Sobald wir in Berlin ankamen, waren wir beide kaputt. Da wir um 5 Uhr morgens starteten, kamen wir bereits um halb sieben Uhr abends an. Meine Frau hatte uns Pasta e Ceci gemacht. Nach dem ersten Teller setzte das postprandiale Koma ein und wir fielen ins Bett.
Berlin empfing uns mit 32 Grad. Wie sehr ich das hasste. Bereits in Schweden stieg die Temperatur stark an. In Östersund zeigte die Wetter-App 27 Grad an. Meine Schwester, die sich gerade in Sardinien am Strand befindet, berichtete, sie hätten dort nur 26 Grad.
Mein Vater wollte einen Tag Pause einlegen und in Berlin bleiben. Deswegen dachten wir, am Folgetag ein bisschen durch die Stadt zu spazieren, Museumsinsel besuchen, Reichstag etc., aber schon am Vormittag entschuldigte er sich und zog es vor, noch einmal zurück ins Bett zu gehen. Auch am Nachmittag zwei Mal. Ich nahm das dankend an, ich war zu kaputt für touristisches Programm, aber ich hätte es ihm zuliebe natürlich durchgezogen. Zwar konnte ich nicht schlafen, aber zumindest konnte ich auf dem Sofa rumdösen. Zehn Tage Autofahrt. Ich wusste nicht, wie anstrengend das ist. Auch wenn die Reise gut war und sehr speziell, will ich nie wieder so viel Zeit in einem Auto verbringen. Sollte ich in Zukunft einmal eine ähnliche Strecke zurücklegen, dann nur mit drei Wochen Urlaub und langen Aufenthalten an mehreren Orten.
Ich hätte gerne ein paar Tage mehr in Alta und Umgebung verbracht, sowie in Umeå und Luleå. Auch Östersund. Aber Östersund ist immerhin erreichbarer. Und natürlich fehlt mir jetzt Hammerfest, aber damals war ich einfach schon mental mit der Reise durch.
Über den letzten Reisetag gibt es nicht viel zu berichten. Es war vor allem ein dreizehnstündiger Marathon. Auf diesem letzten Abschnitt erzählte er mir viel über die Vergangenheit. Ich wollte ganz spezifische Dinge wissen, vor allem über meine Zeit als Kind und über seinen beruflichen Werdegang. Da kamen erstaunliche Dinge zum Vorschein, wovon ich einige sicherlich in den nächsten Wochen aufschreiben werde.
Unserer Beziehung hat die Reise möglicherweise gutgetan, auch wenn sich im Alltag oder im direkten Umgang miteinander vermutlich nichts ändern wird. Aber wir haben jetzt dieses gemeinsame Erlebnis, an das wir noch lange denken werden. Ich glaube, wir haben in diesen zehn Tagen mehr Zeit miteinander verbracht als in den 49 Jahren davor.
Mein Vater wirkt oft wie eine groteske Version von mir. Alle meine schlechten Eigenschaften kommen in ihm vor, aber in einer verstärkten Form. Auch einige meiner guten Eigenschaften, diesen machen ihn wiederum sehr sympathisch.
Meine Frau wirft mir manchmal mangelndes Problembewusstsein vor. Das, was sie damit meint, nenne ich hingegen Optimismus. In den letzten zehn Tagen mit meinem Vater dachte ich oft: Dieser Mann hat ein krasses mangelndes Problembewusstsein. Wenn ich ihn in den Situationen darauf ansprach, sagt er, ich solle nicht immer so pessimistisch sein, er sei Optimist.
Was ich an der Reise mochte, ist, wie er mit der Hündin umging. Wir kommen aus einer tierfremden Familie. Wir hatten keine Haustiere, erst recht keine Hunde. Aber er liebte meine Hündin, tat ständig etwas mit ihr. Er wurde allerdings nicht müde zu sagen, dass er nie einen Hund haben möchte.
Was noch mehr: Skandinavien ist EM-freie Zone. Das war mir vorher gar nicht bewusst. Die einzige Berührung mit der EM war in Jokkmokk. Als wir die Unterkunft betraten, sass ein älteres Ehepaar im Aufenthaltsraum. Ich blieb kurz stehen, um Paarung und Spielstand zu checken. Es spielten Dänemark gegen England und es stand 1:1. Ich wechselte ein paar Sätze mit dem Paar. Die beiden waren Schweden und hielten zu Dänemark.
Mein Vater ist mittlerweile wieder zurück in Südtirol. Er fotografierte den Kilometerstand, das Display zeigte 7691 Kilometer. Wenn man die Strecke nach Berlin rausrechnet, dann bleiben für mich 6000 Kilometer übrig.
Wir telefonierten kurz. Es war 19Uhr. Mein Vater wollte wissen, ob die Hündin schon gegessen hatte. Im Ernst. Er wollte wissen, ob sie schon gegessen hatte. Immerhin war es 19Uhr. Er weiss, wann sie zu essen bekommt. Das rührte mich sehr.
Ich bin immer noch müde.
Danke für den Reisebericht, das war ja eine Tour. Ich weiß gar nicht, ob ich noch so viel Auto fahren könnte. Auf dem Inlandsväg sind wir immer nur bis kurz hinter Östersund gekommen. In diesem Jahr waren wir nochmal dort, mit dem Zug und für eine Woche. Ich mag die Stadt sehr gern, kommt mir wie eine Western-Stadt vor, weil sie so jung ist. Wir haben gegenüber auf Frösön gewohnt. Andere Landschaft, andere Luft, anderer Himmel.
Western-Stadt ist gut. Ich finde ja, dass skandinavische Orte sehr oft Western-Städte ähneln. Die Holzbauweise, die unglamouröse Ästhetik, alles ist sehr un-monumental, eher bescheiden, wie Orte für Pioniere im mittleren Westen, die der Versorgung und dem Nachschub dienten.
Natürlich abgesehen von den repräsentativen Orten wie Stockholm, Göteborg usw.