Morgen fahren wir wieder nach Berlin. Eigentlich wollte ich heute keine Wäsche mehr waschen, aber am Abend waren wir mit Freunden zum Abendessen im Bruschetta verabredet, eine frisch gewaschene Hose käme mir also durchaus gelegen. Ich hatte sonst nämlich nur die ausgebeulte und schmutzige Joggingshose, die ich nur für Wanderungen und für die lange Autofahrt anziehe. Meine Mutter meinte, ich könnte einfach meine Wäsche waschen und sie würde sie nachher zu meiner Schwester bringen, die einen Trockner besitzt, dann hätte ich am Abend eine saubere Hose.
Also ging ich tagsüber mit meiner Schwester und der Hündin auf eine kleine Wanderung nach Meran2000, in guter Hoffnung, dass ich abends gepflegt gekleidet meine Freunde treffen würde. Ich hatte die ganze Zeit schon eine Vorahnung. Falls der Plan schiefgeht, wird man mich auslachen: Wie leichtgläubig konnte ich bloß sein, einer dementen Frau zu vertrauen, dass sie sich an eine solche komplizierte Abmachung erinnert. Andererseits gehe ich solche Projekte immer optimistisch an. Als ich kurz vor der Abendverabredung zu meiner Mutter zurückkam, um mich umzuziehen, hing die Hose bei minus zwei Grad auf dem Balkon und war zwar nicht nass, aber gefroren und steif. Ich war natürlich nicht sauer auf sie, es war schließlich mein Fehler gewesen. Immerhin hatte ich ein schönes Hemd und eine schöne Anzugsweste. Darunter trug ich die ausgebeulte Jogginghose. Weil ich vor allen anderen da war, und das Bruschetta an der Romstraße ohnehin ein charmantes und chaotisches Restaurant ist, fiel es niemandem auf.
Wir aßen einen maritimen Antipasti-Teller als Vorspeise. Darauf lagen verschiedene Meerestiere. Auch eine Austernmuschel. Nur eine einzige. Mein Freund fragte mich, ob ich die haben wollte. Ich verneinte. Ich bin noch eine Austern-Jungfrau. Irgendwann werde ich sicherlich in der Stimmung sein, eine Auster zu essen, aber heute war mir nicht danach, entjungfert zu werden.
Die Freundin hat Brustkrebs. Im Januar wird sie operiert. Sie hat trotzdem gute Laune. Man kann die Situation nicht ändern. Sie kann nur abwarten, was passiert. Sie scherzt darüber. Sie hat bereits mehrmals die Krebskarte gezogen, wie sie sagt, wenn sie mal etwas erreichen wollte, das ihr sonst nicht verwehrt blieb. Im Sommer werden sie mit uns nach Schweden fahren. Wir freuen uns.
