Der Freitageintrag fiel aus, weil wir bei Ikea waren und das sehr anstrengend war. Wir kauften ein halbes Kallax Regal um es auf das andere oben drauf zu stellen. Heute machten wir also wieder Home Improvement. Wir hatten nicht nur ein Kallax regal gekauft sondern noch ein anderes Möbelstück aus unbehandeltem Holz, dessen Namen ich jetzt vergessen habe.
Das dauerte eigentlich den ganzen Nachmittag. Wände und Böden sind in diesem Haus unfassbar schief. Manche nennen es charmant. Während das Regal unten mit der Wand bündig ist, steht es auf zwei Metern Höhe etwa 15cm von der Wand entfernt. Damit das Möbelstück nicht umfällt und uns erschlägt, befestigte ich es etwas kreativ durch Scharniere und Haken mit der Wand. Es sieht nicht professionell aus, aber es ist sehr stabil. Ausserdem beweglich, damit es im Laufe der Jahre nicht herauswackelt und bricht. Siehe Fotos weiter unten.
Auch meine Frau war heute handwerklich sehr aktiv. Es mag vielleicht etwas sexistisch klingen, aber ich war positiv überrascht, wie gut sie mit Werkzeug umging, das war mir vorher nie aufgefallen, weil sie die grobe Arbeit meist mir überlässt.
Ich erzählte ihr von Ingmar aus Vlissingen. Ingmar war ein Freund eines Mitbewohners und war manchmal an Wochenenden bei uns in einem besetzten Haus in Utrecht. Er half mir damals mit der Verlegung einer Stromleitung. Ingmar war Metalfan. Seinen Musikgeschmack erwähne ich jetzt, weil ich Metalfans unbewusst immer als harte Typen wahrnehme, Typen die nicht Angst davor haben, schmutzig zu werden. Und eben Typen, die mit Werkzeug umgzugehen wissen. Ich wusste schon, das Ingmar kein harter Typ war, er sagte nie viel, war vielleicht ein bisschen langweilig, aber er kam eben aus der Provinz, ich dachte wir Leute vom Land können mit Werkzeug umgehen.
Aber Ingmar drehte Schrauben immer in die falsche Richtung. Das mag vielleicht komisch klingen, aber er hatte kein Gespür dafür, wie man einen Schrauben dreht. Wir standen damals beide auf dem Tresen, ich drückte die Kabeltrasse gegen die Decke und Ingmar drehte die Schrauben um die Trasse an die Decke zu befestigen. Aber er drehte sie eben in die falsche Richtung. Es war eine qualvolle Angelegenheit. Die Schrauben fielen ihm deswegen immer auf den Boden. Einer von uns beiden musste dann immer vom Tresen runtersteigen um die Schrauben zu holen. Anfangs dachte ich mir nichts dabei, ich fand es ein bisschen lustig, half ihm aber immer verbal, wenn er in die falsche Richtung zu drehen drohte. Nach der Korrektur ging es immer gut, er drehte daraufhin mehrmals in die richtige Richtung, wenn er aber kurz absetzte um den Schraubendreher besser im Griff zu bekommen, dann setzte er wieder in die falsche Richtung an und drehte den Schrauben wieder heraus.
Das war zwar lustig, aber oben auf dem Tresen war es auch sehr anstrengend, deswegen übernahm ich von ihm. Er hielt die Trasse fest und ich schraubte.
Später schraubte er an der Vorderseite der Bar und ich sah, dass er wieder falsch schraubte. Irgendwann fing ich an zu lachen und sagte: Ingmar du schraubst schon wieder falsch.
Ich überschritt ziemlich schnell das Mass an Belustigung. Dieser Gedanke, dass jemand so etwas banales und auch unwichtiges, wie einen Schrauben in die richtige Richtung zu drehen, nicht beherrschte, entfesselte alles in mir. Ich bekam einen Lachflash und konnte nicht mehr aufhören.
Ingmar fand das natürlich überhaupt nicht lustig. Wir kannten uns auch nicht gut genug, dass ich es mir erlauben konnte, dermassen zu lachen, aber wie das mit Lachflashs manchmal so ist: man hat keine Kontrolle über die Situation.
Unsere Beziehung erholte sich davon nie wirklich. Aber ein paar Monate später wurde unser Haus geräumt und die Bewohnerinnengruppe verlief sich in Teilen. Daher sah ich auch Ingmar nicht mehr wieder.
Wände und Böden sind in diesem Haus unfassbar schief. Manche nennen es charmant.
