand er dann unten auf der Strasse und sah sich vor einer etwa 7 oder 8 Meter hohen glatten Mauer stehen. Supermek hat leider keinen Fliegeumhang, keine Spinnennetzkanülen und erst recht kein Batmobil. Daher sah er sich genötigt einen Weg von oben aus zu suchen.
Supermek hat daraufhin gelernt, dass man in Zeiten von Terror und Horror nicht auf UBahnhöfen versuchen sollte, Türen und Fenster zu öffnen, oder sich über hohe Geländer zu hieven, weil alles Orwellisiert ist und neue Feindbilder entstanden sind. Vor allem sind die uniformierten Wachen alle doppelt so breit und etwa zehn Meter grösser.
Supermek hat dann den besäntigten Wachtmeistern seinen Leidensweg erzählt, vom elegant hinabfliegenden Telefon, von der Mauer in Übergrösse und von den verschlossenen Türen und den damit verbundenen terroristischen Handlungen.

Einer der Wächter hatte Mitleid, gab Supermek ein Taschentuch und stieg von einem Seitengeländer bei den Gleisen hinab ins Gebüsch. Ja und was ist nun mit den Schuhen? Warum sind Meks Schuhe ruiniert wenn der Terrorwächter die Heldenarbeit erledigt? Der Dramatik wegen würde ich jetzt allzu gerne schreiben, dass er sich, während seiner einheizenden Zurufe, mit denen er den wagemutigen Wächter bei der Suche anfeuern wollte, den Fuss gestossen hat und nachher festzustellen, dass sich dabei die Sohle vom Restschuh gelöst hat, stattdessen bekam die Sache mit dem Schuh tatsächlich noch eine abenteuerliche Wendung. Der Wächter kam nämlich gesenkten Kopfes zu ihm zurück und teilte ihm mit, das Telefon nicht gefunden zu haben. Daraufhin erlaubte er Mek selbst über das Geländer in den Urwald hinabzusteigen und sich auf Safari zu begeben.
Seine liebe Dame leistete ihm vom Geländer aus seelischen und akustischen Beistand, während er sich im Dornengestrüpp zwischen leeren Bierflaschen, Dosen, Haarklammern, Viechern und elastischen Ästen die die dumme Angewohnheit haben bei Überstrapazierung zurückzuschlagen (meist ins Gesicht), auf der Suche nach diesem blauen Klingelding, herumzukriechen.
Dornen zerreisen feine Hosen, zerreisen auch Hemden. Und sie ruinieren auch schöne Schuhe. Das weiss Supermek jetzt. Hätte er doch bloss seinen schwarzen Umhang dabei gehabt.

Der Wächter der physischen Beistand leistete (Nein, Herr Wito gehen Sie da nicht rein, da – Autsch, hat das weh getan?) kam mit der glorreichen Idee sein Telefon anzurufen. Was der Wächter natürlich nicht wusste, ist, dass dem Supermek sein Klingelding eigentlich mehr ein Vibration-Telefon ist, weil es ihm immer so peinlich ist, wenn das Telefon in der UBahn klingelt und er seines monophonen Klingeltones wegen, immer von sechzehnjährigen Mädchen ausgelacht wird.

Die Dame oben wurde inzwischen von einem regelrechten schweizer Supermek Fanclub umringt die allesamt seine Nummer wählten und der Aufregung wegen vier Ubahnen passieren liessen, ist ja die Hölle los hier in Hamburg, erst Terrorwarnung, danach zerfetzte Männer im Dornbusch.
Aber es gab kein Happyend. Nach einer halben Stunde hing auch Supermeks Kopf tief und beschämt. Dem schweizer Fanclub verging die Laune jedoch nicht. Lachend stiegen sie in die Bahn ein und versprachen am Abend nochmal anzurufen.
Wenn ich mir vorstelle wie das Telefon dort einsam und verlassen, mitten in der finsteren Nacht zwischen Abfall und Gestrüpp vibriert, werde ich fast ein wenig traurig. Aber so enden gute Geschichten nun mal.

(Alle hundert Jahre einmal hört man in windigen Seenächten die traurigen Gesänge des verschollenen Handies, wie es darauf wartet von einem Prinzen erlöst zu werden)

(ah und bitte, ruft mich nicht mehr an)

10 Kommentare

  1. … und wenn es nicht gestorben ist, dann klingelt es noch heute.

    Sehr traurig. Ich ertränke und überfahre meine Telefon. Aber dieser tragische Unfall übertrifft alles je Gehörte. Das macht doch sonst nur der Messner mit seinem Bruder. Aber ein heldenhafter Einsatz Deinerseits, Kompliment

  2. Hättest du Burnman dabei gehabt, wäre die Sache anders ausgegangen.
    Ich wäre ohne zu fragen in den Busch gesprungen, hätte mich mit dem Sicherheitspersonal angelegt, mir einen Bänderriss beim überflüssig waghalsigen Sprung vom Geländer zugezogen und zwar dein Handy gefunden, aber bei dem Versuch es dir zuzuwerfen ein fahrendes Auto getroffen. Das Handy wäre kaputt gewesen und der Fahrer des Autos so erzürnt, dass wir uns angeschrien und geboxt hätten, wobei ich mir auch noch das Handgelenk gebrochen hätte.

