Reizarmut.
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Ich weiß jetzt gar nicht mehr, wo ich aufhörte zu berichten. Inzwischen sind viele Tage vergangen und ich verlor die Übersicht über die Zeit, jedoch machte ich mir ein paar Notizen, an denen ich mich entlanghangeln kann. Ganz oben steht „Reizarmut“. Ich glaube, das ist es, was das Leben im Wald ausmacht. Reize. Es gibt hier schon Reize. Man kann sie sich aber händisch aussuchen. Und falls man wirklich einmal eine Überflutung braucht, schaut man eben ins Netz. Aber: Auch das wird immer reizloser, je mehr Zeit vergeht.
Die Travelling Lady war zwei Tage da. . Mit ihrem Hund. War supernett. Wir fuhren zu einem zwei Kilometer entfernten See, der übersetzt „Bärensee“ heißt. Es gibt da aber keine Bären mehr. Wir besitzen beide ein Faltkajak von der Marke Oru und so stachen wir ins Wasser. Mitten auf dem See wehten starke Winde. In ruhigeren Buchten hielten wir ein paarmal an und legten den Kopf nach hinten. Ich schloss die Augen. Ich hörte Wind. Und irgendwo aus weiter Ferne wehte das Brummen einer Motorsäge übers Wasser zu uns her. Beim Abpaddeln der Ufer sahen wir vereinzelte Holzhäuser im Wald stehen. Gut versteckt zwischen den Bäumen. Ich glaube nicht, dass die Leute hier Strom haben. Diese Häuser scheinen wesentlich abgelegener als unser Haus, das selbst schon am Ende eines Stromstranges liegt. Zu diesen Häusern führt kein befestigter Weg, Zumindest keinen, den man auf der Satellitenansicht von Googlemaps erkennen könnte.
Vorher, als wir noch durch die Waldwege fuhren, kam uns plötzlich ein Auto entgegen. Schon das passiert hier selten. Dann war es auch noch ein Auto mit Berliner Kennzeichen. Das Auto trafen wir später auch am Ufer dieses Bärensees. Natürlich sprachen wir einander an. Frau und Mann mit zwei Söhnen. Haben auf Komoot gelesen, dass man an dem See gut fischen kann. Allerdings stellten sie fest, dass das Ufer ziemlich flach ist, das wird daher eher schwierig. Ein bisschen neidisch schauten sie deswegen auf unsere Kajaks.
Mehr hatten wir allerdings nicht zu besprechen. Später trafen wir sie noch einmal, als wir mit unseren Kajaks über den See in eine andere Bucht einfuhren. Da kamen sie aus den Büschen hervor und schienen eine gute Stelle gefunden zu haben. Wir begrüßten uns wie alte Bekannte.
Des Weiteren habe ich „Gasflasche“ in meinem Büchlein notiert. Was wir jetzt gelernt haben: Deutsche Anschlüsse für Gasflaschen sind anders als schwedische. Wir haben in Berlin nämlich einen dieser superheißen, gasbetriebenen Pizzaöfen gekauft und uns darauf gefreut, dass wir den ganzen Urlaub über jeden zweiten Tag Pizza essen werden. Aber deutsche Pizzaöfen kann man nicht mit schwedischen Gasflaschen betreiben.
Nach mehr als zwei Wochen fanden wir nun einen Adapter. Da wir am Sonntag wieder nach Berlin fahren, bleiben uns immerhin noch drei Pizzatage. Zumindest wenn uns nicht wieder der Teig stirbt. Unser Berliner Nachbar und Küchenchef hat uns sein Privatrezept für Pizzateig offenbart. Meine Frau und ich sind aber keine ausgewiesenen Spezis im Umgang mit Teig. Dass Teig aber sterben kann, wissen wir jetzt. Immerhin schön dramatisch.
Statt Pizza zu essen, grillten wir letzte Woche ein paar Mal. Zur Ankunft der Traveling Lady wollten wir eigentlich Pizza backen. Weil Pizza aus obengenannten Gründen aber nicht gelingen wollte, planten wir, mit der Gästin zu grillen. Weil wir mittlerweile aber keine Lust mehr hatten, zu grillen, aßen wir etwas anderes. Ich kann mich aber nicht mehr erinnern, was das war. War aber auch lecker.
Regen.
Es regnete nur an den ersten beiden Tagen. Hier ist es ständig etwa zwei oder drei Grad wärmer als in Berlin. In Berlin geht hingegen richtig der Regen nieder. Jetzt fürchte ich mich ein bisschen vor dem August. Ich hatte nämlich die Hoffnung, dass ich in Schweden den heißen Berliner Julitagen entfliehen kann. Wenn ich Anfang August zurückkomme, dann gibt es hoffentlich nur noch wenige Hitzetage. So die Hoffnung. Allerdings fürchte ich nun, dass sich der Sommer rächt und im August einmal richtig über Berlin hereinbrennt. Muss ja sein, schon nur aus statistischen Gründen.
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Hm, vielleicht stolpere ich nur über den Begriff „Reizarmut“ im Zusammenhang mit Wald. Wahrscheinlich muss ich es mehr als „Ruhe“ lesen. Ich könnte stundenlang in Wäldern herumlaufen oder stehen. Der Sonne dabei zugucken, wie sie durch Baumwipfel spielt. Insbesondere die Wälder im Norden kommen sehr unberührt daher, mit ihren bemoosten Stämmen, blau- und preißelbeer-überwuchertem Boden und von Flechten überzogenen Steinen. Der Geruch! Diese Stille! Spät im Sommer, bzw. früh im Herbst regt sich kaum noch etwas in den Wäldern, selten piepst ein Vogel. Und man ist dort sehr allein. Meine Wanderung an der Bråviken-Bucht damals 2016 wird mir sicher immer in Erinnerung bleiben. Ich will in den Wald. Jetzt.