Drei Notizen stehen noch auf meinem Zettel:
1) „Wollie Nadeln“.
Ich hätte fast meine Hündin getötet. Ich kaufte wegen der Hochzeit ja ein neues Hemd. Oft sind neue Hemden mit Stecknadeln fixiert, um sie schöner zu präsentieren. Es ist eigentlich ein unsäglicher Brauch. Manche Marken sind auf Plastikclips umgestiegen. Die Marke, die ich kaufte, allerdings nicht. Ich weiss nie wo hin mit den Nadeln. Also gab ich sie vorübergehend in ein kleines, verschraubbares Glas, womit wir früher das Futter für die Hündin dosierten. Wir haben 7 solcher Gläser und verwenden die eigentlich nicht mehr. Deswegen schien es mir eine gute Lösung, die Nadeln dort temporär abzulegen.
Da wir die Hündin für zwei Tage an die Nachbarn übergeben würden, bereiteten wir schliesslich alles vor. Ihr Bettchen, ihr Spielzeug und natürlich auch das Futter. Das Futter kam in ein grosses Marmeladeglas, als meine Frau allerdings die Menge nachzählte, merkte sie, dass es ein bisschen zu wenig ist, also nahm sie ein kleineres Gefäss, in dem sie eine weitere Portion Futter füllte. Und natürlich nahm sie das kleine verschliessbare Glas, das auf dem Küchentisch stand. Weil da genau eine Portion hineinpasst und das Glas verschliessbar ist. Sie rief mir noch zu, dass sie ein zusätzliches Glas nähme, um extra Futter mitzugeben. Ich sass da im Arbeitszimmer und rief zurück „Okay“.
Freitagabend, als wir in dem unsäglichen Brauhof Villach sassen, schickte mir der Nachbar ein Foto von Stecknadeln. Gefolgt von einer entsetzten Nachricht. Ich verstand sofort den Zusammenhang und das Blut rutschte mir in die Kniekehlen.
Die kleine Tochter des Nachbarn hatte die Nadeln gefunden, weil sie glücklicherweise sehr bedächtig das Futter auf dem Küchentisch portionierte. Eine routinierte Person hätte einfach das Glas in den Fressnapf geleert und vermutlich nichts davon gemerkt.
Es dauerte eine Weile, bis der Schock richtig bei mir ankam. Danach telefonierte ich noch mit dem Nachbarn, der seinerseits ebenso geschockt war. Hätte die Hündin die Nadeln geschluckt, wäre sie schlichtweg gestorben. Vor dem Einschlafen kamen mir sogar Weinkrämpfe. Der Gedanke daran, wie sehr mir dieses Tier vertraut, das ich leichtsinnig getötet hätte, ist schier unerträglich.
Wir brachten der kleinen Tochter eine grosse Schachtel Pralinen mit.
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2) „Abstandstempomat“.
Noch bevor ich wusste, dass ich meine Hündin fast getötet hätte, überkamen mich Liebesgefühle bei der Autofahrt. Das Mietauto verfügte über einen Abstandstempomaten und dieser löste sehr starke Emotionalität in mir aus. Der Begriff Liebesgefühle ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber das, was ich fühlte, war schon sehr stark. Diese Automatik, mit der sich das Auto dem fahrenden Fluss anpasst, selbstständig abbremst, den Abstand vergrössert und verkürzt, das begeisterte mich dermassen, dass ich meiner Freude ständig laut Ausdruck verleihen musste.
Meine Frau sagte, ich solle aufpassen, mich nicht zu sehr auf die Technik zu verlassen. Da hat sie natürlich recht. Aber darum geht es ja nicht. Gefahrenlagen erkennt man trotzdem. Man kann aber weitgehend aufhören, sich mit der Geschwindigkeit zu beschäftigen. Das Geschwindigkeitsmanagement empfinde ich immer als eine unnötige Ablenkung des Wesentlichen.
Ich muss unbedingt herausfinden, ob ich das nachträglich in mein eigenes Auto einbauen lassen kann.
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3) „Enzo“.
Enzo ist ein italienischer Künstler, der in Berlin in einer Pizzeria arbeitet. Letzte Woche erfuhr er, dass ich aus Bozen komme, daraufhin nannte er mir mit grosser Begeisterung die Namen von zwei Männern aus Bozen, die er zu seinen wichtigsten Freunden zählte. Hermann und Marco. Beide sind ziemlich bekannte Künstler in Bozen. Als ich noch dort wohnte, unterhielt ich vor allem zu Hermann einen innigen Kontakt. Mit Marco etwas weniger. Hermann Permann ist ein grosser Künstler, der wie üblich im Ausland mehr Beachtung findet als in Südtirol. Und Marco war sein Schüler. Auch Enzo war sein Schüler.
Enzo bat mich, Grüsse auszurichten. Da ich Hermann allerdings schon seit 15 Jahren nicht mehr gesehen habe, wusste ich, dass dies ein schwieriges Versprechen werden würde. Daher bat ich Enzo um ein Selfie von uns beiden. Ich würde das den beiden schicken. Das wäre sicherlich lustig.
Am nächsten Tag fand ich nur das Instagramprofil von Marco. Hermann ist mittlerweile ein älterer Herr, der hat vermutlich kein Internet. Also schrieb ich Marco an und schickte ihm das Foto von Enzo und mir. Ich schrieb kurz dazu, wer ich bin, schliesslich hatte ich Marco noch länger nicht gesehen, fast dreissig Jahre. Aber ich wusste, dass er sich an mich erinnern würde.
Dem war aber nicht so. Er hatte keine Ahnung, wer ich bin. Nun hat sich im Insta-Messenger ein seltsamer Gesprächsverlauf entwickelt, in dem ich im erkläre, woher wir uns kennen und er keine Erinnerung daran hat. Mittlerweile wirkt er sogar ein bisschen genervt von mir. Deswegen schreibe ich auch nicht weiter.