Am späten Nachmittag fuhren wir zu Hugleikur Dagsson ins Oblomov in Neukölln. In der Einladung wurde mehrmals erwähnt, dass die Veranstaltung um Punkt 18:30 Uhr beginnen wird. Das kommt mir sehr entgegen. Nichts ist schlimmer als dieses ewige Gewarte bei Bands oder Stars. Zuerst kommt meist ohnehin die Vorband oder ein Vor-Act und dann wird wieder gewartet, und dann kommt der Soundcheck und dann wird wieder gewartet. Auch 18:30 finde ich eine super Zeit. Dann kann man nachher noch etwas trinken. Denn wenn man vorher trinkt, wird man ohnehin nur müde und unaufmerksam.
Erstaunlich fand ich die Grösse des Raumes bzw, wie klein diese Grösse war. Die Show fand in einem kleinen Nebenraum der Kneipe statt, es standen etwa 30 Stühle, es gab keine Bühne, sondern nur einen Freiraum vor der ersten Reihe, mit einem Mikro und im Eck hing ein kleines Mischpult. Unter solchen Umständen trat ich vor zehn Jahren auf, als ich noch öfter auf Lesebühnen meine Texte vortrug. Zwar mag ich solche Kulissen gerne, aber für einen Mann, der in Island ein Star ist und 100.000 Follower auf Insta hat, fand ich es doch ein bisschen unglamourös. Gut, seine Stärke sind die Zeichnungen, Comedy ist eher seine Nebenkompetenz und in Deutschland ist er nicht sehr bekannt. Andererseits erwähnte er gestern, dass er zu 40% in Berlin wohnt, ich hätte angenommen, dass der Wohnort auf die lokale Popularität abfärbt. Andererseits wohnte ich in Mitte fünf Jahre lang neben einem kroatischen Popstar von dem niemand in Berlin wusste, dass sie ein Popstar ist. Wir hatten uns mit dem jungen Paar in der Nachbarwohnung angefreundet und gingen manchmal gemeinsam aus. Irgendwann erzählte uns die Frau, dass sie in Koratien sehr berühmt sei, sie deswegen auch lieber in Berlin wohne, wo niemand sie kenne und sie ein normales Leben führen könne. Als ich sie googelte gab es hunderte Videos von ihr, wie sie sich mit einer Windmaschine vor einem Sonnenunteruntergang räkelte und Liebesbeweise ins Mikro hauchte. Zu jenem Zeitpunkt hatte sie aber bereits mit ihrer Popkarriere gebrochen. Sie macht jetzt Jazz und findet ihr früheres Werk peinlich. Das konnte ich gut verstehen. Von ihrem Jazz-Werk kann sie allerdings nicht leben. Weil ihre Zeit als Popkünstlerin aber noch so viel Geld reinbringt, muss sie sich nicht um das Einkommen sorgen.
Was das genau mit Hugleikur Dagsson zu tun hat, weiss ich aber auch nicht. Er ist schliesslich auch ausserhalb Islands bekannt. Island hat 400.000 Einwohner, zu den 100.000 Followern gehören sicherlich nicht ein Viertel der Einwohner.
Nach der Show tranken meine Frau und ich ein Bier am Tresen. Auch Hugleikur sass im Barraum mit ein paar Freunden. Als wir gingen, sagte ich im Vorbeigehen Thankyou zu ihm und erzählte, dass wir seit 11 Jahren Fans seiner Comics sind. Elf Jahre. Ich hatte die Jahre erst vor kurzem nachgezählt. Er gab sich sichtlich erfreut.