über die Freundlichkeit im Umgang

Ich bin ein höflicher, netter Mann. Ich bemühe mich um Freundlichkeit, bedanke mich wenn mir jemand nach dem Niesen Gesundheit wünscht, ich spucke nicht auf den Boden wenn mich jemand sehen könnte, ich lalle nicht wenn ich betrunken bin, sondern versuche deutlich und klar zu reden, auch wenn ich nicht mehr stehen kann, und ich gucke fremden Frauen immer sehr diskret auf den Hintern bin immer behilflich wenn jemand in der Öffentlichkeit in schwierigkeiten gerät. Ausserdem höre ich zuhause selten übertrieben laute Musik.

Aber heute kam ich aus der Dusche, in den Boxen sang Tom Waits von seiner Neighbourhood, die Jugend kam in mir hoch und da dachte ich mir, mich mal ein wenig zu verausgaben. Also packte ich die Ziehharmonika, stellte Tom Waits laut und auf Repeat – und gröhlte mit.

Zehn Minuten später klingelte es an der Haustür. Ich hielt nur die Ziehharmonika in der Hand und meine Hüfte war mit einem knappen Handtuch umwickelt. Geschwindt rannte ich “momentmoment!” schreiend durch die Wohnung auf der Suche nach provisorischer Kleidung. Und so öffnete ich eine Minute später, provisorisch bekleidet, die Türe. Es war eine Nachbarin vom Nebenhaus, eine etwa sechzigjährige abgerockte Version von Doro Pesch, nur viel gelbere Haare, in schwarzer Lederhose, wahrscheinlich Ex-RollingStones-Groupie. Ich war wie üblich höflich, und fragte nach ihrem Wunsch. Auch sie war zugegebenermassen freundlich. Ohne lange um den heissen Brei herumzureden, erläuterte sie, dass meine laute Musik sie störe, sie sei sonst ja nie zuhause um diese Uhrzeit, aber heute schon, und bei ihr zitterten schon die Gläser auf dem Wohnzimmertisch.
Ich versicherte ihr, wie üblich in nettem und freundlichem Ton, dass ich die Musik gleich leise stellen würde, das sei ja gar nicht meine Art, und das sei ja gar nicht nötig, Musik sei ja immer besser wenn man hinhöre anstatt sich von der Musik erschlagen zu lassen.
Auch hege ich beste nachbarschaftliche Beziehungen, darum sagte ich, sie solle kurz warten, ich gäbe ihr meine Telefonnummer, sollte es mal wieder etwas geben, müsse sie nicht gleich ihr Haus verlassen, sondern könne mich einfach anrufen.

Ja, so bin ich wirklich. Auch wenn an meinem Charakter die negativen Eigenschaften vorherrschend sind, bemühe ich mich immer nett zu sein. Was mich jetzt aber richtig ärgert, und zwar so richtig richtig, ist, dass die mich jetzt in ihrem Adressbuch warscheinlich als den “Nachbar mit dem knallgrünen Blümchen-Tshirt und umgewickelten Handtuch (laute Musik undso)” führt.

20 Kommentare

  1. Neinnein, sie führt Dich natürlich unter “der reizende Nachbar in notdürftiger Kleidung, mit dem ich mich so richtig zanken wollte, weil ich scheiße drauf war, der dann aber so nett und sexy war, dass ich ihm am liebsten gleich das Handtuch vom Leib gerissen ein Schälchen Apfelkompott gekocht hätte, und der dann leider nicht nach meiner Telefonnummer gefragt hat und deswegen werde ich mich nie trauen, ihn anzurufen.”

  2. Himmelherrgottsakrament, Sie trauen mir ja was zu, Herr Undundund.

    Apfelkompott – warum sagt sie das nicht gleich.
    (das Durchstreichen habe ich für Sie erledigt, Isabo)

  3. Das ist doch nur gerecht. Du führst sie schließlich in deinem Weblog als “sechzigjährige abgerockte Version von Doro Pesch”.

  4. Ich sehe ein, ich bin böse. Vielleicht bin ich doch ein Kandidat für Burnsters Evilpics. In Blümchen-Tshirt und Handtuch. (das habe ich jetzt nicht gesagt)

  5. Über die Telefonnummer ärgert sie sich sicher schwarz. Wo sie doch gerade beschlossen hatte, jetzt öfter mal an der Tür zu klingeln.

  6. es war doro pesch, rufe ich aus düsseldorf und doro-kennerin rüber.
    (harhar)

    und3- darf ich schnafte für mich entdecken und privat nutzen? 🙂

  7. Liar, liar with your pants on fire
    Tom Waits KANN man nur laut hören/singen.
    Erst heute wieder ein Schlag ins Gesicht, als der Tanzlehrer meinen Vorschlag für Musik (til the money runs out) mit den Worten I do not like his voice niederschmetterte. Keiner versteht mich…

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