Ich konnte meine Friseurin nicht mehr buchen. Auf der Buchungswebseite meines Friseurinnenladens standen nur die anderen drei Stylistinnen zu Verfügung, also fuhr ich auf dem Nachhauseweg daran vorbei und fragte nach ihr. Eine ihrer Kolleginnen sagte, sie sei nicht mehr da. Ich war etwas betrübt. Ich bin bei Friseurinnen seltsam treu, es dauert immer einige Zeit, bis ich eine Lieblingsfriseurin finde, aber danach bin ich seltsam treu. Keine Ahnung, was ich mit „seltsam“ ausdrücken will. Sie mochte ich ganz besonders gerne. Die Gespräche mit ihr wirkten immer verbindlich und sie hatten immer Tiefgang, obwohl wir selten die Smalltalk-Ebene verliessen, wir hangelten immer an den grossen Lebensthemen entlang ohne in Kitsch oder Gefühlsduselei zu verfallen. Vertraut, aber nicht intim. Sehr angenehm. Und selten haben ich eine Frau gesehen, die einen Dutt so grazil tragen kann. Ich ertrug es nicht gut, dass sie weg war. Das passiert mir nun zum zweiten Mal. Vor eingen Jahren verschwand eine Friseurin einfach in die USA. Von Friseurinnen hat man ja nicht oft die Kontaktdaten. Zumindest nicht als Mann. Ich fände es übergriffig, nach der Telefonnummer meiner Friseurin zu fragen.
Wie ich da so verloren im Salon stand. Eine Kundin sass auf dem Sessel und schaute mich etwas verstohlen über den Spiegel an. Die Stylistin sagte: „Sie kommt auch nicht mehr wieder. Du kannst aber mich buchen.“
Ich fühlte mich verlassen.
Oh nein, ja das ist schlimm schlimm schlimm, und ich hatte das bei einem Münchner Friseur, wo eigentlich alle toll geschnitten haben einmal seriell. Ich denke vielleicht habe sie nicht genug verdient weil der Laden zuviel behalten hat. Am Ende war ich beim Besitzer des Ladens und dachte, na zumindest er wird ja nicht weggehen, ist ja sein Laden. Dann erzählte er mir aber, er ginge nun mal für zumindest ein Jahr zurück nach Australien, zumindest erzählte er es mir. Das war aber jedesmal anstrengend so gefühlsmäßig. War auch seit Beginn Corona nicht beim Friseur und hab mir jedesmal die Haare selbst geschnitten. Einmal war es wirklich gut geworden.
Danke für das Verständnis und für das Mitgefühl.