zugeschnürt und eingepackt

Ich trage schon seit etwa sieben Jahren keine Jeanshosen mehr. Ich habe damit aufgehört, weil ich damals auch mit Kaffee aufhörte und mir dachte, dass ich dann auch gleich zwei Fliegen auf einem Streich erschlagen kann. Im Sog des Aufhörens riss ich dann auch noch Fingernägelbeissen und Whiskeytrinken mit. Weil das auch dumme Angewohnheiten waren. Vor allem das Whiskeytrinken. Das ersetzte ich darum durch das viel billigere Vodkatrinken.
Das Tragen von Jeanshosen hatte keinen wirklich konkreten Grund und auf meinen Geldbeutel ging das schon gar nicht, jedoch hatte ich immer schon ein wenig eitle Neigungen und deshalb nervte mich diese monotone Jeanskultur, die Rebellentum audrücken wollte. Das kollektive Rebellentum vom Banker nach Feierabend bis hin zum Vollzeitjunkie auf einer Bahnhofstreppe. Immer wenn man in eine Menschenmenge guckt, dann ist der Grossteil der Masse untenherum Jeansblau. Wie ein Dominospiel an dem man die blauen Hälften zusammenschieben kann.
Ich hatte damals schon genug rebelliert und befand mich gerade auf dem Weg mich zum bürgerlichen Altrevolutionären zu entwickeln und kaufte mir meine erste Bügelfaltenhose. Dann noch eine und noch eine, irgendwann kaufte ich Nadelstreifenhosen und war sehr glücklich damit. Abgesehen von meiner neu dazugewonnenen Individualität überraschte mich vor allem die neuentdeckte Freiheit meines Geschlechtsorgans. Alles hatte Platz und konnte fröhlich vor sich hin baumeln. Kein steifer Jeansstoff mehr, der alles versuchte an seinem Platz zu halten, sondern richtiges und uneingeschränktes Atmen.
Seit ich aber nach Deutschland gezogen bin, hat sich mein Rumpf aufgewölbt. Das mag am Essen hierzulande liegen, oder vielleicht am regnerischen Wetter, durch das ich mich des öfteren gezwungen sehe, das gesunde Fahrrad stehen zu lassen und dafür die Bahn zu nehmen. Aber das ist auch egal, worauf ich hinaus will, ist nur, dass mir in letzter Zeit aus meinem Umfeld des öfteren nahegelegt wurde, mich doch mal in etwas sportliche Klamotte zu kleiden. Das würde mich jünger machen und eben, nunja, frischer und dynamischer. Lange habe ich mich geweigert, aber letzten Samstag in der Mönckebergstrasse überfiel mich der Wahn der Jugend: Ich kaufte mir Seife und eine Jeanshose.

Sosehr mich damals die dazugewonnene Freiheit meines Gemächts erfreute, sosehr überraschte mich plötzlich diese angenehme, ähm, Verpackung meiner Eier. Wie nach Hause zu kommen und zu wissen, dass alles gut geschützt, verschnürt und eingepackt ist. Und weil mein Bauch jetzt nach oben gedrückt wird, muss ich die Brust nach vorne heben um halbwegs Luft zu bekommen. Zusammen mit dem breitbeinigen Laufen (mit soviel steifem Jeansstoff im Schritt kann man gar nicht anders) bin ich jetzt wirklich schlagartig zu einem richtigen Kerl herangeschnürt. Beeindruckend.

23 Kommentare

  1. Wow, und ich dachte immer, ich wäre der einzige mit ner ähnlichen Hosensozialisation. Als Politikstudent vor 20 Jahren hab ich das Experiment begonnen, ohne Jeans durchs Leben zu gehen und stattdessen ordentlich gebügelte Bundfaltenhosen (plus weißes Hemd mit Krawatte) zu tragen. Hat mir das Studi-Leben nicht eben erleichtert (den Provokationsfaktor für die Komilitonen hätte allenfalls eine Hakenkreuz-Armbinde getoppt). Aber egal, ich hab das durchgezogen. Und mit der Zeit fanden sich auch Zeitgenossen, die mir meine bekleidungstechnischen Schrulligkeiten nicht weiter übel nahmen. Später hat sich das dann weiter verlagert in Richtung schwarze-Rollkragen-Armee-Fraktion, aber die Vorliebe für bequeme dunkle Hosen ist geblieben.

