Heute ist mein 49. Geburtstag. Meine Frau wurde vor zwei Tagen 50, jetzt sind wir wieder nur ein Jahr auseinander. Ich habe immer gerne Geburtstag, aber heute wollte bei mir nicht so recht Stimmung aufkommen. Meine Frau hatte Fotos der Geschenke liebevoll in Umschläge verpackt, damit ich wisse, welche Geschenke in Berlin auf mich warten würden. Aber ich wollte die Umschläge zunächst nicht öffnen.
Wir gingen zuerst frühstücken und danach auf eine längere Winterwanderung. Es gibt hier verschiedene Wintertrails, das sind Wege durch den Wald, die aber auch im Winter gepflegt werden. Das bedeutet, dass man mit einer Schneekatze den Weg vorgefahren ist, damit der Schnee hart ist und man darin nicht versinkt. Es liegt hier sicherlich ein halber Meter Schnee.
Ich hatte eine ganz bestimmte Route ausgewählt. Aus dem Hotelprospekt entnahm ich drei verschiedene empfohlene Routen, die ich zu einer einzelnen kombinierte, weil ich bestimmte Vorstellungen über eine Route habe.
Für die Orientierung nutze ich Osmand. Das ist eine Karten-App, auf der viele Wege – auch nicht offizielle – eingezeichnet sind. Die App hat mir bereits oft in schwierigen Momenten weitergeholfen. Auch schon im Schnee, wo man keine Wege mehr erkannte, ich aber mit GPS der Markierung auf dem Telefon folgen konnte.
Heute war ich allerdings zu eigenwillig beim Verfolgen einer Abkürzung. Meine Frau verdreht die Augen, wenn ich “wiedermal” eine Abkürzung für die bessere Alternative ausgemacht habe. Dazu muss man wissen, dass sie kein Outdoor-Mensch ist. Sie liebt es, in der Natur zu wandern, sie liebt den Wald, aber Outdoor-Performance ist nicht ihr Ding.
Ich muss zugeben, dass meine Abkürzungen nicht immer die besten waren. Aber im voraus bin ich mir immer sicher, eine gute Wahl getroffen zu haben. Weil meine Frau aber keinen besseren Plan hat, folgt sie mir meistens, wenn auch widerwillig und selten ohne Diskussion, aber in der Regel kommt sie mit. So auch heute. Ich stieg gut gelaunt im Tiefschnee voran. Der Schnee war hart genug, dass man nur wenige Zentimeter tief stapfte. Je besser meine Laune wurde, desto tiefer wurde aber das Geläuf. Und plötzlich sackte ich bis zu den Knien ein. Dabei verlor ich das Gleichgewicht und ich stand halbschief im Tiefschnee, während ich spürte, wie kaltes, gefrorenes Wasser in meine Schuhe eintrat. Dort muss sich ein Loch oder eine natürliche Verwerfung befunden haben, worüber sich der Schnee verweht hatte. Ich kannte so etwas aus meiner Kindheit. Meine Laune war immer noch okay.
Ich sagte zu meiner Frau: “Äh, komm hier besser nicht lang.”
An ihren Gesichtszügen konnte ich eine gewisse Genugtuung ablesen. Sie nahm einen anderen Pfad, dort, wo es stabiler aussah. Im nächsten Moment brach auch sie ein. Sie brach aber wesentlich tiefer ein, mindestens bis zur Hüfte ein und sie fiel dabei seitlich in den Schnee. Sie schimpfte sehr laut. Gemessen an den Dingen, die sie über mich sagte, glaube ich, dass sie keine besonders positiven Gefühle für mich hegte. Ich befand mich leider selber in einer misslichen Lage, aber ich versuchte dennoch, ihr zu helfen. Offenbar machte ich es durch meine Hilfe nur noch schlimmer. Ihre Gefühle wurden nicht positiver.
