Heute fuhren wir dann einmal von der schwedischen Westküste hinauf zur Ostküste bis nach Gävle, etwa 100km nördlich von Stockholm. Eine sechseinhalbstündige Autofahrt. Es ist wesentlich weniger ermüdend, wenn man sich beim Fahren abwechseln kann.
Nach zwei Tagen intensivem Kontakt merke ich vor allem, dass wir ganz unterschiedlich empfinden. Wir fühlen komplett anders und richten auch unser Handeln entsprechend aus. Ich kann es noch nicht ganz verschriftlichen, es war heute nur meine vorherrschende Empfindung. Es muss nicht schlecht sein, wir haben beide Tage im Auto fast durchgehend gequatscht, aber wir fühlen eben völlig anders.
Wenn man in Schweden unterwegs ist, sieht man regelmässig braune Schilder mit einem sogenannten Schleifenquadrat. Dieses Schild deutet auf eine Sehenswürdigkeit hin. Während ich das meinem Vater erklärte, sah ich eines dieser Schleifenquadrate am Horizont auftauchen und in dem Moment fiel mir auf, dass ich eine Pause nehmen könnte und so riss ich das Steuer um und folgte dem Strassenschild.
Es handelte sich in diesem Fall um das alte Silberbergwerk bei Sala. Ich hatte noch nie davon gehört. Es ist eine ziemlich grosse Siedlung mit Arbeits- und Verwaltungshäusern samt Stollentürmen. Die Mine war zwischen dem 15. Jahrhundert und 1908 in Betrieb. Eine ziemlich ästhetische Aneinanderreihung von Holzhäusern und Holztürmen. Die ganze Siedlung wurde in ein Freilichtmuseum umgewandelt, man kann auch Führungen durch die Stollen buchen. Es war ein unerwartet schöner Ort für eine Pause. Zuerst liefen wir etwas planlos über das Gelände und schossen Fotos. Danach setzten uns in den Garten des Museumscafés in die Sonne.
Über grossen Teilen des Binnenlands lag eine schwere dunkle Wolke. An den Enden sah man immer die Sonne, aber die Wolke begleitete uns lange. Der Regen stürzte manchmal herab und man musste die Geschwindigkeit drosseln. Manchmal schien dabei die Sonne.
Am späten Nachmittag kamen wir in Gävle an. Mein Hotelzimmer ist für Hundehalterinnen bestimmt. Es stinkt und der Teppichboden ist schmutzig. Das Zimmer ist sehr klein, es hat den Charme einer Abstellkammer. Mein Vater hat hingegen ein schönes, grosses und sauberes Zimmer bekommen. Die Rezeption ist nicht mehr besetzt, ich muss da einfach durch.
Dann gingen wir in die Stadt, wir besuchten die Altstadt, das sind ein dutzend mit kleinen, bunten Holzhäusern bebauten Gassen. Die Hündin freute sich über die vielen neuen Hundegerüche an den Strassenecken. Danach suchten wir uns etwas zu essen und fanden ein Restaurant, in dem wir varmrökt Lax bestellten. Das ist warmgeräucherter Lachs.
Zu Beginn der Reise hatten wir uns vorgenommen, keinen Alkohol zu trinken. Mein Vater nahm sich auch vor, kein Fleisch zu essen. Da ich selber wenig Fleisch esse, wollte ich mir die Fleischvorgabe eher nicht geben, sondern situativ entscheiden. Dass mein Vater allerdings keinen Alkohol mehr trinkt motivierte mich auf eine ungewohnte Weise, es ihm gleich zu tun. So sassen wir da am Tisch und ich wusste nicht so recht, was für ein Getränk ich bestellen sollte und entschliess mich schliesslich für, naja, Wasser.
Weil es erst sieben Uhr abends war, fuhren wir noch einmal die Stadt hinaus zu einem kleinen Strand an der Ostsee. Um die Ankunft an der Küste mit einem Finger im Wasser zu besiegeln. Mein Vater wusste nicht, dass die Ostsee kein Salzgewässer ist. So führten wir beide den Zungentest durch. Ich kann mich erinnern, dass die Ostsee bei Usedom ziemlich salzarm schmeckt, sich aber trotzdem noch wie Meerwasser anfühlte. Ich hatte gelesen, dass die Ostsee immer salzloser wird, je weiter sie sich von Dänemark und der Nordsee entfernt. Hier schmeckte sie wirklich nur noch wie ein leicht gesalzenes Süsswasser. Am Strand den wir besuchten wuchs teilweise auch das Schilf, als wäre es ein brandenburgischer See.
Es wird hier nicht mehr richtig dunkel. Kurz vor Mitternacht gehen zwar die Strassenlanternen an, aber es würde sie nicht brauchen. Leider kann ich kein Foto von den Lichtverhältnissen schiessen. Vor dem Fenster scheinen die Strassenlaternen und ich bin zu müde, um noch auf die Dachterrasse zu steigen. Ich möchte in den nächsten Tagen aber das Licht realitätsgetreu dokumentieren, sofern mir das gelingt.