Charmant finde ich super, ich besitze auch ein ungewöhnlich charmantes Haus.
Die Regalbefestigung finde ich, ähem, na sagen wir, kreativ.
Mein Westfalenmann nennt so etwas Borkumer Pfusch, weil mein charmantes Haus auf Borkum steht und randvoll mit kreativen Lösungen der Erbauer und Vorbesitzer ist. Nicht alle sind technisch sinnvoll oder stabil, was vor allem dann auffällt, wenn wir wieder ein neues Zimmer oder eine neue Stelle renovieren. Als wir eine neue Haustür einbauen ließen, wäre fast das gesamte Haus eingestürzt, weil da wohl die Balken, die den Fußboden in der ersten Etage tragen, mittlerweile von der außenstehenden Hausmauer abgerutscht waren und ersatzweise an irgendetwas anderem befestigt wurden, was mit der alten Haustür verbunden war – es war auf alle Fälle abenteuerlich und führte zu einer hektischen Aufgeregtheit unter den beteiligten Handwerkern.
Die Regale in meinem Haus stehen ähnlich schief vor der Wand wie bei Ihnen, mein Westfalenmann hat deshalb passend zugeschnittene und natürlich passend lackierte, dicke Holzkeile zwischen Wand und Regal geschraubt, um die Regale am Umfallen zu hindern. 100% ordentlich ist ausgeschlossen, mindestens 150%, besser noch mehr.
Dadurch dauern Renovierungen bei uns immer sehr lange, nachher ist aber auch wirklich alles so perfekt, das man sich nur demütig beugt und froh ist, dass normale, käufliche Handwerker einen etwas geringeren Anspruch haben, denn dann wäre jeder Handwerker endgültig und für immer unbezahlbar.
Ich kichere hier grade die ganze Zeit vor mich hin, was passiert wäre, wenn ich Ihre Befestigungslösung, die mir spontan logisch und passend erscheint und die ich intuitiv so ähnlich auch selber entwickelt hätte, dann auch einfach selber und alleine umgesetzt hätte.
Ich glaube, mein Westfalenmann hätte Herzpillen gebraucht, hihihi
Abgesehen davon, dass ich von der Stabilität überzeugt bin, wüsste ich gar nicht, wie es besser ginge 🙂 Aber die Profis ziehen natürlich immer geniale Lösungen aus dem Hut.
Ich habe für das Merken der korrekten Schraubrichtung mal eine Eselsbrücke gelernt, die aber in einem besetzten Hause nicht so gut angekommen wäre:
,,Solang das deutsche Reich besteht, wird die Schraub’ nach rechts gedreht!‘‘
Haha. 🙂
Ich hatte immer ein ähnliches Problem mit der Richtung von Wasserhähnen, bis mir auffiel, dass die Eselsbrücke meiner Mutter für abnehmenden und zunehmenden Mond (a-Bogen und z-Bogen) auch für aufe und zue Wasserhähne funktioniert.
Meine Eselsbrücke war immer der gute alte Wasserhahn: Den bedient man jeden Tag so oft, dass man intuitiv weiß, was auf und was zu ist. In Zeiten der modernen Einhebel-Mischer taugt die Eselsbrücker leider nicht mehr.
Einfacher wäre doch Flaschenverschluss. Oder überhaupt der Verschluss von Dingen. Marmeladegläser, Cremedosen etc.
Ich möchte jetzt wissen, wie Ingmar ein Marmeladeglas öffnet.
Huch, noch nie so komplizierte Eselsbrücken gelesen. inks = ose. Der umgekehrte Fall ergibt sich.
Hätte auch die kurze Seite des Regals (Unterseite) unterfüttert, anstelle die lange Seite (Rückseite) abzuspannen. Erstens, weil der Spalt kleiner ist, zweitens, weil vermutlich der Boden schief (besser gesagt krumm) ist – nicht die Wand – und somit dann das Regal eher ‘gerade’ stünde (also im Sinne von Richtung Erdschwerpunkt zeigend (Kippgehfahr!) und vom optischen Eindruck her sowieso).
Es ist sowohl der Boden schief, wie auch die Wand. Ausserdem fehlt es mir an handwerklichem Geschick, eine schöne Lösung für die Vorderseite zu bauen. Daher bin ich mit der Lösung ganz zufrieden.
Hmpf. Sonderzeichen haben die L’s entfernt. “links = lose”, sollte da sinngemäß stehen.