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Gestern stand ich am Rosenthaler Platz und wartete auf B aus Zürich, ich hatte mich zentral hingestellt, weil ich ja nicht wusste von welcher Ecke des Platzes er aus den Ubahnschächten an die Oberfläche kommen würde, ich lehnte also irgendwie zentral an einem Geländer, gut sichtbar, und wunderte mich derweil über die eigenartig gespenstische Stille, bis mir auffiel, dass ein großer Teil des Verkehres fehlte, und aha, dann sah ich auch schon das Übel, ein riesiges Monster aus Stahl am westlichen Abschluß des Platzes, in der Torstraße, so groß, dass die Torstraße dafür gesperrt werden musste. Die riesige Maschine brummte einen tiefen, bedrohlichen Ton, der sich über den nun ziemlich beruhigten Rosenthaler Platz in Wellen ausbreitete.
Ich schaute hoch, die Maschine war ein Kran, mit einem Arm der weit hinauf in den Himmel ragte, schräg über das Dach des roten Hauses, über den Platz hinweg, über die Brunnenstraße drüber, bis hinter dem Dach jenes Hotelneubaus am Eck zum Weinbergsweg. Ausnahmesituation.
Ich merkte, dass ich nicht alleine war. Ich war umgeben von Menschen die still standen und mit begeistertetem Strahlen in den Augen auf die gewaltige Maschine starrten, auf den Arm, auf die Wucht, wie die Maschine dort unheilvoll vibrierte. Atmete.

Das war toll. Ich war Teil jenes begeisterten Fortschrittglaubens. Wie wir auf Maschinen starrten.

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„Es gibt keine Ursache, aber es gibt eine Lösung“
(Habe ich gestern ins Teammetingprotokoll geschrieben)

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Zudem waren wir am Abend des ersten Mai beim Griechen. Bei der Wahl der Küchennationalität das erste mal das Gefühl gehabt, eine politische Entscheidung getroffen zu haben. Was aber auch wieder Blödsinn ist. Aber das Gefühl war trotzdem da. Vielleicht, weil wir schon nicht am Nachmittag gegen den Nazis auf der Straße gesessen sind.

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In einem Meeting letzte Woche einen tollen Kugelschreiber geklaut. Er ist lang und konisch, liegt daher gut in der Hand, indem er oben mehr Gewicht hat als unten, er liegt also schwer zwischen Daumen und Zeigefinger, wie eine schwere Diva im Sessel, eingenebelt in Opiumrauch, rezitiert Baudelaire, zeichnet beiläufige Bewegungen mit ihrer Federboa in die Luft, hat Atem wie Blei, und ein Gemüt wie modriges Erdreich.
Blöd nur, dass es aus Plastik ist, und orangefarben.

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Den ersten Mai in Charlottenburg verbracht.

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Mein Androidphone kennt schon das Wort uninspiriert. Das Wort inspiriert habe ich ihm heute beigebracht. Das fiel mir auf als ich schrieb: nicht inspiriert.

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Den ersten Mai in Charlottenburg zu verbringen fühlt sich an, wie ein Statement zu setzen, dabei war ich nur mit Freunden im Museum, die Sammlung der Surrealisten an der Schloßstraße ansehen. Hans Bellmer, Paul Klee, Max Ernst, besonders von Hans Bellmer war ich angetan, von seinen modularen Puppen: Hüfte, Bein, Geschlecht, Bein, Hüfte, beweglich, drehbar, immer die geschlechtliche Pose. Er war lebenslang unzufrieden mit seinen Studien an den Holzpuppen.

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Uninspiriert bin ich natürlich überhaupt nicht.

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Der geklaute Kugelschreiber ist nicht nur orange und aus Plastik. Er trägt der Schriftzug „Maturity“.
Keine Sorge. Das ist nur ein Firmenname. Ein Werbegeschenk.

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Nur das mit der Groß-kleinschreibung, das ist eine mühsame Angelegenheit– Ich könnte ja nur noch über mein neues Handy reden. Ich habe das Fahrrad wieder stehen lassen, damit ich UBahn fahren kann und dort ein bisschen, öhm, nunja, Sachen mit dem Handy zu machen. Gerade jetzt mit der Datenflat. Übrigens will ich keine Simsen mehr, schreibt mir Emails, die bekomme ich genau so schnell wie Simsen, nur ohne den soundsovielen Cents.

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Am Wochenende vieles ohne das Handy gemacht. Am Sonntagabend aber habe ich mich mit Frau Casino von Hotelmama getroffen und wir haben rumgenerded. Sie mit dem iPhone und ich mit dem Androiden.
OK wir haben auch geredet.

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K habe ich vor einigen Wochen, aus Vorfreude über mein bald zu bekommendes Handy, so sehr damit vollgequatscht, dass sie kurzerhand in den Laden lief und sich selbst eines kaufte. Noch lange bevor ich meines bekommen sollte. Ich war rosarot vor Neid.
Sie sagte, das habe alles sehr sinnvoll geklungen, was ich ihr gesagt hatte.

