Vor 12 Jahren zogen wir als frischverliebtes Paar ziemlich schnell zusammen in die Rheinsberger Strasse, in Mitte. Bald kamen wir drauf, dass die Strasse nach eine kleinen Kurort in der Ostprignitz benannt war. Noch besser allerdings war, dass Kurt Tucholsky eine Liebesnovelle in Rheinsberg angesiedelt hat und sie deswegen nach dem Ort benannte. Meine Frau kaufte das kleine Buch und wir lasen einander daraus vor. Die Geschichte des frischverliebten Paares Claire und Wolfgang, wie sie für ein paar Tage nach Rheinsberg fahren.
Damals entstand die Idee, einmal gemeinsam nach Rheinsberg zu besuchen. 12 Jahre später war es nun so weit.
Es war eine spontane Idee, die uns gestern Abend einfiel. Rheinsberg. Wir verwenden immer noch Redewendungen aus dem Buch. Heute früh recherchierte ich, was man in Rheinsberg machen kann. Was als erstes auffällt: in Rheinsberg ist die AfD nicht politisch vertreten, was wir als riesigen Pluspunkt vermerken.
Der ganze Ort dreht sich irgendwie um dieses Schloss, von dem auch Tucholsky schrieb. Wir würden also einfach das Schloss anfahren und sehen, was passiert.
Im Wikipedia Artikel werden auch zwei Wüstungen genannt. Wüstungen. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt. Die eine Wüstung ist eine Siedlung im Wald nordöstlich von Rheinsberg, die um einen Teerofen herum gebaut wurde. Die Siedlung wurde 1860 aufgegeben. Und der andere Ort ist eine slawische Siedlung etwas nördlich am See. Dieser Ort ist seit etwa 1300 unbewohnt. Und, nunja, gewüstet. Ich verliere mich auf Karten. Satellitenbilder der Gegend und Beschreibungen. Die slawische Siedlung kann ich nicht ausfinding machen, aber von der Teerofensiedlung gibt es altes Kartenmaterial aus der Kaiserzeit. Ich kann den Ort ziemlich genau auf Googlemaps verorten. Dummerweise gibt es da keine Strassen mehr. Es würde schwierig sein dort hinzukommen. Es gibt einen abgelegenen Waldweg, den man über einen Bahndamm erreicht, ich konnte allerdings nicht herausfinden, wie weit ich mit dem Auto kommen würde bzw wo ich das Auto hätte stehen lassen können. Auf den Satellitenbilder sieht man einige Dächer zwischen den Bäumen, bevor ich aber mit einem berliner Kennzeichen durch diese Wälder voller langobardischer Sumpfbewohner irre, wollte ich mir ein bisschen mehr Zeit und Vorbereitung geben.
Um es vorweg zu sagen: wir haben die Wüstungen nicht besucht. Ich muss aber zugeben, dass mich das Thema ungemein in den Bann gezogen hat.
Wir fuhren dann nach Rheinsberg. Es war ein sehr düsterer und wolkenverhangener Tag. Anfangs wollten wir aufgrund des eher mauen Wetters die ganze Unternehmung abblasen, aber dann entschieden wir uns trotzdem dafür. Und das erwies sich genau richtig. Über dem Schloss und dem zugefrorenen See hing dichter Nebel. Der dahinterliegende Garten, ging in einen hellgrauen, schattenlosen Winterwald über, man merkte es kaum. Wäre es ein sonniger Tag gewesen, wäre es einfach ein austauschbarer Besuch eines beliegigen, schönen Kurörtchens gewesen. Mit Eis leckenden Kindern und Touristenbussen. So aber wurde es ein langer Spaziergang durch eine irreale Welt.