Heute früh taten wir etwas sehr ungewöhnliches. Nachdem ich meine Frau weckte, setzten wir uns auf den Balkon und tranken dort unseren Kaffee. Das haben wir noch nie gemacht. Und das war sehr schön.
Wir reden über Bars. Wie anders man in Italien in Bars geht. Als ich ein sechzehnjähriger Lehrling war, traf ich mich mit meinen Kolleginnen morgens immer in der Bar. Dort rauchten wir zwei oder drei Zigaretten und tranken einen Espresso oder Macchiato und gingen danach in die Arbeit. Das war jeden Tag so. In Bozen gibt es an jeder Ecke Bars, in denen man morgens einen Espresso trinkt und Freundinnen trifft. Das machen Studentinnen so, Schülerinnen, Arbeiterinnen, Sekretärinnen, alte Leute, junge Leute. Man geht morgens schon in die Bar und trinkt einen Espresso. Die kosteten auch nicht viel, 800 Lire vielleicht, das sind heute 40 cent. Natürlich ist das heute etwas teurer, aber dennoch: man trinkt einfach kurze Kaffees und redet währenddessen mit Menschen. Manchmal fügt man dem Espresso einen Grappa hinzu, manchmal trinkt man statt dem Espresso einen Weisswein, aber man geht eben ständig in Bars und trifft Leute. Ohne Schnösel, ohne Attitüde, ohne aufgesetztem Bar Feeling,sondern einfach in schlichten Bars, meistens mit vielen Spiegeln, etwas geschmacklosen Tischen und Stühlen, ein langer Tresen, Chipstütenregal, eine laute Kaffeemaschine, die ständig mahlt und rödelt, in Ausmaßen einer mittelgroßen Kirchenorgel.
Ich weiss nicht, warum das in anderen Ländern nicht so funktioniert. Bars in Deutschland sind ja immer schnöselig und aufgesetzt, dieses schnelle mal irgendwo reingehen und einen Macchiato trinken oder ein beiläufiges Glas Weisswein mit jemandem trinken und dann wieder gehen, das gibt es hier nicht so. Auch anderswo nicht. In Spanien vielleicht, aber anders. Macht mich ganz fertig, wenn ich drüber nachdenke.
Das Dorf meines Vaters hat vielleicht 2000 Einwohner, das Dorf hat sieben Bars. Gehste in Deutschland in ein Dorf dieser Größe, da gibt es ein Gasthaus mit Küche. Wenn man Glück hat gibt es in jedem dritten Dorf eine Kneipe. Die dann noch ab Mittag aufmacht.
Macht mich fertig.
Danach redeten wir über Julian Reichelt. Was die Leute zu vergessen scheinen: Döpfner ist immer noch da.
Beim Lesen über italienische Bars hatte ich schlagartig deren typischen Geruch in der (Erinnerungs)nase, den damaligen. Danke.
(Ähnliches fragte ich ich mich auch lange zu spanischen Bars der 70er/80er, in die man schnell war trinken ging. Ohne großes Hinsetzen oder so. Zusammen an die Bar gehen, Bierchen bestellen, Bierchen trinken, kurz darüber kabbeln, wer zahlen darf, gehen. Aber ich fürchte, dass es weder in Italien noch in Spanien diese Kultur noch gibt.)
So weit ich das beobachtet habe, gibt es das schon noch, obwohl ich nicht einschätzen kann ob das auch noch morgens vor der Arbeit passiert. Inwiefern sich das aber geändert hat, weiss ich auch nicht.
Werde ich mir nächstes Mal genauer ansehen.