Die OP im Nasentrakt war die unangenehmste körperliche Erfahrung, die ich bisher je erlebte. Eine Stunde lang Druck, Stechen, Brennen in der Mitte meines Kopfes. Zwar handelte sich nur um Arbeit mit dem Laser, aber es hätte genau so gut ein Bolzenschneider gewesen sein können, ich hätte den Unterschied nicht gemerkt.
Ich bin wirklich hart im Nehmen. Sachen wie Männerschnupfen kenne ich nicht. Wenn ich krank bin, brauche ich keine Pflege. Aber heute war ich sehr wehleidig. So kannte ich mich gar nicht. Der Arzt und seine Helferin waren immerhin lustig.
Um 12 Uhr durfte ich raus, wo meine Frau auf mich wartete. Man sollte sich in Begleitung befinden. Wir nahmen ein Taxi nach Hause. Bereits am Vormittag gab es aus meinem Hertha-Umfeld das Gerücht, dass unser Präsident gestorben sei. Ich nahm das nicht ganz ernst, ausserdem sass ich im Wartezimmer kurz vor der OP. Im Taxi las ich dann aber die offizielle Mail von Hertha: Kay Bernstein ist tot. Er wurde 43 Jahre alt.
Das hinterliess mich ziemlich entsetzt. Auch meine Frau war sprachlos, obwohl sie sonst mit Hertha und Fussball wenig zu tun hat. Kurz darauf erschienen die ersten Meldungen in verschiedenen Medien. In meinem Fanclub trauerten die Menschen. Später am Nachmittag erschienen die ersten Nachrufe. Am Abend versammelten sich einige meiner Freunde an der Geschäftsstelle am Olympiastadion und legten Blumen ab oder zündeten Kerzen an. Viele weinten. Das ist wirklich ein trauriger Tag für den Verein.
Vor anderthalb Jahren hatten wir als Fanclub uns sehr stark für seine Wahl engagiert. Dann schrieb er die Geschichte des Ex-Ultras, der zum Präsidenten seines Clubs wurde. In diesen anderthalb Jahren hat er Hertha wieder zu einem People’s Club gemacht. Aber wir stehen gerade am Anfang dieses Weges. Ich bin mir nicht sicher, ob jemand anders diesen Weg jetzt so konsequent fortführen wird. Ausserdem fürchte ich mich ja davor, dass die ganzen gedemütigten Bonzen jetzt wieder ihre Chance wittern.
Musste gerade googlen, was Bonze noch mal genau bedeutet. Ob das nicht nur ein etwas verfremdeter Kampfbegriff ist, aber so sieht es aus:
„Bonze. abwertend -jemand, der die Vorteile seiner Stellung genießt [und sich nicht um die Belange anderer kümmert]; höherer, dem Volk entfremdeter Funktionär.“
Genau.
Den Rest des Tages war ich sehr wehleidig. Ich konnte nicht durch die Nase atmen, alles war geschwollen, das Zentrum meines Kopfes ist eine Wunde, Schlucken kratzt und währenddessen begleitet mich immer dieser Gedanke an Bernsteins Tod. In den Chats meines Fanclubs gibt es kein anderes Thema. Ich finde keine richtigen Worte.
Nachruf in der 11Freunde
Nachruf von Stephan Uersfeld
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Am Abend setze ich mich mit meiner Frau in den Erker. Sie liest mir den Text einer Petition vor, in dem Björn Höcke die Grundrechte entzogen werden sollen. Durch den Entzug der Grundrechte würde Höcke unwählbar.
Grundrechte sind nicht zu verwechseln mit den Menschenrechten. Das Interessante an dem Entzug der Grundrechte ist, dass die Handhabung dieser Rechte nach dem Niedergang des Naziregimes bewusst ins Grundgesetz geschrieben wurde, um eine Wiederholung des Geschehenen zu verhindern. Also wenn jetzt jemand mit Cancel-Culture kommt, dann möge man genüsslich auf die Mütter und Väter der Bundesrepublik verweisen. Es hat schon seinen guten Grund, warum man das damals gemacht hat.
Die Petition hat bereits über 1,2 Millionen Unterschriften. Gerne teilnehmen und verbreiten.