[heimatministrantentum]

Das soll jetzt kein Bayern-Rant werden. Wirklich nicht. Ich kenne viele tolle Bayern, sei es persönlich, wie auch alle Bayern, die in meinem persönlichen Internet auftauchen, ich aber nur vom Lesen kenne. Und überhaupt München. München ist ja gar nicht Bayern. Aber ich muss zuerst meine negativen Gefühle über Bayern erklären, oder besser gesagt, über einen gewissen Bajuwarismus, um den Bogen gespannt zu kriegen.

Als Südtiroler waren meine Gefühle für Deutschland immer zwiespältig. Dachte ich an Deutschland, dachte ich früher meist an dieses große, reiche Land im Norden mit den großen Menschen und dem vielen Geld und den starken Autos. Ich bin natürlich bajuwarisch geprägt, da ich aus Südtirol komme und Südtirol mehr mit München gemein hat als mit Wien oder Venedig. Mir war er immer zuwider, dieser Lederhosenhabitus, zum einen weil er wenig raffiniert ist, wenig städtisch, wenig elegant, wenig fortschrittlich. Wenig subversiv. War ich in Bayern, und das war ich in meiner Kindheit oft, hatte ich immer das Gefühl von reichgewordenen Bauern umgeben zu sein. Luschtig und rote Backen, irgendwie sympathisch, aber eben doch überheblich und nicht sehr der Welt zugewandt. In den neunzigern wurde Bayern dann wirtschaftlich immer erfolgreicher. Die Luschtigkeit blieb, aber die Überheblichkeit und die die Abgewandheit verschlimmerte sich in meiner Wahrnehmungswelt sehr.

Als ich in den Neunzigern per Anhalter oder Interrail durch Europa fuhr, gab es all diese aufregenden Städte wie London, Antwerpen, Amsterdam, Paris, Berlin, Prag, Wien, Hamburg, Kopenhagen, Göteborg, Mailand, überall gab es diese wilden Subkulturen, diese Brutstätten, diese urbanen Sumpflandschaften von Musik, Poesie, Kunst und der Experimente, überall gab es diese Subkultur des Liberalismus.
Damals schon machte ich um Bayern einen Bogen. In Bayern gab es keine besetzten Häuser, in Bayern gab es keine coolen Bands, keine düsteren Bars. Dafür gab es die unsympatischsten Polizisten die mir je begegnet sind.

Ein Grund warum ich damals in die Niederlande zog, war das Gefühl mich nicht einem konservativen, traditionellen Heimatbegriff einfügen zu müssen. Ja, es gibt dort Tulpen und hölzerne Klompen, aber das ist Folklore, den niederländischen Heimatbegriff empfand ich immer als sehr offen und interpretierbar, mehr mit einer ideeellen, inneren oder sehr persönlichen Heimat verbunden.
Oder eine verhandelbare Heimat. In den Niederlanden fühlte ich mich sehr heimisch. Der Leitsatz, zu machen was man will, aber niemand anderen damit zu belästigen; so stellte ich mir die Welt vor. In Utrecht ging ich oft mit Holzschuhen in den Supermarkt. Vermutlich als einziger Mensch der Welt.

Jetzt lebe ich in Berlin. Die Stadt der Heimatlosen. Ich habe oft das Gefühl, dass sich in Berlin alle Leute treffen, die keine Heimat haben. Als wären wir alle hergekommen um uns unsere eigene Heimat zu bauen. Jeder seine eigene vielleicht oder wir alle eine Heimat in der wir uns heimisch fühlen. Sei es in den Kiezen, im Stadion, beim Feierabendbier am Kickertisch, in der U8. Eine verhandelbare Heimat.
Ich weiß immer sofort, wer die Stadt in einigen Jahren wieder verlassen wird. Das sind die Leute die eine andere Art von Heimweh haben als ich.

Nun will ich niemandem seine Heimat absprechen. Erst recht nicht einem Bayern, die ihr Bayern sicherlich sehr angenehm und schön finden und das will ich gar nicht schlechtreden. Gerade das, was ich nicht mag, gibt jemand anderem ein Gefühl der Sicherheit. Oder für Leute, die seit Generationen in ihrem Landstrich leben, das ist auch ein soziales Netz, das die Menschen hält, ich glaube schon, dass das wichtig ist.
Aber my Heimat is not your Heimat. Es ist diese Übergriffigkeit mit der dieses Heimatministerium auf mich wirkt.

Nun weiß vermutlich noch kaum jemand, außer Horst Seehofer natürlich, wie dieses Heimatministerium aussehen wird, und vielleicht ist alles auch ganz harmlos, aber ich habe ein Problem damit, wenn konservative Bayern die Deutingshoheit über den Begriff der Heimat bekommen. Wenn so ein Heimatministrant von der CSU über Heimat redet, klingt das für mich immer ein bisschen herrenvölkisch, der den Finanzausgleich-Nehmerländern die Kultur beibringt.

Und eigentlich habe ich gar nichts gegen Bayern. Es stört mich ja schon, dass dieses Bundesland jetzt für so viele negative Gefühle meinerseits herhalten muss. Sorry dafür. In Wirklichkeit meine ich nicht eure schöne Heimat. Vermutlich geht es nur um die CSU.

4 Kommentare

  1. »Übergriffigkeit« auf die »verhandelbare Heimat« – Das ist das Wort, das ich lang schon dafür suchte. Danke.

  2. Kann ich alles genauso unterschreiben – auf den Punkt gebracht!

    Und auch ganz wichtig: Welchen Kickertisch kannst du empfehlen?

  3. Also jede seriöse Firma sollte einen Kickertisch zur Verfügung stellen. Ansonsten fand ich den „Platzwart“ in der Manteuffelstraße immer gut. Leider Raucher.

    • Selbstverständlich übe ich jeden Tag in meiner Mittagspause im Büro, wir sind so eine seriöse Firma. Nur die Gegner sind halt auch immer dieselben und es wird selten Alkohol dazu gereicht. Platzwart schau ich mir mal an. So spontan fällt mir tatsächlich keine Kneipe mit Kickertisch ein, in der nicht geraucht wird.

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