[Di, 2.4.2024 – Achensee, Mussolini, FJS, AfD-Land]

Am Montag fuhren wir zurück. Da ich diese lange Fahrt von Meran nach Berlin so hasse, entschieden wir uns dafür, auch die Rückfahrt in zwei Etappen aufzuteilen. Verglichen dazu finde ich die Fahrt nach Schweden wesentlich angenehmer, obwohl sie genau gleich lange dauert. Aber durch die beiden Fähren erhält man zur richtigen Zeit die benötigten Pausen. Auf der Rostockfähre dauert die Pause mit Wartezeit sogar 2,5 Stunden. Zwischen Meran und Berlin ist es hingegen einfach eine lange Asphaltpiste. Und jede Pause bedeutet Zeitverlust.

Wegen der Aufteilung der Reise verbringe ich den Montagvormittag noch mit meinem Vater und der Familie meiner grossen Schwester. Wir trinken Kaffee und reden über Berlin, über Italien und über Skandinavien. Danach begleitet mich mein Vater auf einen Spaziergang mit der Hündin. Er regnet. Es regnet schon das ganze Wochenende lang. Alle reden vom schlechten Wetter. Dass man bei dem Wetter nichts unternehmen könne. Ich finde das albern und weise darauf hin, dass es in Meran ab nächsten Monat bis September durchgehend über dreissig Grad messen wird. Das sei in Wahrheit schlechtes Wetter.

Auf der Fahrt zurück nach Berlin reihen wir uns in die Blechmassen ein, die den Rückweg über die Alpen eingeschlagen haben. Die Autobahn ist von Bozen bis nach München verstopft. Irgendwo nach Innsbruck empfiehlt Googlemaps uns eine Abkürzung über die Landstrasse. Der Weg soll uns einen Zeitvorteil von 30 Minuten verschaffen. Es ist die Ausfahrt Zillertal und Achensee. Dann fällt mir das Wort Achensee ein. Das kam auch in den Erzählungen meiner Schwester vor, die gestern von ihren Erkenntnissen aus der Ahnenforschung berichtete. Offenbar ist mein Urgrossvater nach dem Tod meiner Urgrossmutter nach Achensee gezogen.

Das ist eine wirklich sehr schöne Gegend. Ein lang gezogener See zwischen hohen Bergen. Es erinnert lustigerweise an Norwegen. Die Landschaft ist wesentlich dramatischer als das nicht weit entfernte Tegernsee auf der bayrischen Seite des Tales.

Mein Urgrossvater war offenbar nach Achensee gezogen, weil er unter Mussolini die Optionskarte zog. Hitler und Mussolini hatten bekanntermassen ein Abkommen vereinbart, dass Südtirol bei Italien verbleibt, damit sollten alle deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler ins Deutsche Reich auswandern. Diejenigen, die bleiben wollten, mussten ihre Namen italianisieren lassen sowie wurde es untersagt, die deutsche Sprache zu verwenden. Mein Urgrossvater zog laut Überlieferung die Option, um seinen Kindern die Ländereien zu überlassen.

Unter Mussolini hätte ich Marco Piva geheissen. Viele Menschen liessen sich nach dem Krieg wieder zurückbenennen. Einige aber auch nicht. Piva klingt sehr unseriös, ich hätte mich Rückbenannt.

Wir fahren bis nach Enkering. Das ist ein kleiner Ort in der Nähe des Altmühltals. Wir quartieren uns in einem kleinen, familienbetriebenen Hotel ein. Es hängen verschiedene Bilder von Franz Josef Strauss. Ich weiss nicht, ob das ironisch ist, bzw ob es harmlos ist oder ob es eine Verherrlichung ist. Wenn man böse sein will, kann man FJS ja durchaus mit Trump vergleichen. Es würde mich nicht wundern, wenn es in bayrischen Dörfern idealisierte Gefühle für so einen Mann wie Strauss gibt. Im Frühstücksraum hängt auch ein Bild von einem Baum und einem Wildschwein. Darunter steht: „Was kümmert es die deutsche Eiche, welches Schwein sich an ihr reibt.“
Weil direkt daneben auch FJS hängt, liest sich der Spruch zuerst sehr nationalistisch. Aber man kann es auch so lesen, dass dieses Land auch gut mit fremden Menschen umgehen kann. (Kunstpause). Nah. Weiss nicht.

Am Dienstag fahren wir auf der verstopften Autobahn weiter. Irgendwo bei Halle steht der Verkehr still. Und die erwartete Ankunftszeit verschiebt sich um mehr als eine Stunde nach hinten. Google schlägt uns eine Landstrasse vor, auf der wir 30 Minuten gewinnen würden. Wir nehmen das Angebot an. Aber nach zehn Minuten verschiebt sich auch auf der Landstrasse wieder die Ankunftszeit nach hinten. Google hat wohl nicht nur uns über die Schleichroute informiert. Dafür fahren wir durch malerisch verlassene Dörfer in Sachsen Anhalt. So sieht es also aus, dieses AfD-Land.