Nach einer halben Stunde waren wir wieder Freunde. Ich hatte in jener halben Stunde nur noch offizielle Wege ausgewählt, nahm lieber einen Umweg in Kauf und ich vermied es natürlich, Abkürzungen zu nehmen. Irgendwann kamen wir auch wieder im Hotel an, wo wir die nassen Socken und Hosen auszogen.
Mein Wanderplan war aber noch nicht fertig. Es gab noch eine zweite, kürzere Wanderung auf der Ostseite des Hügelkammes. Dort gab es einen Aussichtspunkt, den ich noch sehen wollte. Ich hatte Geburtstag, es gab noch eine Stunde Tageslicht und der Aussichtspunkt war ein Skilift. Mein Plan ging so: Wir spazieren 15 Minuten zu diesem Aussichtspunkt, nehmen dort den Skilift runter bis in das Tal. Im Tal gibt es ein kleines Dorf und einen anderen Skilift. Das ist jener Skilift, der unweit von unserem Hotel endet. Wir könnten also unten durch das Dorf spazieren und den anderen Lift zurück nehmen.
Wie gesagt: ich hatte Geburtstag. Meine Frau liess sich überraschenderweise darauf ein. Es verlief fast reibungslos. Ich wagte einen kleinen Abstecher zu einem Aussichtspunkt, der mir auf dem Telefon angezeigt wurde. Natürlich achtete ich diesmal darauf, dass der Weg gut ausgetreten war. Als wir jedoch den offiziellen Aussichtspunkt mit dem Skilift erreichten, entpuppte sich der Skilift als ein Schlepplift. Mit einem Schlepplift kann man nicht abwärts fahren wie auf einen Sessellift. Wir hätten uns einen Schlitten besorgen müssen um runter ins Dorf zu kommen, oder die Strecke laufen, aber dafür war es nicht mehr lange genug hell. Deswegen gingen wir zurück in das Hotel.
Ende der Geschichte, keine Pointe.
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Im Hotel kauften wir ein Rentierfell. Genau. Ein grosses, simples Rentierfell. Für auf den Boden oder auf dem Sofa. Das wollten wir bereits im Oktober auf Spitzbergen kaufen. Damals hatten wir aber noch Skrupel. Mittlerweile sind die Skrupel gewichen und zu einem guten, positiven Gefühl herangereift.
Auch saunierten wir wieder. Das war nett. Aber ich weiss nie so genau, ob ich Saunas mag. Die Idee einer Sauna finde ich immer super, wenn die Kabine dann heiss ist, sehe ich jedoch keinen Sinn darin, hineinzugehen und mich der Hitze auszuliefern. Wenn ich es aber drin sitze und fast vor Hitze eingehe, finde ich es dennoch, öhm, nett. Speziell. Aber irgendwann reicht es mir auch wieder.
Das meine ich damit, wenn ich sage, dass ich nie so genau weiss, ob ich Saunas mag.
Dann öffnete ich auch den Umschlag mit meinen Geschenken.
Nach der Sauna gingen wir in die Hotelbar, nahmen einen Drink und für halb sieben hatten wir einen Tisch im Restaurant des Hotels.
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Am Abend benachrichtigten mich die sechs Polarlicht-Apps darüber, dass heute ein starkes Polarlichtfeld über Lappland läge. Man kann in der Gegend um Rovaniemi ungefähr jeden zweiten Tag Polarlichter sehen. Heute sollten sie ganz besonder stark leuchten. Aber der Himmel wurde mit einer 100%-Bewölkung angezeigt. Die Wolkendecke würde noch zwei Tage lang bleiben. Meine Frau war schon zu müde, um bei Minusgraden eine Wolkendecke anzustarren. Ich stieg aber noch auf die sogenannte Aurora-Terrasse hinauf und trotzte dem arktischen Wind. Etwa eine halbe Stunde lang. Ich war der einzige Mensch auf dieser Terrasse.
Wenn man eine halbe Stunde lang in eine dicke Wolkendecke hineinstarrt, glaubt man irgendwann alle möglichen Lichter zu sehen. Polarlichter waren es aber nicht.