[Mi, 29.10.2025 – Strukturen, Amanda Knox]

Aufgrund von logistischen Problemen brachte ich meine Frau mit dem Auto zum Flughafen. Ich fahre nicht gerne im Berufsverkehr mit dem Auto durch die Stadt, allerdings freute ich mich darauf, das erste Mal den neuen Autobahnabschnitt der A100 zu befahren. Ich freue mich schon seit langem darauf. Es ist mein Zugang zur Autobahn, wenn ich nach Süden oder Westen muss. Potsdam, Westdeutschland, Flughafen, Südtirol. Endlich muss ich nicht mehr durch die engen Wohnstraßen Treptows fahren. Oder schlimmer noch: durch die Stadt, Alex, Potsdamer Platz, Schöneberg. Ich kann mir vorstellen, dass die Menschen an der Köpenicker Landstraße und am Baumschulenweg jetzt alle ein bisschen glücklicher geworden sind. Ich freue mich auch darauf, wenn die A100 weitergebaut wird. Auch wenn ich eher überzeugter Radfahrer bin und es mich aufregt, dass die CDU alle Radwegprojekte ausbremst. Aber die A100 finde ich gut. Ich finde auch fast alle anderen Infrastrukturprojekte gut: Windräder, Hochhäuser am Alex, die Hochhäuser an der Warschauer, Hochhäuser überhaupt, schöne Gebäude, Gebäude, die kontrovers sind, die Skulpturalität der Stadt, Identität auch. Ich war nie strukturkonservativ und natürlich nie wertekonservativ. Es heißt ja immer, man kann nicht beides sein. Ich schon. Ich war immer liberal, nie konservativ, und je älter ich werde, desto liberaler werde ich, während um mich herum alle zunehmend konservativer werden.

Mein Lektor Klaus hat übrigens Amanda Knox für den ND interviewt. Ihm erging es wie mir. Wir denken immer noch, dass Amanda Knox eine Sexmörderin war. Der Engel mit den Eisaugen, remember. Wie sich die Welt an dieser Geschichte der eiskalten Mörderin im Sexrausch aufgeilte. Letztes Jahr im Frühjahr, hörten meine Frau und ich beim Renovieren den deutschsprachigen Podcast „Judging Amanda Knox“, eine sechsteilige Reportage über die Rolle der Medien im Fall Amanda Knox. Auch wir waren der Annahme, dass sie schuldig war, aber irgendwie ihren Hals aus dem Strick gezogen hatte und in die USA geflüchtet war. Das Gegenteil ist der Fall. Der wahre Mörder (ein völlig anderer Mann aus einem ganz anderen Kontext) ist längst gefunden und war auch bereits während der Ermittlungen stark belastet und offensichtlich der Mörder. Aber alle stürzten sich auf Amanda Knox. Wofür sie für vier Jahre in den Knast kam. Erwähnenswert ist dabei auch, dass sich niemand für den männlichen Mitmörder, ihren damaligen italienischen Freund, interessierte, sondern alle den schönen Engel mit den Eisaugen schuldig wissen wollten. Ein unfassbarer Skandal.

Klaus hatte ein YouTube-Video darüber gesehen und war schockiert. Weil auch er noch einer anderen Annahme war. Also rief er sie an. Finde ich cool.

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