    Seit ich die 40 überschritten habe und Papi bin, habe ich die praktischen Aspekte der Jeans wieder schätzen gelernt. Zu einer blauen Nietenhose hab ich mich allerdings noch nicht überreden lassen. Schwarz muss sie nach wie vor sein…

  2. Meine ist blau, also Denim-Blau. Es ist sehr merwürdig, dauernd so etwas helles aus dem unteren Augenrand zu erblicken. Ich muss mich erst daran gewöhnen. Es freut mich aber nicht der einzige zu sein.
    Das Beste war übrigens immer in dreiteiligem Anzug und Krawatte, mit dem Brecheisen Haustüren zu öffnen. Traurig aber wahr ist, dass meine Mitstreiter anfingen dadurch anders mit mir umzugehen. Mehr auf Distanz, als sei ich ein Fremder. Aber darüber werde ich irgendwann noch detailierter berichten.

  3. Herren in Anzügen kann ich ja kaum widerstehen, aber ein Paar gutsitzender Jeans – auch nicht übel. Gibt’s keine Bilder?

  4. Ich schwanke da immer hin und her. Stoff, Leder, Jeans. Ich habe auch so eine olivgrüne Cargohose, die sind praktisch beim Fotografieren im Gelände, weil man da alles drin verstauen kann. Eine braune Cargohose habe ich auch, fällt mir gerade ein, und was Gestreiftes. Nur Blau, das geht gar nicht. Das wundert mich jetzt bei Ihnen, kenne ich Sie doch nur als lichtschluckendes, schwarzes Cord-Samt-Ensemble.

    Kaufen Sie sich doch ein Suspensorium. Dann ist alles gut und sicher verpackt, und darüber können Sie eine Stoffhose schlackern lassen. Das Beste beider Welten sozusagen.

  5. Cargohosen sind im vor allem im Sommer unentbehrlich, weil man seine überlebenswichtigen Utensilien (Ipod, kleine Kamera, Geld, Batterien für die Kamera, Ladegeräte, Messer, Taschenlampen, Stadtplan) mit sich rumschleppen kann. Zu Anzugshosen konnte ich mich nie so recht entscheiden. Das Problem ist der meist unangenehm harte Stoff, der das Bein nicht so recht zu umschmeicheln vermag. Weiteres Problem bei Buntfaltenhosen ist deren weiter Schnitt, der einen dazu verleitet, mehr zu essen, als man eigentlich sollte. Jeans machen einem schnell klar, wann das Ende der Dehnungsfähigkeit erreicht ist.

  6. @DonDahlmann: Unangenehm harter Stoff? Also im Vergleich zu bretthartem Denim sind Anzugshosen (wenn sie nicht grad vom Discounter stammen) flauschig wie ein Babypopo. Die vermeintlich überlebenswichtigen Dinge (deren Liste bei mir wesentlich kürzer ausfällt) trägt im Zweifelsfall meine Frau. 😉 Oder es geht tatsächlich ins Gelände, und für heavy-duty-Einsätze hab ich noch eine alte Bundeswehrhose (schwarz gefärbt natürlich).

    Das mit der Gewichtstoleranz stimmt auch nur bedingt, da (Bundfalten hin oder her) auch eine Stoffhose beim Zuknöpfen oben rum genau passen muss. Ich hab sozusagen als Messlatte noch ne Röhnenjeans von 1980 im Schrank hängen. Alle Schaltjahre mach ich mir den Spass und gucke, ob ich noch reinkomme. Also ich komm immer noch rein, kriege Reißverschluss und Knopf auch zu. Aber hinsetzen mag ich ich mich damit lieber nicht mehr…

  7. Woran erkennt man Architekten & Fotografen? Sie rennen ständig in schwarz rum.
    Ja ich weiß, doofes Vorurteil das sich bestimmt irgendwie widerlegen lässt. Aber ich habe in meinem Leben mehr schwarz gekleidete Architekten & Fotografen gesehen als ich Haare am … also es waren verdammt viele. Eigentlich alle.
    Bis jetzt habe ich nur noch nicht raus bekommen warum sie immer in schwarz rum rennen. Dauertrauefall? Sind ihnen in den, mit giftigen Bleifarben, geschwärzten Hosen die Eier verstorben?
    Neutrum-Schwarz? Ich bin nichts, ich kann nichts nennt mich Architekt.
    Tarnfarben-Schwarz? Wenn man täglich so seinen Mist verbockt, dann sollte man wenigstens zusehen das man nicht so sehr auffällt.

    Ich weiß es nicht. Sagt mir ja auch keinr warum das so ist. Bei den Kreativen da. Alle in Schwarz. Pfui.

