Diese Ohrwürmer, für die ich so anfällig bin. Es sind wirklich viele und sie sind alle furchtbar albern und repetitiv. Ich summe sie dann immer ein wenig vor mich hin. Manchmal ist es peinlich, manchmal nur ein bisschen komisch. Am achtundzwanzigsten Januar ertappe ich mich immer wieder mit dem gleichen Lied. Wenn ich ein wenig gedankenverloren in der Küche stehe und Dinge schnipsle. Wenn ich Happy Birthday summe. Vor allem das hohe Finale, wie beim Happy birthday, mister president. Immer wieder und wieder. Dann weiß ich, dass ich definitiv zu viel Geburtstag hatte.
[…]
Diese kluge Entscheidung am 24.1. vor dem Abflug nach London zu bloggen und sich fünf Euro für den Ironbloggertopf zu ersparen.
[von wegen Religion]
Die Attentate in Paris waren kein Angriff auf die Freiheit. Sie waren auch kein religiöses Attentat. Und wenn man in Frankreich derzeit von einem kulturellen Attentat spricht — auch das war es nicht. Es war ein Attentat von unausgelasteten, gelangweilten oder ausgeschlossenen jungen Männern, die nach etwas Sinnvollem suchten und der Sexyness einer wütenden und radikalen Bewegung erlegen sind.
Es sind fast immer die gleichen Muster. Die Jungs hätten genau so gut einer rechtsradikalen Lichtgestalt folgen können, einem Guru mit einer Sexsekte oder einem Guru, der zu Massenmord anstiftet. Vor fünfundvierzig Jahren bewaffneten sich die jungen, weißen Männer gegen den amerikanischen Imperialismus. Zwanzig Jahre lang. Harmloser ist es, wenn sie Kleinkriminelle werden, oder die ganz Blöden landen als Gewalttäter bei Fußballfanclubs. Früher waren sie Söldner. Piraten auch. Oder die Männergruppen, die in den Zwanzigern für jene kleine Partei namens NSDAP durch die Straßen patrouillierten. Alles in gutem Glauben. Für junge Männer mit einem muslimischen Hintergrund drängen sich seit einigen Jahren die zahlreichen, mit relgiöser Mystik überladenen Gruppierungen auf. Sie werden gebraucht, ein Gott, der ruft, eine schlechte, vom Geld regierte Welt und diese ganze Welt, die vor ihnen zittert.
Was ist geiler für junge, unausgelastete und ausgeschlossene Männer, als ordentlich den Rocknroll abgehen zu lassen.
Da ist nichts Religiöses oder Politisches oder Kulturelles dran. Es geht um junge Männer die auf Sinnsuche sind.
Was es jetzt nicht besser macht.
[so war 2014]
Januar
Im Januar begann ich eine neue Stelle. Ich leite wieder eine IT-Abteilung.
Ende des Monats sind K und ich für ein paar Tage nach Amsterdam gefahren unsere Geburtstage zu feieren. Sie wurde 40, ich wurde 39.
Februar
Aus dem Februar kann ich mich wenig erinnern. Ich war vermutlich hauptsächlich mit den neuen Aufgaben auf der Arbeit beschäftigt. Die Schonzeit war im Februar schließlich vorbei.
März
Im März bin ich den Berliner Ironbloggern beigetreten. Bloggen und wenn man eine Woche verpasst, zahlt man fünf Euro. Wenn genug Geld beisammen ist, geht man in die Gastwirtschaft und trinkt den Geldpot leer. Super, das. Ironbloggerberlin.
April
Es geht nicht gut bei meinem blauweißen Fußballclub. Es fehlen Tore, Tore, Tore. Zumindest vorne. Hinten gibt es sie, die Tore, Tore, Tore.
Wir werden die Klasse aber halten.
Mai
Im Mai nach Schottland gefahren. Diesmal haben wir die nordöstliche Seite der Highlands besucht und Orkney. Die östliche Seite ist ein bisschen langweilig. Lange Bergrücken, immer leicht bewaldet. Aber der Norden! Tongue, Ullapool, Durness. Woah.
