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Meckpomm. Mein Kollege hat mich zu sich eingeladen, in seinen Bungalow im Norden, Resturlaub abbummeln, mal raus, ich wollte eh weg, bisschen schreiben, ich dachte an Templin, aber dann hat er mir seinen Bungalow angeboten, unter Männern, wir sitzen in der Frühlingssone, Abends, morgens, mittags, trinken Kaffee, trinken Bier, Abends schauen wir Fussball, reden von den Frauen, gehen mit dem Hund in den Wald, gehen runter zum Fluss, schauen ins Wasser, tote Fische treiben darin, die Vögel zwitschern.

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Ich mag ja Brandenburg. Und anders als Brandenburgs Ruf, ist es dort auch ziemlich schön, vor allem im Norden, die Uckermark, Templin, der lichte Wald, leicht bewegte Hügel, dazwischen die vielen Seeen, immer wieder Industrieruinen aus der Zeit Wilhelmzwo, kleine Orte, an denen sich unprätentiöse, alte Häuser reihen, mit Dächern die an Pickelhauben erinnern. Sanft entschlafen. Und: freundliche Menschen da.

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Ich möchte wissen:
-Wer in der Berlin-Brandenburger Regionalbahn diese Ankunftsdüdel komponiert
-Ob jeder Landstrich sein eigenes Düdel hat (ich kenne mittlerweile drei)
-Oder ob es sich saisonal ändert
-Welches Instrument das Düdel imitiert (Holzpfeifen-Orgel? Panflöte mit Gitarrenmäßigen Anschlag? Elektro-Blockflöte?)
Das möchte ich wissen. Obwohl. Nein. Ich möchte es doch nicht wissen.

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Beim näherem Nachdenken möchte ich wissen:
-Ob das Wort Düdel jetzt tatsächlich ein existierendes Wort ist, oder eine Wortschöpfung von mir, da ich unweigerlich an den komponierenden Dödel dahinter denken musste.
Mehr will ich nicht wissen.

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Ich laufe in diesen Tagen täglich über die Admiralsbrücke und es war dieser erste Sonnentag vor drei Tagen, an dem dort schon die ersten jungen Leute mit den Gitarren saßen und taten, als sei wieder Sommer, so sentimentalmäßig sofort aus den Löchern gekrochen und den Sommer hervorgekramt, weil man ja verliebt war, letzten Sommer, als man dort saß, unter dem niemals dunkel werdenden Himmel über Berlin.

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Das Wochenende als Anlass genommen, wiedermal rauszugehen, Abstand zu nehmen. Freitag klappte nicht, aber am Samstag dann mit K zu Elisabeths Buchpremiere gegangen, und dabei vor dem ersten vorgelesenen Wort bereits einen Liter Bier getrunken, was sehr okay war, ich habe mich einlullen lassen, vom Text, auch von dem Sänger auf der Bühne, der mit seiner Gitarre die Lieder zwischen den Texten begleitete. Am Ende der Lesung war ich sehr betrunken, und irgendwie befriedet, K und ich spazierten nach Hause, nahmen die Route durch den Rummel an der Kastanienallee, kauften auf dem Weg noch Bier, dann waren wir irgendwann zuhause, und der Abend zu Ende. Wir schliefen am nächsten Tag lange.

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Gegenüber mir stand der Punk in der U8, rechts daneben ein Hiphopper. Am Alex stieg ein kleiner, dicker Polizist in Uniform hinzu. Er war sehr klein und sehr dick, machte einen ungeschickten Eindruck, er stand neben dem Punk und dem Hiphopper. Er fühlte sich feindmäßig. Der Punk sah abfällig an ihn hinunter, der Hiphopper sah abfällig an ihn hinunter. Dann kam eine einbeinige Bettlerin im Rollstuhl den Gang heruntergerollt, sie fragte nach einer kleinen Spende. Natürlich weiß sie um das Bettelverbot, aber sie hatte den Polizisten nicht bemerkt. Der Polizist griff in die Tasche, holte ein zwei Euro Stück heraus, wollte es ihr geben, doch dann schlug die Ubahn aus, das Geld fiel zu Boden, die Frau im Rollstuhl rollte einen Satz nach vorne, der Polizist konnte sich nicht halten, fiel um, landete auf den Knien, die Frau im Rollstuhl konnte sich im letzten Moment noch an der Stange festhalten, bevor sie den Polizisten überrollt hätte. Das zwei Euro Stück landete zwischen den Beinen des Hiphoppers, der Polizist landete mit der Nase daneben. Der Hiphopper hob das Geldstück auf, wollte es dem Polizisten geben, der stand auf, rückte sich die Uniform zurecht, schaute im Stolz gekränkt, der Hiphopper gab das Geldstück der Bettlerin, die Bettlerin bedankte sich beim Polizisten mit überbordenden, aber sehr ernst gemeinten Dankbarkeit. Der Polizist wich nervös ihrem Blick aus. Der Punk daneben schaute abfällig, der Hiphopper daneben schaute abfällig.

