[Do, 11.7.2024 – Birke und Wege und der beste Ort zum Sterben]

Auf dem Waldweg aus dem Südwesten ist letzte Woche eine Birke umgestürzt und versperrt jetzt den Weg. Der Weg aus dem Südwesten ist der gute Weg. Über meine Auseinandersetzung mit den beiden Zuwegen habe ich hier bereits zur Genüge geschrieben. Alle fahren immer den guten Weg, auch wenn der gute Weg wesentlich länger ist. Im Winter tritt der Fluss aber regelmässig über die Ufer und flutet weite Teile des guten Weges. Deswegen ist es mir wichtig, dass wir den schlechten Weg im Norden besser instandhalten. Dass eine Birke uns aber von der Aussenwelt abschneiden könnte, kam bisher gar nicht in meiner Betrachtung vor. Das ist nun als zusätzlicher, wichtiger Punkt hinzugekommen, um beide Wege zu ertüchtigen.

Niemand wusste, wie gross der Schaden war. Der umgefallene Baum wurde von meinem Schwiegervater vor einigen Tagen entdeckt. Er drehte aber um und fuhr den weiten Weg zurück, um auf den anderen Weg aus nördlicher Richtung zu fahren. Seitdem hatte sich nichts getan.
Ich war zunächst optimistisch. Die Birke liesse sich vielleicht mit einem dicken Seil vom Weg wegschleppen. Meine Frau und ich liefen deswegen den Weg hinaus durch den Wald bis zu dem umgefallenen Baum, um uns ein Bild der Lage zu machen. Es war leider eine sehr grosse und schwere Birke. Ohne Traktor und Gerätschaft würde man sie nicht entfernen können. Ein Problem, das hinzukam war die Lage des Baumes. Er lag nämlich nicht mehr auf unserem Grundstück, sondern etwa fünf Meter weiter, auf dem Gebiet von Svea Skog, die schwedische Waldgesellschaft. Da wir aber die einzigen sind, die diesen Weg benutzten, hat Svea Skog sicherlich keinerlei Interesse, den Baum zügig zu beseitigen.

Man hätte einen Förster beautragen können, was um die 500€ kosten würde, aber das fand ich aus mehreren Gründen quatsch. Die Birke könne ich mit einer Motorsäge auch selber heruntersägen. Ich kann mit Motorsägen wirklich gut umgehen. Als Jugendlicher putzte ich mit meinem Vater jeden Sommer Waldstücke aus. Das bedeutete, markierte Bäume zu entästen, die Stämme in Stücke zu zersägen und sie auf die Strasse herunterzuarbeiten, damit sie auf einen Anhänger wegtransportiert werden können. Das wäre für mich kein Problem. Ich bräuchte lediglich eine Motorsäge mit Verbrennermotor. Wir haben nur eine elektrische Motorsäge, mit der ich vor dem Haus kleine Baumstämme kürze oder dicke Äste zusammensäge, aber die Birke liegt fast einen Kilometer entfernt, dafür bräuchte man ein sehr langes Stromkabel.

Aber wir entschieden uns die Waldgesellschaft in Stockholm anzurufen und denen zu melden, dass ein Baum aus deren Wald unseren Weg versperren würde. Die Verwaltung in Stockholm brachte uns mit dem lokalen Waldarbeiter in Kontakt, der, wie sich herausstellte, der Pächter unserer Wiesen war, also der Bauer mit den Stieren, der etwa 5 Kilometer flussabwärts wohnt. Er sagte uns, er würde sich heute noch darum kümmern.
Und so geschah das dann auch.
Sehr unkompliziert.

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Heute mähte ich wieder Schneisen. Ich verbrachte wieder viel Zeit mit meinem akkubetriebenen Handmäher. Ich inspiziere immer noch Uferstellen. Wir haben fast einen Kilometer Flussufer und ich finde die Stelle, die wir als Badestelle verwenden, die unattraktivste Stelle des ganzen Ufers. Sie ist für Menschen leicht erreichbar, das ist aber der einzige Vorteil. Das Ufer ist an jener Stelle so steil, dass man sich mit einer Holztreppe behelfen muss, um aus dem Wasser zurück ins Trockene zu kommen, ausserdem befindet sich die Stelle an der Aussenseite einer Mäander, also dort, wo die Strömung stärker ist. Die Stelle gefällt mir aber auch optisch nicht. Sie befindet sich am Rand einer offenen Wiese. Dort gibt es keine Bäume oder allgemein schön geformte geologische Strukturen. Es ist nur eine schnöde gerade Wiese, dann kommt ein steiles Ufer und patzbumm Wasser. Und wenn die Sonne herunterbrennt, ist man ihr ausgesetzt.

Einige interessante und romantische Stellen hatte ich bereits im Mai gefunden und provisorisch freigemäht, aber ab Mitte Juni setzt starkes Wachstum von Schilf und Gräsern ein, heute war von den freigemähten Stellen nichts mehr zu sehen. Ich muss das nächstes Jahr im Frühling anders vorbereiten. Vielleicht muss ich Paletten auslegen, oder Bohlen. Aber als permanente Lösung wird das auch nicht funktionieren, wenn der Flusspegel im Winter steigt und alles wegreisst. Vor sechs oder sieben Jahren hatten wir einmal im Spätsommer vergessen, die Treppe aus dem Wasser zu holen. Im nächsten Jahr fanden wir die Treppe am Waldrand, etwa 300 Meter vom Fluss entfernt, wieder.

Weiter Flussaufwärts gibt es noch zwei kleine Buchten. Ich versuchte mich heute bis dahin vorzukämpfen. Aber mittlerweile ist alles so hoch und dicht bewachsen, dass ich mit meinem Mähgerät einen halben Tag bräuchte, um bis zum Wasser vorzudringen. Und dann bin ich erst beim Wasser. Ich müsste dann immer noch eine kleine Plattform bauen, damit man dort stehen und sitzen kann. Ich mache das ja nicht nur um das Wasser zu erreichen, ich glaube mittlerweile, dass ich eine Obsession mit Wasserstellen habe.

Wasserstellen. Das sind die schönsten Orte der Welt. Küsten, Buchten, Flüsse. Wasserstellen. Ufer. Irgendwann möchte ich einmal am Wasser leben. Auf einem Steg sitzen und dem Wasser hinterherschauen. Bis ich sterbe. Oder so.

Das fiel mir erst heute auf. Nachdem ich zum wiederholten Male gefragt wurde, was ich denn ständig da unten mit dem Mähgerät mache. Ich sagte bisher immer, dass ich eine bessere Badestelle suche. Jetzt glaube ich aber: ich suche aber nur den besten Ort zum sterben.

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