Juni
Im Juni gefühlt nur auf innerdeutschen Dienstreisen gewesen.
Ah und dann war noch die Fußball WM. Länderspiele lassen mich aber, wie üblich, ziemlich kalt.
Juli
Der olle Götze schießt das Siegtor und Deutschland wird Weltmeister. Als einige Stunden später die Mannschaft in Berlin landet und zum Brandenburger Tor fährt, bricht bei uns in der Firma das Internet zusammen, weil alle Mitarbeiter den Stream schauen.
August
Ich fahre wieder eine Woche zu meiner Frau nach Schweden in den Wald.
Bundesligaauftakt. Wir haben ordentlich eingekauft. Internationale Spieler und Stars. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen.
September
Mein Hopfen mag in diesem Jahr nicht so recht und ich weiß nicht warum. Er ist etwa zweieinhalb Meter hoch geworden und will nicht mehr weiterwachsen.
Oktober
Ich fliege mit K nach Chicago. Ich bin zum ersten Mal in den USA und finde es sehr super.
November
Im November sehe ich meine Frau kaum. Wir reisen beide eher viel und zu unterschiedlichen Zeiten, aber im November sehen wir uns so gut wie nicht. Zuerst war sie in Washington, dann ich in Rom, dann sie irgendwo in Bayern, dann ich in Los Angeles und New York, dann sie in Genf und in Franken.
Das hört sich alles sehr glamourös an, in Wirklichkeit ist es aber sehr anstrengend. Sieht aber gut aus, wenn man das so hinschreibt.
Dezember
Irgendwie ist der Dezember in Weihnachtsfeiern und -Umtrünken untergegangen.
JAHRESENDFRAGEN:
Haare länger oder kürzer?
Kürzer.
Mehr Kohle oder weniger?
Mehr.
Mehr ausgegeben oder weniger?
Vom Gefühl her weniger.
Mehr bewegt oder weniger?
Weniger.
Der hirnrissigste Plan?
Eine Brauerei aufzumachen.
Die gefährlichste Unternehmung?
Privat habe ich möglicherweise nichts gefährliches unternommen.
Zumindest nichts blogbares.
Der beste Sex?
Mit K. (Copypaste)
Die teuerste Anschaffung?
Ich habe das Geld noch nicht ausgegeben, aber ich überlege schon das ganzen Jahr zusammen mit Jan eine kleine Braunanlage für 2000€ anzuschaffen. Daran habe ich so oft gedacht, dass es sich wie eine tatsächlich Anschaffung anfühlt.
Das leckerste Essen?
Burger und Deep Dish Pizza in Chicago.
Das beeindruckendste Buch?
Seit Oktober 2013 habe ich kein Buch mehr gelesen. Zumindest keine Fiktion. Das hat Gründe. Ich werde das beizeiten einmal aufschreiben.
Der ergreifendste Film?
Serien zählen auch. Richtig? Da wäre »The Leftovers«. 2% der Menschen verschwinden auf unerklärliche Weise. Die Geschichte dieser Serie beginnt zwei Jahre nach diesem Verschwinden. Die Geschichte der Übriggebliebenen. Eine sehr bewegende und düstere Sozialstudie.
Die beste Musik?
Max Richter. Über den Soundtrack von »The Leftovers« aufmerksam geworden.
Das schönste Konzert?
Einstuerzende Neubauten im Tempodrom.
Die meiste Zeit verbracht mit …?
K
Die schönste Zeit verbracht mit …?
K
Vorherrschendes Gefühl 2014?
Mich für viel eingesetzt und dabei erfolgreich gewesen.
2013 zum ersten Mal getan?
In die USA geflogen.
2014 nach langer Zeit wieder getan?
In einem Punkkonzert gewesen. Am Ende des Abends hatte ich gemischte Gefühle. Es beschäftigte mich, wie seltsam das Publikum in einer anarchischen Pose erstarrt geblieben war.
Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?
1) zwei große Ausfälle der IT Infrastruktur in meiner Firma.
