Am Samstag lud Hertha die offiziellen Fanclubs auf das Olympiagelände zu einer Weihnachtsfeier ein. Es war eine kühle Angelegenheit bei -1 Grad und Schneeregen. Es gab Stände mit Trinken, Essen und Weihnachtskrams. Die Spieler verteilten Glühwein und Tombola Lose. Die jungen Mitglieder aus meinem Fanclub wollten sich mit den Spielern ablichten. Die Spieler waren sehr geduldig, liessen sich umarmen und schnitten alberne Grimassen in die Kamera. Das war schon sehr nett. Es hätte auch die Möglichkeit gegeben mit denen zu quatschen, möglicherweise hätte man ein paar Infos bekommen, über die sie niemals vor einem Mikrophon reden würden, aber mir ist das unangenehm. Es wundert mich ohnehin, dass die Stimmung nach der Niederlage vom Freitag, die mittlerweile zu einer Krise ausgewachsen ist, so gelassen war.
Der Trainer, der momentan im Zentrum der Kritik steht, war auch da. Fanclubfreundin K schimpfte den halben Abend über den Trainer. Dann liefen wir zufällig an ihm vorbei und ich sagte „Hallo Trainer, meine Freundin möchte ein Foto mit dir“. Er schien sich zu freuen. Die Freundin aus dem Fanclub lächelte in die Kamera und hob den Daumen. Danach war sie stinkesauer auf mich. Aber in Wirklichkeit fand sie das sicherlich super.
Der kalte Wind wurde immer unerträglicher.
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Heute beschlossen wir, den Tag im Wohnzimmer zu verbringen. Wir schauten „Say Nothing“, die Verfilmung der sogenannten „Troubles“ in Belfast, Nordirland. Die Geschichte basiert auf den vertraulich gemeinten, aber später zur Veröffentlichung gezwungenen Interviews mit der hochrangigen IRA Paramilitärin Dolours Price und ihrem Weggefährten Brendan Hughes. Sie erzählen von der Zeit zwischen Ende der Sechziger, als der Konflikt aufflammte, bis in die Neunziger, als Sinn Fein den Waffenstillstand und das Friedensabkommen unterzeichneten.
Leider wird wenig über die gesellschaftlichen Voraussetzungen berichtet, die zur Eskalation führten. Inwiefern die katholische Minderheit unterdrückt wurde, wie sich das im Alltag zeigte. Das wird lediglich in einigen Dialogen erwähnt. Die Serie macht die Gründe des Konfliktes nicht erfahrbar. Sie steigt an jener Stelle ein, wo die beiden Price-Schwestern sich radikalisieren. Es ist aber dennoch eine sehr gut erzählte Geschichte. Wir klebten den ganzen Tag lang am Bildschirm und drückten auf Pause, wenn jemand auf die Toilette ging oder sich ein Brot schmierte.
Die ganze Zeit über erschlich mich dennoch ein unbehagliches Gefühl. Wenn ich zu jener Zeit als neunzehnjähriger junger Mann in einer katholischen Familie in West-Belfast gelebt hätte, würde ich mich möglicherweise auch dem bewaffneten Widerstand angeschlossen haben.
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Die Hündin wurde heute 3 Jahre alt. Sie versteht das Konzept nicht. Aber für eine Fleischtorte macht sie alles: