Heute trafen wir zwei Berühmtheiten und wir fuhren auch bei Tageslicht durch das Adventstal. Aber der Reihe nach.
Am Vormittag gingen wir ins Dorf um einige Besorgungen zu machen. Zuerst bei „Visit Svalbard“, die Tourist Info, wo wir versuchten, noch eine Fahrt mit dem lokalen Taxi zu kriegen. Es gibt einen Taxidienst, der Touristen zwei Stunden lang durch Longyearbyen und die umliegende Gegend fährt und dabei darüber erzählt, was hier so los ist. Ein bisschen wie diese Hop-on-hop-off Busse in den grossen Metropolen. Online waren heute plötzlich keine freien Plätze mehr verfügbar, daher empfahl man uns, ins Visit Svalbard zu gehen. Die wissen immer über alles Bescheid. Der Ort ist so klein, die drei Frauen bei Visit Svalbard kennen schlichtweg jeden.
Eine der Frauen fand noch freie Plätze in dem Taxi und so konnten wir tatsächlich mitfahren.
Beflügelt von diesem Erfolg gingen wir ins Lompen Senteret und kauften ein paar lustige Sachen. Zum Beispiel einen Flachmann mit einem Eisbären drauf und Eiswürfelformen in Eisbärenform für Gintonic im kommenden Winter. Wir sassen in einem Durchgang zum Café Fruene, wir überlegten gerade zu Fruene zu gehen und einen Kaffee zu trinken, dann kam plötzlich Cecilia Blomdahl um die Ecke.
Cecilias Youtubechannel entdeckte ich vor etwa drei Jahren, das war in jener Zeit, in der ich das ganze Internet nach Podcasts und Filmen und Büchern und Clips über Longyearbyen und die Arktis leergesogen hatte. Sie war damals noch nicht so berühmt wie heute, aber ihre Clips halfen mir damals die körperliche Sehnsucht zu lindern, die die Arktis in mir ausgelöst hatte.
Meine Frau zieht mich immer ein wenig auf. Sie sagt, ich sei veriebt in sie. Das stimmt natürlich nicht. Das meine in wirklich. Wie gerne ich ihre Videos auch immer sah, so nahmen sie mir auch ziemlich viel von dem Zauber, mit dem mich diese kalte Gegend überfallen hatte. Ihre Videos sind dann schon etwas banal und inhaltsleer, sie handeln oft von Maniküre und vom Fitnesscenter oder davon wie sie ihr Häuschen aufräumt. Aber während Corona schauten wir so gut wie alle ihre Videos.
In diesen Tagen in Longyearbyen beschlossen wir, nicht den Namen Cecilia auszusprechen. Der Name könnte uns rausrutschen und da jeder in Longyearbyen Cecilia kennt, wollten wir nicht in der Verdacht geraten, Fans zu sein. Also einigten wir uns darauf, sie in diesen Tagen Traudi zu nennen.
Wir sassen jedenfalls im Lompen Senteret und überlegten ins Café Fruene zu gehen, dann kamen Traudi und ihre beste Freundin Linn um die Ecke. Uns beiden fror das Gesicht ein. Cecilia wohnt etwas ausserhalb und ist nur selten im Dorf, wir hatten irgendwie nicht damit gerechnet, sie zu sehen. Meine Frau drehte sich zu mir und ich drehte mich zu ihr. Wir nickten starren Blickes.
Cecilia und Linn gingen zu Fruene. Wir fanden es jetzt etwas komisch zu Fruene zu gehen. Wir wollten nicht in den Verdacht kommen zu starren. Dennoch war es ein wirklich sehr lustiger Moment. Wir haben so lange ihr Leben auf Youtube verfolgt, dass es sich anfühlt, als hätten wir eine Verbindung zu ihr.
Aber diese Verbindung hat sie natürlich nicht zu uns.
Deswegen gingen wir in dieses andere Café, die Taqueria im Kulturhuset. Dort assen wir auch ein Chicken Teryaki Gericht, weil sie offenbar keine Tacos machten. Ich fragte daher erneut: seid ihr nicht eine Taqueria?
Die Frau antwortete wieder belustigt, das habe sie mir doch schon gestern gesagt: die Leute hier verstehen das nicht.
Aber es gäbe ab morgen dieses Food-Festival auf dem Platz vor dem Lompen, da könnten wir kommen, sie würden ab 12 Uhr Tacos zubereiten. Ich sagte, dass morgen um 2 unser Flieger flöge, wir kriegen das zeitlich nicht hin. Sie sagte, wir könnten auch etwas früher kommen, so um Viertel nach elf. Sie würde uns zwei Tacos machen.
Ich glaube das machen wir so.
Heute war es nicht mehr so kalt. Etwa minus eins. Und die gefühlte Temperatur befand sich auch in dem Bereich.
Später kam dann das Touristentaxi. Am Steuer sass ein alter Mann mit einem riesigen Bart. Es war Wiggo Antonsen. Ich kannte den aus der 8-teiligen BBC Doku „Ice People“ aus dem Jahr 2015. Ich war nicht auf den Gedanken gekommen, dass Wiggo der Fahrer sein würde. Ich kannte ihn auch noch aus verschiedenen Podcasts, eigentlich dachte ich, dass er gestorben war. Aber hier war er. Er lebte und hatte gute Laune.
Es stiegen noch 4 Norweger und 4 Chinesen dazu und wir fuhren mit diesem Taxi, das eher ein Shuttle war, durch die Gegend. Zuerst durch das Dorf, dann durch das ganze Adventdalen hinaus bis zur Kohlemine 7. Das freute mich ungemein. Wie ich gestern bereits schrieb, wäre ich sehr gerne einmal bei Tageslicht durch dieses weite Adventsdalen gefahren. Das Tal ist 3 Kilometer breit, das möchte ich hier zu Protokoll geben. Wir fuhren hoch zur Mine, dann runter, zurück ins Dorf, machten eine Pause beim Eisbärenschild wo alle ausstiegen und das obligatorische Foto schossen, dann fuhren wir durch das Dorf hinauf zu den anderen Minen, bis zu Huset und dann in die andere Richtung zu Grube 3 und dem Global Seed Vault.
Weil auf Instagram viele nicht wussten, was es mit dem Seed Vault auf sich hat, poste ich hier den Link. Das ist ein ehemaliger Minenschacht in dem heute viele Millionen Samen aus der ganzen Welt im Permafrostboden aufbewahrt werden. Dies als eine Art Backup, falls die Welt untergeht. Um es plakativ auszudrücken.
Was ich auf der Taxifahrt von Wiggo lernte:
- Das Lompen Senteret ist nach dem deutschen Wort „Lumpen“ benannt. Weil die Minenarbeiter dort ihre alte Kleidung ablegten und die deutschen Kumpels das immer „Lumpen“ nannten.
- In Longyearbyen leben vor allem junge Menschen. Das war mir auch schon aufgefallen. Wiggo ist mit seinen… vermutlich 70 Jahren, der zweitälteste Mensch auf der Insel.
Und noch ein paar Sachen hatte ich gelernt, aber sie fallen mir nicht mehr ein. Er erzählte uns auch davon, dass es momentan einen Ort gäbe, wo man Eisbären sähe. Zwischen Longyearbyen und Barentsburg sei gerade ein toter Wal gestrandet. Seit Tagen fressen schon drei Bären an dem Wal. Das dauert bestimmt noch zwei Wochen. Aber das dürfe man nicht bewerben, weil es per Gesetz verboten sei, Eisbären aufzusuchen. Man käme aber daran vorbei wenn man mit dem Boot nach Barentsburg führe.
Aber seit dem Krieg der Russen gegen die Ukraine will kaum jemand noch nach Barentsburg. Ausser die dort lebenden Russen. Ausserdem würden die Leute von Visit Svabard die russischen Siedlungen boykottieren und nicht mehr bewerben. Es gäbe allerdings noch eine Organisation, die die Route trotzdem befährt, aber man kann diese nur direkt über deren Seite buchen, nicht mehr über Visit Svalbard oder die norwegischen Kanäle. Er fand das blöd, er meinte, die Russen dort seien korrekte Leute. Wir lassen ihn reden. Er schimpft auch gerne über Politiker und da er weiss, dass wir in Deutschland leben, schimpft er auch über Merkel und überhaupt. Dafür mag er Paulaner Bier und das andere Bier, das im nicht mehr einfällt.
Die Fahrt war dennoch sehr aufschlussreich. Man bekommt einen schnellen und guten Überblick über die ganze Siedlung. Wie die Dinge funktionieren, wie sie entstanden sind. Die meisten Sachen weiss ich zwar schon, weil ich 4 Jahre lang das ganze Internet leergesogen habe, aber es ist dennoch super, das alles zu sehen und vor Ort zu sein.
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Danach ist Abend, wir gehen zuerst ins Karlsberger Pub, trinken dort zwei Svalbard Pale Ales und schreiben Postkarten. Das macht wirklich Spass, Postkarten schreiben. Wir machen das oft. Und als wir betrunken genug waren gingen wir nebenan ins Stationen und assen zwei Burger. Meine Frau sagte, das sei der beste Burger, den sie je gegessen hatte. Ich fand meinen auch sehr gut, hatte nach dem vierten Bier aber keine verlässliche Skala mehr, auf der ich den Burger einordnen konnte.
Das hielt mich nicht davon ab, dem Koch zu sagen, dass das der beste Burger sei, den meine Frau je gegessen hatte. Und bei mir rangierte er auch sehr weit oben, aber ich möchte dem Burger keine Platzierung geben. Den Koch freute das sichtlich. Er meinte, sowas höre er hin und wieder. Er glaubt es läge an der Sauce und daran, wie er das Fleisch mache, nicht zu rare und nicht zu done, genau dazwischen. Er sagte, das sei aber immer so beim Kochen, es ginge immer um die Balance.
Kurioserweise, möchte man sagen, hat sich auch eine sehr von mir verehrte Köchin diese Tage nördlich des Polarkreises begeben, zuerst war ich sehr aufgeregt und dachte vielleicht ist sie zufällig sogar in Longyearbyen, dann stellte ich fest dass das mit dem Polarkreis zwar faktisch richtig ist, es ist aber, so möchte ich sagen, noch sehr viel Luft drin, auch bei dem Restaurant, dass sich PRmäßig gekonnt “kitchen at the edge of the world” nennt. das ganze liegt nämlich gerade mal auf dem 68. Breitengrad und klebt geradewegst noch an Norwegen dran.
https://www.holmenlofoten.no/
wunderschön ist es aber auch da
https://www.facebook.com/profile.php?id=100058222741867
Ich liebe die Ereignisse mit Traudi und Wiggo ♡