    Also ich trag Jeans weniger wegen dem Sitz oder dem Stoff. Es gibt definitiv genug andere Kleidungsstücke die ebenfalls genial sitzen und nicht aus Jeans sind. Ich schließe mich mal der 1.000-Taschen-Molsekin-Hosen-Fraktion an.
    Jeans haben aber einen anderen Vorteil gegenüber Bundfaltenhosen: Ausgewaschene und zerschlissene Bundfaltenhosen sehen einfach nur scheiße aus. Eine Jeans altert in würde. Je ausgewaschener, je ausgefranster, desto mehr Charakter. Jeans kann man noch tragen wenn man Angst haben müsste das sie sich gleich sanft vom Körper pellen und als Häufchen Staub zu Boden rieseln. Das ist dann auch so in etwa der Zeitpunkt an dem ich mich von meinen Jeanshosen trenne. Vorher nicht.

    Über die Farbe einer Jeanshose kann man übrigens streiten. Ob Denim-Blau, schwarz oder Beige. Nach 20 Wäschen sind sie eh verwaschen.

  8. Fotos? Nee liebe Modeste, muss nicht sein. Wie sie wissen fotografiere ich nur zu T-shirts zweckentfremdete Unterhosen.
    Ein Suspensorium, wow Herr Kid, Sie bringen mich ja auf Ideen. Obwohl meine Hausärztin neulich über einen ihrer Patienten lachte, der derartig enge Unterhosen trug, dass ihm immer die Hodenhaare einwuchsen und er davon dann konstant eitrige Geschwüre bekam. Ich weiss nicht, vielleicht sollte ich das Tragen der Jeanshose ein bisschen dosieren. Ich könnte sie beispielsweise nur im Bett tragen, wie andere 10cm Absätze.

    Blaue Jeanshosen stehen übrigens vortrefflich zu weissen Hemden mit schwarzem Pollunder. Da fühlt man sich so wie, na sagen wir, James Bond nach Feierabend. Hat schon was. Aber auf Dauer ist das ein wenig verstörend.

    Herr Dahlmann, Sie sind mein Mann! Sie tragen wirklich ein Messer und Taschenlampen mit sich herum? In diesem Fall dürfen Sie meinetwegen auch Cargohosen tragen. Wirklich. Was für handliche Taschenlampen können Sie mir empfehlen?

    Ralf, schwarz macht schlank. Fotografen und Architekten sind bloss verfressene Faulenzer die mehr schwätzen als sie leisten. Das setzt an und muss kaschiert werden.

    Hab ich übrigens erwähnt, dass meine Jeanshose auch diese gefakte Abnutzungsstreifen haben? Nein hab ich nicht erwähnt.

  9. willkommen im club. ich bezahlte neulich ein komplettes arbeitergehalt für eine kaputte hose.

  10. nach jahren der enthaltsamkeit bin ich auch wieder eingesschwenkt ins dominogeschwader und gestehe:
    so eine jeans ist schon was feines. die letzte, die ich kaufte war ein bisschen eng, in meiner grösse gabs die nicht mehr, drum musste es das engere exemplar sein. das gute an dem stoff, er gibt nach ein paar tagen nach und weitet sich.
    das schlechte, nach dem waschen ist sie zwei nummern zu klein.
    deshalb hab ich die hose noch nie gewaschen.
    wann ich sie gekauft habe, verrate ich lieber nicht.

  11. Ein ehemaliger Kollege bevorzugte lange Zeit auch nur schwarze Kleidung. Eines Tages erschien er in einem farbenfrohen Hemd und verblüfft mussten wir im Büro feststellen, wie präsent er plötzlich wirkte. Der Effekt verblasste nach einiger Zeit wieder, als man sich an die neue Farbgebung gewöhnt hatte. Schwarze Klamotten haben aber immerhin den Vorteil, dass man morgens eigentlich blind in den Kleiderschrank greifen kann und alles zusammenpasst und bei den Socken fällt es nicht auf, wenn ein Paar nicht zusammengehört.

  12. Lieber Herr Mek,

    mit Jeans fings bei meinem Dad auch an. Dann kam die AC/DC CD, die Baseballcaps von Nike und mittlerweile ist er ein netter Kerl.

    Passen sie bloß auf, dass sie nicht zu schnell zu alt zum wieder jung werden werden. Wenn sie meinem Satzbau noch folgen können, ist es im Übrigen noch nicht zu spät.

    Und ihnen Fraufrank steht diese eine ungewaschene Jeans sehr gut.