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Hey. Zurück aus den Untiefen.

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Wo fängt man eigentlich an?

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Aus Angst, wie ein oberlehrerhafter Relevanzblogger zu klingen, wollte ich nicht gleich mit der Anschaffung meines Android-Phones beginnen, das hat gleich sowas Aufklärerisches, Investigatives, deshalb: Hey. Zurück aus den Untiefen.

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So ganz nebenher: ich habe mir ein Android-Telefon angeschafft. Ich telefoniere wenig, fand iPhones zwar ganz nett, aber ich kann keine Apple-Produkte kaufen, das fühlt sich an, wie bei McDonalds zu essen oder Waffen bei der C.I.A. zu beziehen (haha). Doch vor wenigen Wochen hat sich mir der Nutzen dieser Smartphones erschlossen. Schon nur das Lesen von Mails mit einer Hand in der UBahn war ein Punkt, Skype auf dem Handy, GPS, Wasserwage, Kompass und all diese Dinge sind Dinge die unabdingbar für mich zu werden dingsen.
(HTC Legend. Android-Linux 2.1)

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Meine Lieblingsapp heißt Antennas. Sie zeigt mir über Openstreetmaps den Handymasten an, mit dem ich verbunden bin. Wenn ich durch die Stadt spaziere, wechsle ich manchmal die Straßenseite um die Dächer nach meinem Handymasten abzusuchen.
Und manchmal wünsche ich mir, dass mich ein Auto überfährt.

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Falls mein Blögchen hier in den nächsten Tagen ein wenig Schluckauf haben sollte, dann keine Sorge. Es zieht nur um. Neues Rechenzentrum, neue Hardware, neues Glück.

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Ich laufe in diesen Tagen täglich über die Admiralsbrücke und es war dieser erste Sonnentag vor drei Tagen, an dem dort schon die ersten jungen Leute mit den Gitarren saßen und taten, als sei wieder Sommer, so sentimentalmäßig sofort aus den Löchern gekrochen und den Sommer hervorgekramt, weil man ja verliebt war, letzten Sommer, als man dort saß, unter dem niemals dunkel werdenden Himmel über Berlin.

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Das Wochenende als Anlass genommen, wiedermal rauszugehen, Abstand zu nehmen. Freitag klappte nicht, aber am Samstag dann mit K zu Elisabeths Buchpremiere gegangen, und dabei vor dem ersten vorgelesenen Wort bereits einen Liter Bier getrunken, was sehr okay war, ich habe mich einlullen lassen, vom Text, auch von dem Sänger auf der Bühne, der mit seiner Gitarre die Lieder zwischen den Texten begleitete. Am Ende der Lesung war ich sehr betrunken, und irgendwie befriedet, K und ich spazierten nach Hause, nahmen die Route durch den Rummel an der Kastanienallee, kauften auf dem Weg noch Bier, dann waren wir irgendwann zuhause, und der Abend zu Ende. Wir schliefen am nächsten Tag lange.

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Gegenüber mir stand der Punk in der U8, rechts daneben ein Hiphopper. Am Alex stieg ein kleiner, dicker Polizist in Uniform hinzu. Er war sehr klein und sehr dick, machte einen ungeschickten Eindruck, er stand neben dem Punk und dem Hiphopper. Er fühlte sich feindmäßig. Der Punk sah abfällig an ihn hinunter, der Hiphopper sah abfällig an ihn hinunter. Dann kam eine einbeinige Bettlerin im Rollstuhl den Gang heruntergerollt, sie fragte nach einer kleinen Spende. Natürlich weiß sie um das Bettelverbot, aber sie hatte den Polizisten nicht bemerkt. Der Polizist griff in die Tasche, holte ein zwei Euro Stück heraus, wollte es ihr geben, doch dann schlug die Ubahn aus, das Geld fiel zu Boden, die Frau im Rollstuhl rollte einen Satz nach vorne, der Polizist konnte sich nicht halten, fiel um, landete auf den Knien, die Frau im Rollstuhl konnte sich im letzten Moment noch an der Stange festhalten, bevor sie den Polizisten überrollt hätte. Das zwei Euro Stück landete zwischen den Beinen des Hiphoppers, der Polizist landete mit der Nase daneben. Der Hiphopper hob das Geldstück auf, wollte es dem Polizisten geben, der stand auf, rückte sich die Uniform zurecht, schaute im Stolz gekränkt, der Hiphopper gab das Geldstück der Bettlerin, die Bettlerin bedankte sich beim Polizisten mit überbordenden, aber sehr ernst gemeinten Dankbarkeit. Der Polizist wich nervös ihrem Blick aus. Der Punk daneben schaute abfällig, der Hiphopper daneben schaute abfällig.

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Heute bei Stevans Buchvorstellung im Kochlust an der Alten Schönhauser Straße gewesen. Mit K und auch V war dabei. Mann, kann der Mann vorlesen.