nach Hambuich für Kultur

Dieses Wochenende zwei neue Helden entdeckt. Erstens den mir bisher eher unbekannten Rationalstürmer, der mich am Samstag mit zwei sehr feinsinnig und vielschichtig erzählten Geschichten auf der von Frl.Fuchs organisierten Bloglesung am Schulterblatt überrascht hat, und in der anschliessenden Restnacht eine beeindruckende Trinkfestigkeit zu Tage legte. Und mein zweiter Held ist Bov Bjerg, der gestern seinen Auftritt bei Kaffee.Satz.Lesen eine Geschichte zum Besten gab, die ich zwar schon kannte, mich diesmal jedoch mit Bov’s Vortragekunst unheimlich beeindruckte. Der Mann scheint sein Publikum vollständig kontrollieren zu können wenn er liest, wie er mit gezielten Kunstpausen, die auf die Hundertstelsekunde genau abgestimmt sind, und theatralischen Wiederholungen, mit todernster Miene sein Publikum zielsicher in den Zwerchfelltod (das ist wenn das Zwerchfell reisst und die Eingeweide aus dem Körper flutschen) treibt, hat mich staunen lassen. Sofern mich Atemnot und Gesichtsmuskulatur den Vortrag analysieren liessen.

Die witzigsten Gesellen dieses Wochenendes waren allerdings die vier Damen des Kulturvereins Hannover, gestern bei der Lesung in der Baderanstalt. Vier adrette Damen gehobenen Alters, die sich für ihren Hamburgbesuch extra aufgehübscht hatten, die goldenen Klunker aus der Schmuckschatulle genommen, die Ohrringe, die sie sonst nur für die Oper anziehen, und Frisuren von denen ich dachte, dass nur Königin Beatrix sie trägt.
Eine der angenehmen Dinge an den Lesungen in der Baderanstalt, ist die Mischung aller Altersklassen. Steinalt gesellt sich neben Blutjung, und man hört begeistert den Geschichten zu. Einfach so. Diese Damen wollten aber nicht jungen, talentierten Autoren zuhören, sondern sie waren ins ferne und grosse Hamburg gefahren um Kultur zu erleben.
Ich hätte gerne die Gesichter gesehen, als die vier aufgeregten Tanten das industriell und provisorisch anmutende Gebäude der Baderanstalt betraten und im feinen Zwirn im quietschenden Lastenaufzug standen und sich fragten “Wo sind wir hier gelandet? Man sagte uns, das sei eine Kultuveranstaltung!”. Sicherlich haben sie aufgeatmet, als sie in der ersten Reihe die vier Stühle erblickten, die mit dem Zettel “Reserviert für den Kultuverein Hannover” erblickten. Die Laune besserte sich, sie ähnelten einer deutschen Reisegruppe, machten mit einfachen Urlaubsknipsen Fotos von sich selbst, in Pose, lächelnd, ach, wir vier bei einer Kulturveranstaltung im grossen Hamburg. In der ersten Reihe, damit das zuhause ja jeder zu sehen bekommt. Zum Andenken.

Aber – die Baderanstalt wurde voll. Sehr voll. 160 Besucher stapelten und türmten sich im Lesesaal, sassen aufeinander, auf dem Schoss. Als wir beschlossen einen Sitzplatz zu ergattern, blieben uns nur noch Hocker, die wir vor die erste Reihe stellten. Mit uns zehn weitere Leute.
Und damit war die Exklusivität der vier Damen angetastet.
Ich bemerkte, dass sich meine Sitznachbarin in einem etwas erhitzten Gespräch mit den Damen hinter uns befand. Es ginge doch nicht an, dass wir uns einfach so (“einfach so!) vor die erste Reihe setzen würden, was sind das für Manieren? Verstörte Blicke von der Reihe null in die erste Reihe. Man äh, ähntschuldigte sich, aber es seien sonst keine freien Plätze mehr übrig, man wolle doch einfach nur sitzen. Eine der Damen pochte auf ihr erste Reihe-Ding und machte uns wiederholt auf unsere Unverschwämtheit aufmerksam. Ich schaltete mich ein, setzte eine freundliche Miene auf und versuchte zu erklären, dass das hier nunmal alles ein wenig lockerer sei, wenn wir zu viele sind, rücken wir eben ein bisschen zusammen, damit wir alle was sehen können. Der Weg nach Hause sei schliesslich ein trauriger Weg.
“Warum steht ihr dann nicht? Ihr könnt euch doch nicht einfach vor die erste Reihe setzen!”. Dieser Vorschlag wurde von den verbleibenden drei Damen mit einem eindringlichen und bitterbösen Blick nachgedrückt. Ich blickte mich nach Stehplätzen um, sah keine Möglichkeit und jemand schlug dann vor, einfach aufzustehen. Vor der ersten Reihe natürlich.

Diese Drohung liess die Damen untereinander aufgeregt tuscheln – und schlussendlich verstummen.