  13. Rabe, das geht auch wenn du dich komplett in giftgrün oder, etwas modischer, in pink kleidest. Es gab mal so eine Modewelle, da konnte man sich komplett in Jeans einkleiden. Hose, Jacke, Hemd und Schlips. Alles Jeans. Konnteste auch jeden Morgen blind in den Kleiderschrank greifen. Sah trotzdem scheiße aus. Lag aber wohl daran das die Mode der damaligen Zeit im Vergleich mit Heute generell etwas affig war.
    Wo wir grade bei schei…schlecht aussehen sind, ich würd FrauFrank ja anbieten ihre Jenas nach dem Waschen zu weiten. Quasi so als proffessioneller Jenashoseneintrager. Aber ich bin mir nicht sicher … blöde Idee. Lassen wir das. Ich sah schon in diesen Männerrock ziemlich bemitleidenswert aus.
    Apropos Männerröcke und schlanke Linie: Bevor ich mich wie ein Trauerklos kleide um meine Figurdefizite zu kaschieren, würde ich doch eher zu langen Röcken greifen. Der Nachteil an dieser modischen Revolution für Männer: Man ist unheimlich fruchtbar weil der Hoden extrem gut belüftet wird. Enge Jeanshosen sollen ja eher die Unfruchtbarkeit fördern. Die eng anliegende Jeans ist quasi die Pille für den Mann. Nur blöd das man Jeanshosen nicht als Verhütungsmittel auf Rezept bekommt.

  14. Zahlen müssen Sie auch für Verhütungsmittel auf Rezept, da lassen Sie sich mal nicht täuschen. 😉
    Als Fotograf muß man Schwarz tragen, um störende Lichtreflexe zu vermeiden. Das sagte schon die schwarzgekleidete Christina Ricci als Nachwuchsfotografin in Tim Burtons „Beetlejuice“: „Das Leben ist eine Dunkelkammer.“

    Würden mehr Männer schwarze oder graue Anzüge tragen, die Fußgängerzonen dieser Welt sähen nicht aus wie das Jahrestreffen der Village People. Aber das nur nebenbei. In Wahrheit ist Herr Mek nur zu bescheiden, um auf meine wirklich extraordinär coole schwarze 30er-Jahre-Hose hinzuweisen. Zum Glück bin ich eitel genug, das nachzuholen. (Hat die Lu die eigentlich neulich gesehen? Oder ruhte das Auge nur in den Tiefen des Weinglases?) Ich finde, solche Hosen setzen Maßstäbe. Da kann der Billigschumpel von H&A und C&M nicht gegen an.

    Und Leder trägt hier niemand?!? Oder heimlich PVC?

  15. ( die lu HAT die hose neulich gesehen, fand sie ganz toll, hielt sich aber zurück und an den wein, wir waren ja schließlich nicht nur zu meinem vergnügen da.)

    heimlich trage ich knallfolie, die mit den luftblasen.

  16. fast bin ich versucht, herrn ralf die jeans mal auszuleihen.
    die hosengrösse beträgt 28.
    steht das angebot noch?

    hihi, der burnster hats gesehn, das dreckerte ding…

  17. Ralf, sicher würde das auch mit Giftgrün oder Pink gehen, nur ist es da mühseliger, alle Stücke im gleichen Ton zu finden und vor allem hat es nicht das gewollte »Understatement«, das Schwarzträger demonstrieren wollen. Lange Röcke sind auch nicht gänzlich uninteressant, scheinen sich aber nicht durchzusetzen.

  18. Große Füße und vertikal benachteiligt? Ohje, kenn ich. Meiner Schwester habe ich mal prophezeit, dass wenn sie Kinder von einem Mann bekommt der sehr dünne Beine hat, die Kinder dann wie Didlemäuse aussehen werden.
    Wahrscheinlich bin ich daran schuld das sie noch unverheiratet ist.

    Ich möchte nicht auch noch an einer Mode schuld sein, bei der Männer sich in viel zu engen Jeanshosen zwängen um diese mit brachialer Urgewalt ihrer haarigen Beine für ihre Frauen&Freundinnen zu weiten versuchen.
    Die Anzahl an brutal gequetschten Hoden, und der somit einhergehende Geburtenrückgang, soll nicht auch noch auf meine Kappe gehen. Reicht ja schon wenn ich das Aussterben der Mitteleuropäer dadurch forciere, dass ich gehässige Bemerkungen über die Größe der Füße meiner Schwester mache.

    Ich ziehe, mit Rücksicht auf die Geburtenrate, sowie zur Vermeidung von gequetschten Hoden und zum Schutze des Fortbestandes des gemeinen Mitteleuropäers, mein Angebot fremden Frauens Hosen zu weiten, offiziell zurück. Ich hoffe Sie haben Verständnis für meine Gründe.

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