    Ich hab übrigens mein erstes Handy seiner Zeit in der Donau versenkt. Daraufhin eine Bekannte:

    „In der Donau? Cool, es funktioniert immer noch, ich habe grade deine Mailbox dran.“

  3. …und wenn der Akku nicht schon leer ist, dann klingelt es noch heute. Aber Akkus in Märchen sind immer die besseren. Die halten sogar schweizer Telefonterror aus.
    Das Telefon zu überfahren hat aber auch was, muss ich sagen. Ertränken sowieso. Übrigens weiss man da, dass es hin ist und verbringt nicht die Nächte in Ungewissheit.

  4. Burnman ist natürlich ein ganz anderes Kaliber, aber seine Notrufnummer war ja im Telefon gespeichert.
    Das mit der Mailbox ist jedenfalls urleiwond. Wie hast Du die um himmels Willen versenkt gekriegt?

  5. Oh bitte, Herr Wito, grämen Sie sich nicht. Auch ein schwarzer Umhang hätte Ihre Schuhe möglicherweise nicht gerettet. Sie hätten sich am Ende noch aufs Übelste verheddert! So blieben Sie uns wenigstens erhalten, von dieser wunderbaren Geschichte ganz zu schweigen.
    Ihr Handy hat den Sturz doch eh nicht überlebt, bitte fest dran glauben, dann isses nur mehr halb so schlimm.

  6. Weder komme ich gegen die Landungsbrücken noch gegen die Donau an, aber eine kleine Handy-im-Arsch-Geschichte hätte ich auch zu bieten: Einst habe ich, nachdem ich die Nacht durchgesoffen und zum Zwecke der wasserdichten Kündigungsumformulierung noch fix einen Juristen aufgegabelt hatte, diesen morgens um sechs schlafend meinem Nachbarn vor die Tür gesetzt, um mit einer Fahne wie ein Rathaus morgens um 7 ins Chefbüro zu wanken, um meinen ersten Job zu kündigen, um im Anschluß zu merken ‚das wird heut nix mehr mit mir und Arbeit, aber zum Heimfahren bin ich zu müde‘ und mich dann auf dem Firmenparkplatz in mein Auto zu legen, dort schlief ich dann ein Stündchen und nach dem Aufwachen war mir ein bißchen schlecht, ich öffnete die Tür und kotzte auf den Parkplatz, was ich in diesem Moment ein ziemlich passendes Bild für die letzten sechs Monate fand; danach hatte ich ein wenig Hunger, fuhr zur Dönerbude, es regnete mindestens Elefanten, ich rannte durch den Regen, rutschte drinnen filmreif aus und fiel nach gefühlten zwei Stunden Flugzeit direkt auf mein sich in der rückwärtigen Jeanstasche befindliches nagelneues Outdoorhandy (wei Tage alt!), das unheimlich viel aushält, aber keine Arschknochen in der Mitte des Displays und ich konnte nichtmal mehr jemanden anrufen, der mich hätte retten können und der blaue Fleck auf dem Hintern erinnerte mich lange an meine erste Kündigung.
    Und nein, das war kein Garantiefall.

  7. huch, für eine sekunde dachte ich, ich sei im hermetischen café gelandet.
    welch trauriges pech, ich glaube ja auch an ein leben in maschinen.
    von groyne übernahm ich den wundervollen satz „in jeder maschine wohnt ein buddha“.
    deiner hat jetzt die adresse „landungsbrücken“.

  8. Phh. Ich schau doch mein Handy allerhöchstens schräg an, ehe ich es mit dem Hammer zertrümmere. (Ich habe schon mal ein Nokia in einem kurzeitigen Zornesausbruch zu Boden geschmettert. Dem machte das aber nichts. Mein neues, markennamentlich ungenannt bleiben wollendes, schredderte aber schon einmal quer über Kreuzung Dammtor. Wurde aber von Superkid gerettet, ehe ein Schwerlasttransporter mein Gespräch abwürgen konnte. Das Gerät gibt sich seither, wenn auch zerknirscht und zerkratzt, recht devot. Braves Gerät.)

  9. Aber ein Schiff ist auch für ein handy ein guter Grund herauszuhopsen.Vielleicht wollte es einfach nur allein sein, oder gesucht werden? Ob handys eine Seele haben, ist noch lange nicht geklärt.
    Mein handy verlässt mich nicht, nie und nimmer.Das liegt sicher daran, dass ich kein Mann bin. So darf ich mit grüner Handtasche mit Extrafach für das Kleine durch die Gegend sausen.

  10. Da sieht mans wieder. Manche haben eine grüne Handtasche und anderen springen die Handys davon. Das Leben ist total ungerecht.

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