[Montag, 19.4.2021]

Das war ein Scheissmorgen. Ich fuhr ins Büro, setzte mich an den Schreibtisch, wollte den Laptop aus der Tasche ziehen und merkte, dass da nur mein Essen drin war, aber kein Laptop. Ohne Laptop kann ich nicht arbeiten, also stellte ich das Essen auf den Schreibtisch um mich von unnötigem Gewicht zu befreien, ging runter zu meinem Fahrrad und fuhr wieder nach Hause.

Als ich zuhause ankam, hatte ich also fast 60 Minuten intensives Fahrradfahren hinter mir. Ich war erstaunt darüber, wie sehr mich das erschöpfte. 30 Minuten intensives Fahren ist überhaupt kein Problem, ich fahre sie jeden Tag. Bei Schnee, bei Regen, immer. Und dann wieder am Abend 30 Minuten nach Hause. Diese Minuten aber alle an einem Stück zu fahren nimmt meinem Körper die Kraft. Das fand ich erstaunlich.

Ich blieb zuerst zuhause, um mich zu erholen, hielt ein paar Calls ab, aber ich musste wieder ins Büro, schließlich hatte ich ja mein Essen auf den Schreibtisch gestellt, es würde verderben. Kurz nach Mittag fuhr ich also wieder los.

Im Innenhof traf ich meinen Nachbarn. Er fragte mich, ob mein Fahrrad kaputt sei. Ich schaute auf mein Fahrrad hinab und fragte: nein, warum? Er sagte, er dachte ich hätte ein anderes Fahrrad.
Ich muss zugeben, dass mein Fahrrad etwas abgerockt aussieht. Meine Fahrräder sahen immer schon abgerockt aus. Und wenn sie neu sind, dann sehen sie sehr schnell immer sehr abgerockt aus. Ein Fahrrad ist für mich ein Vehikel mit dem ich schnell und unkompliziert von A nach B komme. Dass mein Fahrrad als Notlösung betrachtet wird, finde ich dennoch ein bisschen lustig. Außerdem bin ich ein bisschen stolz darauf, nicht zu diesen tüddeligen Leuten zu gehören, die erst bei zweistelligen Plustemperaturen und Sonnenschein ihre seltsamen und unbequemen vintage Rennräder hervorziehen um danach Angst vor Kratzern und Schlaglöchern zu haben.

In der Wallstraße unweit vom Spittelmarkt fanden Filmarbeiten statt. Die Cinemobils hingen da schon bei meiner Fahrt am Morgen herum, aber die Straße war da lediglich für Autos gesperrt. Mit dem Rad konnte man noch ungehindert durchfahren. Jetzt am Nachmittag, war es auch für mich untersagt. Ich sollte einen Umweg nehmen. Rechts war die Brücke gesperrt, ich hätte einen riesigen Umweg nehmen müssen. Links war der Umweg vielleicht ein wenig kürzer aber sehr kompliziert.
Ich hatte gleich einen Call und würde zu spät kommen. Die Fahrt war genau so geplant, dass ich zwischen zwei Calls ins Büro fahren kann. Ich ärgerte mich sehr und ließ das Sicherheitspersonal meinen Ärger spüren, ich versuchte dabei aber ruhig zu bleiben und nicht persönlich oder aggressiv zu werden, sondern regte mich nur über die deutsche Filmindustrie auf, dass den uninspirierten deutschen Filmkäse ja ohnehin niemand sehen will. Ich stand da seltsam verloren herum und wusste nicht welchen Umweg ich nehmen sollte, und schwörte währenddessen mir selber und dem Sicherheitspersonal, dass ich nie wieder eine deutsche Produktion sehen werde, auch nicht wenn sie von Netflix ist.
Vermutlich bin ich total peinlich.

Als ich mich für einen Umweg entschieden hatte und losfahren wollte, kam mir Frau Modeste entgegen. Die Freude ist groß. Auch sie wird zu einem Umweg gezwungen. Ich bekräftige, dass ich nie wieder ein deutsche Filmproduktion schauen werde, auch wenn sie für für Netflix gedreht wird.

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Ich habe heute zwei Mitarbeiterinnengespräche. Bei beiden Gesprächen gehen wir raus in die Sonne und wärmen uns.

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In Longyearbyen ist die Sonne gestern das letzte Mal untergegangen. Jetzt dreht sie bis zum 25. August am Himmel ihre Kreise.