[Mo, 24.6.2024 – Nordkapreise Tag 8. Gällivare, Süden, Östersund]

Ich muss meine negative Meinung zu Gällivare revidieren. Auf Wunsch der Rezeptionistin unserer kleinen Pension, in der wir diese Nacht schliefen. Sie war eine gut gelaunte, schwer tätowierte, kleine, etwas dicke Frau. Wir kamen schnell ins Gespräch und unterhielten uns über dies und das auf Englisch. Da ihr Akzent aber nicht skandinavisch klang, fragte ich sie, ob sie von hier sei, was sie verneinte, sie käme aus Italien und weil ich aus Südtirol kam, wechselten wir zu italienisch.

Ihre Geschichte: sie ist nahe Bari in Puglia geboren, ihr Vater ist Italiener und die Mutter Argentinierin. Als sie sechs Jahre alt war, zog die Familie nach Argentinien. Dort lebte sie 12 Jahre. Danach zog die Familie zurück nach Puglia. In Bari und Umgebung schlug sie sich jahrelang mit Hoteljobs herum, bei denen sie 12 Stunden pro Tag arbeiten musste und sich nie Geld beiseitelegen konnte. Vor zwei Jahren lernte sie über Instagram einen Mann aus Nordschweden kennen, ein Jahr später zog sie zu ihm und macht jetzt den gleichen Job nur ohne Überstunden und dafür mehr Geld. Sie kann jetzt sogar sparen.

Ich wollte wissen, wie sie mit dem Wetter klarkäme. Das sei nicht schlimm, sagte sie. Sie möge das. Und im Sommer ginge sie drei Wochen nach Puglia, um richtig Sonne zu tanken. Ich sagte, dass ich Gällivare seltsam fände. Eine zombiehafte Stimmung hinge hier in der Stadt. Das löste viel Emotionalität in ihr aus. Das stimme ja gar nicht. Heute sei ja nur Sonntag. Der Ort ist sehr lebendig, es gäbe eine bekannte Musikszene und zwei richtig gute Kneipen. Sie sagte, ich müsse meine negative Meinung revidieren.

Ich beschloss, es zu tun.

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Mein Schwiegervater erzählt manchmal diese Anekdote, wie er als junger Mann einmal ein Projekt in Lappland zugewiesen bekommen hatte. Dort traf er einen Bauern, mit dem er sich über die Kälte unterhielt. Der Bauer sagte, er fände den Süden jetzt nicht unbedingt wärmer als hier den Norden. Er sei schon mal im Süden gewesen, in Lulea, da war es aber genau so kalt.

Ich kann das mit dem Süden nachvollziehen. Aus der Sicht von Alta ist Gällivare eine ganz andere Welt.

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Von Gällivare aus fuhren wir weiter in Richtung Süden, wieder an Jokkmokk vorbei, auch am Polarkreisdenkmal und somit fuhren wir zurück in die Nacht. Nach drei Tagen Tageslicht war das ein lustiges Gefühl. Natürlich fuhren wir zuerst den ganzen Tag lang durch Tag, erst am Abend in Östersund würde die Sonne um 23:16 untergehen. Aber dennoch. In die Nacht zu fahren fanden wir lustig.

Auf der Rückreise hatte ich wesentlich längere Strecken geplant. Während ich für die Hinfahrt nie die sechs Fahrstunden überschritt, hatte ich bereits eine Vorahnung, dass man auf der Rückreise vielleicht etwas reisemüde ist. Jeden Tag Hunderte Kilometer fahren, jeden Tag eine andere Unterkunft aufsuchen, das ermüdet. Deswegen sollten wir heute eigentlich 7 Stunden bis nach Strömsund fahren. Da wir aber gut unterwegs waren, schlug ich meinem Vater vor, einfach eine Stunde weiter zu fahren. Das Hotel konnten wir kostenlos stornieren und wir würden uns wieder eine Blockhütte auf einem Campingplatz mieten. Das sei mit Hund ja wesentlich entspannter. Er fand das gut und so fuhren wir eine Stunde weiter bis nach Östersund. Dort mieteten wir uns in eine nicht ganz so nette Blockhütte ein, aber es war für die Essenssituation wesentlich einfacher und die Hündin konnte die ganze Zeit dabei sein.

Ich glaube, sie hat den Reiseblues. Gestern Abend im Hotel war sie sehr liebesbedürftig, suchte ständig Körperkontakt zu mir und wich kaum von meiner Seite. Hunde sind Gewohnheitstiere, sie lieben Routine. Hier weiss sie seit Tagen nie, was passiert.

Mein Vater ist aber weiterhin gut gelaunt. Und das macht mir viel Freude. Er möchte sogar eine Autoreise mit mir durch Afrika unternehmen. Ich liess das einfach mal stehen.

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Gestern und heute sahen wir viele Rentiere. Sie liefen einfach auf der Strasse. Es ist langweilig, sie zu filmen oder fotografieren. In echt sind das aber wirklich sehr schöne Tiere. Und sie haben ein pelziges Geweih.