[Montag, 20.12.2021 – Tätowiererin, mein Vater]

Neulich schrieb ich eine Tätowiererin an, deren Entwürfe von Tieren mir auf Insta gut gefallen haben. Meine neue Tätowierung wird ein ganz bestimmtes Tier und ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie die neue Tätowierung nicht sein soll, und deswegen klicke ich mich schon seit Monaten durch Galerien von verschiedenen Studios und blieb immer etwas unzufrieden.
Dann stiess ich auf diese Tätowiererin. Sie hat einen sehr eigenen Stil, sie zeichnet sehr ungenau, mit groben Linien, aber dazwischen mit vielen Details. Die Entwürfe wirken wie grobe Skizzen, bei denen man den Eindruck bekommt, die Künstlerin habe mitten im Entwurf die Lust daran verloren. Das sieht grossartig aus.

Ich schrieb ihr, was ich mir ungefähr vorstellte, schickte ihr Links von zweien ihrer Entwürfe, mit dem Hinweis, dass ich mir etwas in dieser Richtung vorstellte. Das Tattoo sollte 10cm gross sein.

Heute antwortete sie, zehn Zentimeter sei ihr zu klein, sie wolle den ganzen Arm. Ich schrieb freundlich, mit Danke und so, ich hätte es aber lieber nur zehn Zentimeter groß, sie sagte, nein, das ginge nicht, ihr Tattoo brauche Raum.

Selbstverwirklicher. Uff. Die mochte ich noch nie. Es beginnt jetzt wieder eine lange Suche.

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Am Abend „The Father“ geschaut. Dieser Film mit Olivia Coleman und Anthony Hopkins. Anthony Hopkins in der Rolle des an Demenz erkrankten Vaters. In weiten Teilen aus der Wahrnehmung des zunehmend kränker und verwirrter werdenden Vaters erzählt. Was für ein grossartiges Drehbuch. Was für ein zermürbender Film.

Als der Film zu Ende war, hatte ich ein Schuldgefühl gegenüber meinem Vater, also stand ich auf und rief ihn an. Wir telefonieren ungefähr vier Mal pro Jahr.
Mein Vater war aber gar nicht zermürbt, sondern äusserst gut gelaunt. Er hat eine neue Freundin und fährt als Rentner Hotelgäste vom Hotel zu den Liftanlagen. Er ist zweimal geimpft und geboostert.
Funfact: er war im Januar 2020 einer der ersten an Covid erkrankten Menschen. Er hatte nur leichtes Fieber und das Essen schmeckte fahler als sonst. Damals wusste man noch nicht, was los war. Erst zwei Wochen später brach in Bergamo das Unheil aus.

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Meinem Neffen geht es gut. Die weiteren Checks im Krankenhaus ergaben, dass offenbar nur die Knochen und die Lunge betroffen sind. Er hat schon ein Croissant gegessen und wollte auch schon Youtube schauen. Reden ist aber noch etwas schwierig.