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Heute bei Stevans Buchvorstellung im Kochlust an der Alten Schönhauser Straße gewesen. Mit K und auch V war dabei. Mann, kann der Mann vorlesen.

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Hat gerade seinen Grund, nicht Tagebuch zu bloggen. Manchmal kommt man mit den Tagen nicht so klar. (Ha, und die Nächte erst!).

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Schon beim Einbiegen in meine Straße sah ich ein Stück weiter das Blaulicht blinken, mehrere Wagen standen da, Polizei, Feuerwehr, ein weiteres Lalüüüü holte mich ein, als ich an meiner Türe stand. Die Straße roch nach verbranntem Holz, das riecht anders als brennende Luxuskarossen, denn wenn es in Berlin nach Rauch riecht, dann denkt man in letzter Zeit immer an gewisse Automarken, aber das roch ganz eindeutig nach Holz, das kenne ich von meinem Dolomitendorf, in dem ja nur mit Holz geheizt wird, und den ganzen Winter über riecht es immer so. Ich hatte keine Lust weiterzulaufen, um zu sehen was los ist, mensch Holz, mir doch egal, eine Wohnung wird gebrannt haben, ich werde es später in der Zeitung lesen, mich interessieren ja immer die Brandursachen, war es ein Kurzschluß, war es ein Bügeleisen, ich habe ja immer diese Horrorbilder im Kopf, wenn ich gerade im Kino sitze und die innere Checkliste ablaufe: Herd aus? Heizung aus? Kerzen aus?
Hier hat man jedenfalls nur noch eine junge Frauenleiche aus der brennenden Wohnung im ersten Geschoß holen können. Sie hatte sich selbst angezündet.

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Die andere Sache, war das mit den Bandidos im Alexa. Ich war mit K im Alexa verabredet, wir sollten die Brille abholen, und wie es aussieht, treibe ich mich wirklich nur noch im Alexa herum, kein Wunder, dass ich Tage lang nichts mehr aufgeschrieben habe, aber egal, Bandidos im Alexa, das war dann doch ein bisschen Gemulme, man liest ja vom ausgebrochenen Rockerkrieg, wegen den Überläufern von Bandidos zu den Hells Angels, von Leuten in Hellersdorf, die auf offener Straße erschossen wurden, der eine, der eine Axt in seinen Oberschenkel bekommen hat und von der Massenschlägerei in der Oranienburger bei denen die Leute Masken trugen, das sind so Bilder aus einem schlechten Film, und ich fühlte mich auch in einem schlechten Film, als ich das Alexa von der Grunerstraße aus betrat und drinnen der ganze Vorhof mit Lederjacken tragenden Bandidos gefüllt war, richtig so wie man sie aus den Zeitungen kennt: Lederjacken, Ketten, ärmellose Jeansjacken, fette Ohrringe, Sonnenbrillen, Metallgegenstände in den Händen, achtzig oder hundert Typen stand da, eine Testosteronwolke hing dort im Hof, das shoppende Publikum machte große Bogen oder beobachtete aus der Ferne, und weil ich erstmal dachte, in einem schlechten Film zu sein, ging ich auf die Typen zu, und ehe ich es richtig verstand, ließen sie mich einfach vorbei, sie gingen zur Seite und ließen mich vorbei, einfach so, ja warum auch nicht, aber trotzdem, irgendwie verstanden wir das beide nicht, der Bandidohaufen und ich. Doch als ich dann vorüber war (es dauerte ewig) schaute ich mich zur Sicherheit doch noch ein paarmal um, wegen der Sache mit dem Messer im Rücken, das ist ja so bildhaft in der Sprache, dass man gar nicht darum herumkommt, es sich vorzustellen, wenn man daran denkt. Und so halt.

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Am Samstag am Alex gewesen, wir stiegen aus der U8 an die Oberfläche, die Sonne schien uns ins Gesicht, wir blinzelten, und die Jacken, die wir trugen, waren eigentlich zu dick. Die Menschenmengen waren versammelt, unter der ersten Frühlingssonne zusammengekommen, die Gesichter lächelten alle, ausnahmslos, sie lächelten alle, sie lächelten alle, sie lächelten alle. Samstagnachmittag am Alex, zehntausende lächelnde Menschen. Ich sagte zu K, komm, lass uns einmal um den Platz herum laufen, das gibt es so nicht oft.