2) das fühlte sich an wie drei Dinge.
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Dass ich ungerne so weit fliege (Chicago). (Überzeugungsversuch misslang).
Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Vermutlich die Reise nach Amsterdam -> ich habe nicht nachgefragt.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Ein Braukurs.
Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
Ich finde, du bist ein guter Chef.
Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
Baby, lass uns nach Chicago fliegen.
2014 war mit einem Wort …?
Super.
[in den Tiefen der Blogs]
Jana und Volker haben ein Ebook mit einigen ihrer Lieblingstexte aus Blogs zusammengestellt. Es heißt „In den Tiefen der Blogs“ und beinhaltet auch ein paar kurze Texte von mir. Es sind die Tagebuchnotizen von meinen Ost- und Nordseebesuchen.
Das Ebook ist sehr hübsch geworden. Es kostet nichts und ist downzuloaden bei Edition Barnimkante.
(Mein Portraitfoto habe ich so freigegeben. Ich weiß allerdings nicht mehr warum)
(Vielen Dank)
[fb #5]
Ein Samstag mit Beissern und Tretern. (Walking Dead und Fußball)
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Ich bin nicht nur ein DINK (Double income no kids), ich bin auch ein PUNK (Professional uncle no kids).
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Aus Trostessen wird Tristessen. (Da haben sich ja zwei gefunden)
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„Mama, was bedeutet romantisch?“
„Romantisch bedeutet: gemütlich“
(Kein Wunder, dass in Deutschland keine heißblütigen Liebhaber produziert werden)
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Er: Betreiben Sie Risikosportarten?
Ich: Ich gucke Hertha.
Das fand er lustig. Ich nur ein bisschen.
[blubb]
Wie der Gerstensaft da auf meinem Wohnzimmerboden vor sich hinblubbert, mensch, ich könnte dem stundenlang zugucken.
[ohr]
Die Ohrenärztin hat mir zuerst die bösen Sachen aus den Ohren rausgenommen und dann die guten Sachen in die Ohren hineingesteckt. Ich müsse die guten Sachen zwei Tage in mir behalten, sagt sie. Danach sage ich, ich würde fast nichts mehr hören. Meine Ärztin antwortet mir, sie nickt und bewegt die Lippen, aber aus meinem seltsamen Aquarium klingt sie wie ganz weit weg, dumpf, mein Herzschlag übertönt sie. Sie gibt mir einen Zettel mit. Salben. Ich schwanke in die U-Bahn, gehe in die Apotheke, zeige der Frau an der Kasse den Zettel, sie sagt etwas, ich nicke einfach, schaue auf die Kasse, sehe den Preis und bezahle. Ich gehe ins Büro, ich werde angesprochen, ich sage, ich höre nichts, die Leute finden das lustig, ich rede so laut, so viel und so schnell, dass niemand die Chance bekommt, das Gespräch zu übernehmen. Würde ich das Gespräch aus der Hand geben, würde ich hoffnungslos untergehen. Die Konversationen gehen von mir aus, in den Meetings, ich sage vorher, dass ich nichts höre, und fange an zu reden. Superpraktisch das, ich muss nicht mehr zuhören. Hätte ich viel früher machen sollen.
[notizen, LA/NY]
Im Flieger nach Los Angeles »Boyhood« geschaut. Das ist der Film, der tatsächlich über zwölf Jahre hinweg gedreht wurde. Eigentlich habe ich nur wie ein verliebter Hamster dagesessen und Patricia Arquette beim Altern zugeschaut. Wie sie immer dicker, älter und schöner wird. Erstaunlich, das.
Ganz nebenbei erzählt der Film von der Vergänglichkeit, von der kindlichen Erwartung an die Liebe, die Enttäuschungen und vor allem über dessen Banalität. Der Film hat mich zu vielen Gedanken angeregt, ich muss das alles einmal ordnen und aufschreiben.
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Zum ersten Mal am Pazifik gewesen. So sah der Blick aus der Firmenwohnung aus:
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Der Pazifik ist so laut, man kann genau so gut an einer Autobahn schlafen.
