Gegen 7 Uhr öffnete ich die Gardinen. Es war noch dunkel. Die Sonne wird erst kurz vor zehn Uhr aufgehen. Draussen hantierten Bauarbeiter auf einem halb gebauten Gebäude bei -21 Grad mit Stahl und Zement. Ich schaue Menschen sehr gerne beim Arbeiten zu. Das hat etwas Beruhigendes. Aber Bauarbeiter in der Dunkelheit bei -21 Grad sind ziemlich überhaupt nicht beruhigend. Ich kroch sofort zurück ins Bett.
Heute ist der Geburtstag meiner Frau. Ich hatte die beiden sperrigen Geschenke natürlich nicht mit nach Lappland genommen, dafür mimte ich die Geschenke, sie erriet aber keines.
Um 9 Uhr gingen wir frühstücken, wir setzten uns ans Fenster, draussen war es immer noch dunkel, aber es begann zu dämmern. Die Strasse war belebt. Als wir mit dem Essen fertig waren, schien draussen das Tageslicht.
Gegen Mittag gingen wir ins Arktikum. Ein Museum, das meine Frau sich auf die Liste gesetzt hatte. Auch eine Freundin war dort gewesen und empfahl es uns wärmstens. Es war nicht mehr ganz so kalt wie gestern. Als wir losgingen mass es zwar noch -20, aber die Temperaturen würden sich im Laufe des Tages erhöhen. Voraussichtlich auf -13 Grad. Das ist berliner Temperatur. Das kenne ich.
Das Arktikum befindet sich etwas ausserhalb der Stadt, es ist ein ungefähr zwanzigminütiger Fussmarsch durch den Schnee. Meine neulich gekauften Winterschuhe sind erstaunlich trittfest und warm. Ich rutschte kein einziges Mal aus.
Dort verbrachten wir fast drei Stunden. Das ist ein wirklich interessantes Museum, wenn man sich für Lappland, Skandinavien und insbesondere die Arktis interessiert. Auch war ich mir bisher nicht sehr des Krieges zwischen den Finnen und den Russen bewusst. Ein Krieg, der erst am Ende des zweiten Weltkrieges beigelegt wurde, u.a. indem Finnland Gebiete an Russland abgeben musste und die Bevölkerung durch die Russen vertrieben wurde. Es wundert mich, dass Russen und Finnen im Kalten Krieg bis zum Ukrainekrieg eine so entspannte Beziehung führten.
Auch wurde Rovaniemi absichtlich von der Wehrmacht zerstört. Die Deutschen kommen bei den Finnen aber auch gut weg. Vielleicht liegt das einfach an den Finnen.
Die Wehrmacht zerstörte übrigens auch Longyearbyen. Das vergass ich im Oktober zu erwähnen. Es ist schon erstaunlich, wie oft das deutsche Volk auf der falschen Seite der Geschichte stand.
Wir kauften gleich ein Kombiticket für das benachbarte Science Museum und dem kleineren Museum für moderne Kunst. Diese würden wir aber erst morgen besuchen. Morgen wechseln wir in ein anderes Hotel, da müssen wir ohnehin einige Stunden improvisieren.
Danach gingen wir zurück in die Stadt und betraten, tataa, den Supermarkt. Es gibt nichts schöneres, als Supermärkte in anderen Ländern zu besuchen. Aber das habe ich schon oft gesagt. Der Supermarkt befand sich in einer Mall, dort gab es auch ein Geschäft für Outdoorwear. Ich fragte eine Verkäuferin, welche Jacken sie für genau dieses Wetter empfehlen würde. Sie empfahl zuerst die fluffigen Jacken, aber ich erklärte ihr, dass ich genau die nicht wollte, sondern stylishere Jacken, die irgendwie mit Technologie vor Kälte schützen, anstatt sich auf die Natur zu verlassen. Sie meinte, ich müsse dann auf Skibekleidung umsatteln. Ski-Jacken sind tatsächlich dünn und besser geschnitten, aber die sind alle sehr grell mit auffälligen Farben und allerlei Reissverschlüssen versehen. Das stört mein modisches Empfinden.
Für 17 Uhr hatten wir einen Tisch im „Gustav“ reserviert. Wir hatten keinen späteren Tisch bekommen, aber es ist um 17 Uhr bereits dermassen dunkel, dass es sich nach Abend anfühlt. Auch hatten wir einen ereignisreichen Tag und konnten uns eine frühe Rückkehr ins Hotel vorstellen. Im Gustav ass ich einen sehr guten Artischocken-Risotto. Die darauf verstreuten eingelegten Äpfel passten meines Erachtens nicht. Im Menü wurde hingegen davon geschwärmt, dass diese die richtige Balance herstellen würden. Nunja, der Koch muss ja nicht meiner Meinung sein.
Meine Frau hatte den Portobello Mushroom, den sie mochte und als Hauptgang nahmen wir beide den Saibling mit Lobster Sauce. Der unter dem Fisch liegende Salat war mit dieser Lobster-Sauce getränkt, das war richtig gut.
Als wir später im Bett lagen, schlug ein Alarm in meinem Telefon auf. Ich hatte mir eine App installiert, die uns bei Nordlichtern informieren sollte. Im Telefon sah ich, dass über ganz Lappland die Nordlichter leuchteten. Wir schalteten sofort das Licht aus und schauten aus dem Fenster. Der Himmel war aber bewölkt und die Lichter der Stadt verfingen sich darin.
Morgen werden wir in ein anderes Hotel umziehen. Jenes Hotel befindet sich einige Kilometer abseits im Wald. In den nächsten Tagen soll der Himmel auch aufklären. Vielleicht haben wir ja ein bisschen Glück. Dennoch wäre ich nicht enttäuscht, wenn ich keine sähe, aber wenn ich schon einmal hier bin.
Kurz darauf alarmierte mein Telefon schon wieder. Diesmal war es beruflich. Unsere Plattform hatte schon wieder Probleme. Ich musste mich einschalten. Während ich auf Slack mit meinen Teams kommuniziere, prangt neben meinem Namen auch eine Palme. Wenn jemand die Palme neben seinem Namen hat, bedeutet das, dass die Person im Urlaub ist. Palmen. Ich schaue aus dem Fenster und sehe die verschneite Baustelle. Allerdings keine Bauarbeiter.