Danach las Merlix.

die Missgeburt und der Arsch der es nie zu etwas bringen wird

Ach – das war eben das Pärchen, das neulich noch bei Michelina sass. Sie sassen sich gegenüber, er grosser Enddreissiger mit Ohrringen und Schnurrbart vor seinem Weizen (er hat zähnezeigend Whaitztztztzenn bestellt), sie blondgerührte Nutella-Dauerwelle, mit einem kleinen Bier (“kleines Bier bitte”). Er nannte sie Missgeburt, sie sei noch hässlicher und dümmer als ihre Mutter, und sowieso ihre Mutter, was für eine entstellte Sau, kein Wunder, dass so etwas wie sie (sowas wie Düüh) dabei herauskäme. Sie nannte ihn einen Arsch, einen miesen dreckigen Arsch der es niemals zu etwas bringen würde, nie, in seinem ganzen verfickten Leben nie. Sie sagte nochmal Arsch und nochmal Arsch, vervollständigte es wahlweise mit -Loch, ein Arsch der keinen mehr hochkriege, und mit hochkriegen meinte sie nicht den Arsch des Arsches, weil er ihr daraufhin versicherte, dass das kein Wunder sei, bei so einer hässlichen Missgeburt wie sie, im Haus.

Achja ach – das war eben das Pärchen, das neulich bei Michelina sass. Diesmal Hand in Hand bei der Sternbrücke.
Ich will gar nicht wissen wie er diese Sache mit der Missgeburt wieder geradegebogen hat.

jetzt ist die Welt in Ordnung

Auf den Tag an dem ich nach Berlin verschwind, und das ist irgendwann bestimmt, freue ich mich jetzt wie Butterbrot (?), weil ich jetzt weiss, was mich an Berlin immer gestört hat, weil ich vorhin auf einen Link geklickt habe, wie ich es sonst auch jeden Tag tuhe. Und doch war heute alles anders, weil das grosse Loch von dem ich nicht wusste, dass es klaffte, sich heute geschlossen hat, weil ich jetzt weiss was mir in Berlin immer gefehlt hat:

Die geplante, aber nie gebaute U-10.

Jetzt ist die Welt wieder in Ordnung.

Hallo Hamburg (Völkerball)

Es ist nicht dert coolste Sport, und wie es scheint, haftet an den Leuten ein dermassen grausames Trauma, dass schon das blosse Nennen des Namens für mindestens drei schlaflose Nächte sorgt. Aber mal ganz ehrlich, haben wir uns nicht genug, einsam und verbittert, über die ewig kreisenden Joggingpfade gequält? Haben wir die Maschinen im Fintnesszentrum nicht immer schon als emotionslose Roboter verachtet, an denen unser Schicksal, wegen unseres hart erarbeiteten Bürostuhljobs, leidergottes hängt, und baumelt wie an einem Strick? Haben wir den Fussball nicht verdammt als ollen Prollensport, und Volleyball als Schnepfenball?
Ich habe zwar noch nie gejoggd und noch niemals Stepmaschinen malträttiert, aber egal, dies ist eure Chance alte Kindheitstraumen zu verarbeiten und euren sportlichen Unmut zu verjagen, und in geselliger Runde, so richtig mit echten Menschen und Teamgeist, Völkerball zu spielen.
Und zu guter Letzt, mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% endlich auch mal ein richtiger Sieger zu sein.

Völkerball. Am Sonntag um 16Uhr im Schanzenpark. Treffpunkt an der Tischtennisplatte bei der Boule-Bahn. Eingang an der Schlumpseite.

Wir spielen nach den Regeln in Wikipedia. Lokale Besonderheiten können nach Absprache mit der VIFA (Völkerball-fifa, sprich: mich. Sorry, ich weiss, der war schlecht) gerne in die Regeln aufgenommen werden. Und vergesst nicht ein extra Kleidungsstück mitzunehmen, um die Spilefeldgrenzen zu setzen. Nehmt mit wen ihr wollt, die Spielerzahl ist unbegrenzt. The more the merrier.

südtiroler im Exil

STOL: Wie ging es dann weiter?

Ich referiere ein wenig Curriculum Vitae, drüben bei Südtirol Online. Als Willkommenstexte wollte ich ein paar Südtirolspezifische Texte verlinken, beispielweise den hier oder vielleicht den hier, komme dann aber darauf, dass beide Texte nur vom Weggehen aus den Bergen erzählen. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, etwas erfreulicheres ins Netz zu stellen: Meine Katastrophenknödel von letztem Samstag.

Liebe Landesgenossen, liebe Freunde der guten Küche, so sehen echte Südtiroler Knödel in Exil aus (meine Gäste verzehrten den Matsch mit Fassung):

