Am Freitagmorgen brachte ich die Schwiegereltern zum Flughafen. Direkt danach brachte ich einen gemieteten Rollstuhl zurück nach Mahlsdorf. Wir dachten, ein Rollstuhl sei praktisch, etwas mobiler zu sein, die Schwiemu ist nicht mehr so gut zu Fuss unterwegs. Wir verwendeten ihn nur einmal, als wir mittags zum Griechen gingen. Wir hatten den billigsten Stuhl gemietet, weil wir keine Erfahrung mit Rollstühlen haben und auch nicht wussten, worauf man da achten muss.
Aber es war dann ein wackeliges Teil, mit dem man auch kaum über abgesenkte Bordsteine oder Tramgleise kam. Ich bilde mir ein, dass das ein Qualitätskriterium sein könnte. „Mit diesem Stuhl kommen sie über jedes Tramgleis“. Als wir einmal auf den Gleisen steckenblieben, sagte ich zu meiner Schwiegermutter: „Lass uns einfach hierbleiben. Die Sonne scheint. Hier ist auch schön.“
Das fand sie lustig. Sie findet unerhörte Witze immer lustig.
Am späten Nachmittag fuhr ich ins Olympiastadion zum Heimspiel gegen Magdeburg. Weil wir nur 1:1 spielten, ist der (von mir immer noch blauäugig erhoffte) Aufstieg damit auch rechnerisch nicht mehr möglich. Immerhin haben wir rechnerisch jetzt auch den Abstieg verhindert. Es wird also ein weiteres Jahr zweite Liga. In meinem Fanclub und auch im Verein scheint sich niemand wirklich daran zu stören. Der sportliche Erfolg ist nach den verrückten und verhassten Investorenjahren irgendwie zweitrangig geworden. Solange die Mannschaft Einsatz zeigt und wir sportlich nicht abstürzen, scheint es auch in der zweiten Liga angenehm zu sein, die an vielen Spieltagen einen höheren Zuschauerschnitt hatte als die von Firmen und Investoren gepamperte erste Liga. Nächstes Jahr wird das natürlich anders, wenn der HSV und Köln wieder aufsteigen.
Ach.
Ich weiss oft gar nicht, warum ich überhaupt zum Fussball gehe.
Heute hingen meine Frau und ich ein bisschen rum, schauten fern. Auch konnte ich in den Amazon-Statistiken sehen, dass eine Person die komplette Novelle ausgelesen hat. Das freute mich natürlich. Aber sonst passierte wenig. Ich war natürlich gespannt, ob sich der Abdruck in der Jungle World bemerkbar machte. Tat er nicht. Vielleicht hängt das aber auch mit dem Publikum dieser Zeitung zusammen. Amazon trägt mittlerweile schliesslich Hörner und hält eine Heugabel in der Form eines Hakenkreuzes in der Hand.
Ich finde es dennoch erstaunlich, wie wenig es sich auf die Verkäufe auswirkt. Das war beim Abdruck im ND auch schon so. Immerhin sind mir die Einkünfte nicht wichtig. Ich frage mich allerdings, was das medientechnisch bedeutet, wenn Zeitungen mit 16.000 Exemplaren keinen einzigen Verkauf generieren. Es kann natürlich auch am Text liegen bzw. an dem Thema. Und ich will mich auch nicht beklagen. Ich denke nur laut.
Am Abend waren wir bei der Traveling Lady verabredet. Sie hatte zu einem Frühlingsfest geladen und Bowle gemacht. Einige meiner Freunde waren anwesend und viele ihrer Gäste kamen aus einem internationalen Umfeld. Menschen aus England, Frankreich und Südamerika. Eine Frau, mit der ich mich unterhielt, hatte einen ungarischen Akzent. Ihr Zungenschlag glich dem der Menschen, die in Sisi-Filmen Ungarn spielen. Ich habe zu Ungarn durchaus positive Gefühle. Unser langjähriger ehemaliger Fussballtrainer ist Ungar, zudem mag ich Gulasch und überhaupt. Der Diktator Orban ist natürlich keine gute Sache, aber es beeinflusst meine positiven Gefühle wenig. Also riet ich ihre Herkunft und sagte: Ungarn. Ein Raunen ging durch die Runde. Sie war Polin. Ungarn kam nicht gut an. Wir tranken dennoch Bowle zusammen.
Es war ein guter Abend mit lauter guten Menschen.