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Ich verstehe Los Angeles nicht ganz. Leider hatte ich so viele Termine, dass ich nicht nach Downtown oder Hollywood fahren konnte. Vielleicht würde sich die Stadt mir dann eher erschließen. Diese Entfernungen. Wir fahren durch ein Meer an Flachbauten. Flachbau an Flachbau an Flachbau. Ampel an Ampel an Ampel. Es würde anderthalb Stunden bis nach Downtown dauern, es gibt nicht wirklich Bahnen. Zu Starbucks „around the corner“ fährt man mit dem Auto. Es befindet sich zwei Straßen weiter. Später habe ich gesehen, dass man die Strecke tatsächlich kaum laufen kann. Es gibt nur einen Zebrastreifen, der einen Umweg bedeutet, und die Strecke ist nicht durchgehend mit Gehsteigen ausgestattet. Der Rest der Grundstücke ist privat. Mich fasziniert das total.
Das Wetter. Fünfundzwanzig Grad Mitte November, das ist schon toll. Positiv auch: Palmen. Zumindest am ersten Tag. Fotos von Palmen kann man allen Freunden ins kalte Europa schicken und alberne Grinsesmileys anfügen. Ich weiß nicht, warum man so etwas macht. Vielleicht wie mit dem Fotografieren von Essen, das drängt sich so auf. Überhaupt habe ich in Los Angeles nur Essen und Palmen fotografiert. Und ein Selfie am Pazifik. Und den Pazifik natürlich. Und meine Füße im Sand. Aber kaum etwas von der Stadt an sich. Vielleicht sagt das etwas über die Stadt aus. Sie ist nicht sehr anwesend, sie fühlt sich nicht sehr nach Stadt an, eher wie eine riesige Vorstadt, Reihenhaus an Reihenhaus. Die Hochhäuser der Downtown habe ich aus der Ferne gesehen, als wir über eine Brücke des Freeways fuhren. Zum Essen waren wir in einem Einkaufszentrum verabredet. Dort gab es Restaurants und auch Bars. Auf die Frage, ob die das immer so machen, essen zu gehen in Einkaufszentren, bekam ich unbefriedigende Antworten. Das meine ich damit, wenn ich sage, ich hätte LA nicht ganz verstanden. Ich muss da wieder hin. Ich bilde mir ein, dass dieser Erkentnisgewinn unerlässlich ist um einen Teil der Zivilisation zu verstehen. Das ist mir noch nie passiert, das Gefühl, einen Ort nicht verstanden zu haben. Mir ist durchaus bewusst, dass man als Besucher in wenigen Tagen keine Stadt wirklich verstehen kann, ich meine nur, dass mich LA völlig verständnislos zurückgelassen hat. Das fällt mir schwer zu akzeptieren.
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Im Flugzeug nach New York saß Captain Picard zwei Reihen hinter mir. Ich muss gleich googlen wie der richtig heißt, ich kann ja nicht jedem erzählen Captain Picard hätte im Flugzeug zwei Reihen hinter mir gesessen.
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New York saugt mich auf. Das ahnte ich schon vorher. Sicherlich bin ich geblendet von allen Bildern, die sich im Laufe der Jahre über diese Stadt angesammelt haben. Ich gehe durch die Stadt und habe das Gefühl, dass alles sehr magisch ist. New York hat eine immense Wirkung, sie ist sehr physisch. Ich bin glücklicherweise übers Wochenende da und habe Zeit, die Stadt zu verstehen. Um mir zum Einstieg einen schnellen Überblick zu verschaffen steige ich in einen dieser Hop-on-hopp-off Busse ein und fahre bei drei Plusgraden im offenen Bus stundenlang durch die Stadt. Ich nehme auch noch die zweite Tour durch das nördliche Manhattan. Irgendwo in Harlem verlasse ich als Eisklumpen den Bus und muss mich in einem Ubahn-schacht auftauen.
[keine weiteren Notizen mehr gemacht]






