[so war das mit dem Auto]

Vor der Reise entschieden wir uns dafür, das Auto meines Vaters zu nutzen. Es sei noch neu, so sagte er, es täte dem Auto ganz gut, wenn es ein paar Kilometer abspulen könne. Mein Auto ist wesentlich älter, es hat aber auch wenige Kilometer, was vor allem damit zu tun hat, dass ich nicht so viel damit fahre. Ich habe aber wenig Interesse daran, Kilometer auf die Uhr zu bekommen. Das Auto hatte ich mir vor zwei Jahren hauptsächlich aus zwei Gründen gekauft: Ich wollte nicht mehr schalten und ich wollte einen Tempomaten. Das sind für mich die zwei wichtigsten Kriterien bei einem Auto. Nun stellte sich heraus, dass das Auto meines Vaters genau diese zwei Bedingungen nicht erfüllte: Es hatte keinen Tempomaten und kam mit einer Gangschaltung.

Es gibt wenige Sachen, die ich so schwachsinnig finde wie zu schalten. Ich will mich nicht mit solchen Routinen abgeben müssen, schalten kann auch die Maschine, das muss ich nicht selber machen, ich will mich aufs Steuern beschränken. Mein Vater hingegen bezeichnet Autos mit Automatikgetriebe als Spielzeug. Ihm ist es wichtig, zu jeder Zeit die Kontrolle über Motor und Fahrgestell zu haben. Ähnlich verhält es sich bei der Geschwindigkeit. Wenn irgendwo 80 km/h steht, dann stelle ich 80 ein und kümmere mich nicht weiter um die Geschwindigkeit, ausser es kommt eine enge Kurve oder es ändert sich die Geschwindigkeitsbegrenzung. Mein Vater hingegen weiss, wie schnell 80 km/h sind und drückt entsprechend auf das Pedal.

Wenn ich mit dem Fuss fahre, passe ich hingehen meine Geschwindigkeit meist den anderen Autos an oder ich schalte auf mein Gefühl um. So geschah es auch, dass ich auf den leeren norwegischen Hochplateaus meist mit 140 oder 150 Sachen dahinrauschte. Das passierte mehr oder weniger überall. Ich fuhr eigentlich überall mindestens 100, meine Gefühle liessen das zu. Natürlich ist das nicht gut, aber wenn ich den Tempomaten verwende, kann ich die Gefühle aussen vor lassen und fahre die vorgegebene Geschwindigkeit. Mir sind Emotionen ohnehin zuwider.

Irgendwann wird das rechte Gaspedal-Bein auch schlichtweg taub. Es verharrt immer in der gleichen Position und die Wade verschmilzt mit dem Plastik der Mittelsäule. Wir fuhren gemeinsam 6000 Kilometer, davon lehnte ich mindestens 3000 Kilometer lang mit meiner rechten Wade am Plastik der Mittelsäule an. Ich möchte wissen, ob männliche Autofahrerinnen an dieser Stelle überhaupt noch Beinhaare haben.

Mein Fahrverhalten führte öfter zu Diskussionen. Weil ich Schalten so geisttötend finde, verwende ich eigentlich nur die Gänge 1, 2 und 5. Ich starte mit dem ersten Gang, dann nehme ich den zweiten Gang, um ein bisschen Speed zu kriegen und schliesslich lasse ich das Auto in den fünften Gang einrollen.
Weil ich Schalten aber nicht mehr gewöhnt bin, würgte ich das Auto regelmässig ab. Vor allem an stark befahrenen Kreuzungen sah das nicht immer elegant aus. Das Gefühl für den Schleifpunkt ist mir etwas abhandengekommen.

Entsprechend erleichtert war ich heute, als ich nach 3000 Kilometern Kupplung in mein eigenes Auto steigen konnte, um einen grossen Einkauf zu erledigen. Ich merkte jedoch ziemlich schnell, dass ich verdächtig oft zum Schaltknüppel griff. Es sind immer die Automatismen. Und nur 100 Meter weiter, bei einem Zebrastreifen passierte es dann: Ich wollte mit voller Wucht auf die Kupplung drücken. Weil es bei einem Automatikgetriebe an jener Stelle aber nur eine Bremse gibt, legte ich mitten auf der Strasse eine äusserst harte Vollbremsung hin. Das Auto hinter mir hatte rechtzeitig reagiert, es wäre aber fast in mir aufgefahren.

Es ist das erste, was man bei einem Automatikgetriebe gesagt bekommt: Das linke Bein ist ab sofort taub. Nur das rechte arbeitet.

2 Kommentare

  1. > Mein Auto ist wesentlich älter, es hat aber auch wenige Kilometer, was vor allem damit zu tun hat, dass ich nicht so viel damit fahre.

    🙂
    Ich stelle mir gerade andere Ursachen vor, z.B. kleine Kobolde, welche nachts den Tacho zurückdrehen. 😉

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