Exilknödel

wenn ich eine Frau wäre

Wenn ich eine Frau wäre, dann wäre ich eine charmante, gutaussehende, intelligente, humorvolle, verständnisvolle und geschmackvolle Frau. Ich würde kurze Röcke tragen, weil ich selbstverständlich schöne Beine hätte, die ich jeden Tag in andere Strümpfe kleiden würde, wahlweise rot und schwarz und grün und Netz und an Tagen der besonders guten Laune mit barocken Verzierungen an den Knöcheln. Ich hätte den Schlampenblick einer nimmersatten Nymphomanin und gleichzeitig den liebevollen Blick einer Gottesmutter, weil ich im Bett ein Luder wäre und in der Küche eine wunderbare Mutter und Hausfrau. Ich wäre natürlich unsterblich in den grossartigen Mequito verliebt, schriebe ihm täglich ein Liebesbekenntnis, würde mich mehrmals pro Tag an ihn heranschleichen, mein französischstes aller französischen Gesichter aufsetzen, die Oberlippe zu einem Schmollmund geformt, das Kinn gesenkt, die Augen weit offen und ihn fragen: “Liebster Mequiteaux, darf ich Dir einen blasen?”. Er würde mich liebevoll anlächeln und sagen “Schon wieder?” und ich würde ihm antworten “Ja bitte, ich habe das Bedürfnis Dir nahe sein”. Ich würde seine kleinen Makel als charmante Eigenheiten belächeln und seine grossen Makel – die würde er einfach nicht haben. Er doch nicht. Und ich würde es ihm verzeihen, wenn er auf meinen Hintern starrt während ich dürftig bekleidet durch die Wohnung stakse, mein Hintern, mein Hintern, wäre ich eine Frau, dann wäre ich von oben bis unten Hintern. Hintern mit Beinen und Armen und ein Gesicht so zuckersüss wie kaltgeschleuderter Imkerhonig. Mit Schlampenblick.

Ohje, wenn ich ne Frau wäre…

Dann würde ich auf meinem Fahrrad wie eine Dame durch den Wind fahren, dezent und hochgeschlossen. Mein knappes Röckchen würde alle Männeraugen auf mich schielen lassen. Mein weisses Fahrrad, das mir mein Liebster geschenkt hat, und weiss gestrichen, weil er wollte, ich reite es wie ein weisses Pferd, ach mein Liebster. Und wenn das Fahrrad kaputt, dann verspräche er mir, es sofort zu reparieren, ich würde ihn lieben, auch noch, wenn er es vergässe, drei Tage, vier Tage, fünf Tage, meine Liebe würde nicht verschwinden, aber ich muss zugeben, ich würde ein wenig von dem Chlormittel in die Pasta verrühren, ein bisschen nur, er soll ja nicht merken, wie Scheisse ich das von ihm finde, er solle nur ein bisschen leiden, ich leide ja auch, ein bisschen. Und die Socken, ich mag ja wirklich alles von meinem Liebsten, auch seine herumliegenden Socken, diese jedoch weniger, gebe ich zu. Wenn er einmal nicht hingucken würde, dann träte ich mit den blitzenden Spitzen meiner zwölfzentimeter-Absätze auf den übelriechenden Sockenhaufen herum, nochmal und nochmal, bis ich den Stoff unter meinen scharfen, stählernen Stöckeln reissen spürte. Er würde sich wundern, seine Socken hätten früher immer länger gehalten, ob vielleicht eine unheilvolle Mottenplage über uns hernieder käme, ob ich nicht mal nachschauen könne. Ich würde ihm sagen, jedes Loch in meinen Kleidern brächte mich näher zu ihm, ich trüge jedes Loch für ihn mit Liebe. Darauf würde er empört die Stimme erheben: “Löcher gut, aber doch nicht in meinen Socken!”, und er würde mich anlächeln und mir sagen, ich solle ihm seine Socken doch nähen, das habe seine Grossmutter schliesslich auch immer getan, ich könne das bestimmt gut, mit meinem Talent, wo ich mir sogar Korsagen selbst nähe, und ich würde strahlend lächeln, und erwidern: “ich liebe Dich”, und würde nachts aus dem Bett steigen um auf das Grab seiner Grossmutter zu spucken und die Blumen zu zertreten. Der linke Absatz meiner neuen Schuhe, meiner neuen roten Schuhe, die mit den Schleifen an der Seite, würde dabei brechen, und ich würde fluchen, ich würde die Welt verdammen, meinen Liebsten, seine Grossmutter, und die verdammte ganze Welt. Und ich würde in die Gartenlaube gehen, mir eine Axt holen und ins Schlafzimmer zu meinem Allerliebsten stampfen – und weit ausholen.

so schön war es in Hrvatska

Es war der sinnbildliche Pfeffer, und es fällt mir schwer, alle Tagebuchnotizen von Papier auf die Tastatur zu übertragen. Nach drei Minuten habe ich aufgehört. Da will man ja gleich wieder weg.

Deshalb gibt es nur meine üblichen misslungenen Bilder. In den Kommentaren.

Shoppingtime: Kaffee.Satz.Lesen Anthologie ist da

Die Nachricht ereilte mich im Urlaub, deshalb jetzt erst. Alle Texte der Hamburger Lesereihe Kaffee.Satz.Lesen Nummer 13-31, gibt es nun gedruckt und mit nummerierten Seiten zu kaufen. Inklusive einer meiner Texte, das erste Mal zwischen richtigen Buchdeckeln.

Alle Infos und Alles hier.

Mein grosser Dank geht an die Rederei Hamburg, dem Mairisch Verlag und allen Beteiligten, die so viel Zeit und Schweiss in die Realisierung dieses Buches gesteckt haben. Ich verneige mich.