Heute fand der Deutschtest statt, mit dem ich mich für die Einbürgerung in Deutschland qualifizieren muss. Ich wählte die niedrigst nötige Stufe: B2. Ich muss es mir nicht unnötig schwer machen, ich springe bei solchen Gelegenheiten nur so hoch, wie es erforderlich ist. Vor Ort im Goethe Institut fand ich dann heraus, dass B1 für eine Einbürgerung ausgereicht hätte.
Natürlich kam ich völlig unvorbereitet. Ursprünglich dachte ich, der Test würde vielleicht zwei Stunden dauern. Er ging aber von 10:30 bis 17:00 Uhr. Mit so viel Zeit hatte ich nicht gerechnet. Hätte ich aber meine Unterlagen genauer in Augenschein genommen, hättehättehätte ich.
Im Vorzimmer unterhielt ich mich mit einer Japanerin, die mir für das Modul „Sprechen“ zugeteilt wurde. Wir würden gleich vor einer zweiköpfigen Jury eine Konversation über zwei Themen führen müssen. Ich wollte ein wenig das Eis brechen, sie war schwanger und schien sehr angespannt. Als sie merkte, dass sich mein Deutsch auf muttersprachlichem Niveau bewegte, wurde ihr sichtlich unwohl, ich versuchte sie aber zu beruhigen, ich sagte, wir würden das gleich ganz locker angehen, ich würde langsam sprechen und viel gestikulieren. Dann wurden wir aufgerufen und es ging wirklich gut.
Schwer tat ich mich allerdings mit dem Modul „Hören“. Ich hatte in der Nacht nur wenig geschlafen und mir brannte das rechte Auge, deswegen konnte ich mich nur schwer aufs Zuhören konzentrieren. Vor allem, weil die Fragen danach durchaus kompliziert waren und man ganz offensichtlich auf Feinheiten im vorgelesenen Text hätte achten sollen, wobei man den gesprochenen Text sich nicht ein zweites Mal anhören durfte. Möglicherweise habe ich bei diesem Modul alles falsch angegeben.
Das Modul „Schreiben“ lag mir hingegen. Das Modul bestand aus zwei Teilen. Man sollte einen Text für ein Forum über Stadtverkehr verfassen. Es gab verschiedene Bedingungen, wie man die Themen aufschlüsseln sollte und welche Gliederungen man dem Text geben sollte. Der Text sollte 150 Wörter beinhalten. Im anderen Teil sollte man eine gebuchte Museumsführung stornieren und dabei verschiedene Dinge aufführen, beispielsweise einen Grund nennen, sich entschuldigen und neue Termine vorschlagen. Auch dieser Text sollte aus 150 Wörtern bestehen.
Für diese beiden Texte bekam man ganze 90 Minuten. Ich war in acht Minuten fertig, beide Texte enthielten wesentlich mehr als 150 Wörter. Acht Minuten fand ich dann schon etwas übertrieben, also baute ich beide Texte etwas aus. Vor allem die Absage an den Museumsdirektor bereitete mir Spass. Ich schrieb einen sehr freundlichen und sonnigen Brief, in dem ich mich über die unverhofften Absagen aus meiner Deutschgruppe beklagte, das rühre daher, dass wir nicht mit dem Pfingstwochenende gerechnet hatten, wo nun kurzfristig fünfzig Prozent der Gruppe es vorzogen, spontan in ein verlängertes Wochenende zu verreisen, dass ich aber schon etwas nachsichtig sei, da eigentlich alle Menschen aus der Gruppe aus nicht-christlichen Ländern kämen und mit der deutschen Feiertags-Systematik noch nicht so vertraut wären. Ich lobte sein kleines, aber feines Museum und ich würde mich über ein Entgegenkommen bei eventuellen Stornogebühren freuen, so überliess ich es ihm, mir ein paar Tage im Juni zu nennen, vorzugsweise Donnerstage am späten Nachmittag, ab etwa 16:00 Uhr. Freitage lieber nicht. Den Brief unterschrieb ich mit Mario Fontanelli, zweiter Vorsitzender der Klempner-Innung Westfalen-Lippe.
So kam ich immerhin auf dreissig Minuten. Dann gab ich aber ab, ging zum Hackeschen Markt und holte mir einen Kaffee.
das ist ja wohl ein witz dass du hier eine deutschprüfung ablegen musst. aber dit is bürokratie. ach…bin schon wieder in grantlerlaune. würde mir das mit der staatsbürgerschaft zumndest genau überlegen. aber heute mal keine details.
Es ist komisch, ja. Es dürfte immerhin alle deutschsprachigen Menschen aus Südtirol, Luxemburg, Belgien und Ländern, wo man keine anerkannte MInderheit darstellt, aber sich einbürgern lassen will, betreffen. Aber gut, warum sollten sich unbedingt aus diesen Ländern einbürgen lassen wollen. Ausser man will wählen.
Belgien ist hochpolitisch was Sprachen angeht, und unter umständen muss da auch der Bürgermeister eine Sprachprüfung machen, um seinen Sprachstand nachzuweisen. Insofern ist da nichts selbstverständlich, die Eltern können in Grenzen bestimmen, in welcher Sprache das Kind sein ganzes Leben lang mit den Behörden korrespondieren muss, und wenn es von einer Schule einer Sprache in eine andere Schule wechselt wirds unter Umständen kompliziert. Da es wegen der Sprachgrenzen viel Streit gegeben hat will das Land eigentlich auch erst mal gar nicht wissen welche Sprache Muttersprache ist. Ich weiß das alles aber auch nur weil ich da mal jahrelang gearbeitet habe, und die Belgische Bürokratie ist um einiges schlimmer noch als die Deutsche.
Ich denke aber hier in Deutschland sollte es für so einen Sprachnachweis einfach die Option „ich bin ein versprengter Muttersprachler, bitte überzeugen Sie sich selbst“ auf dem Formular geben, und dann sollte man 10 Minuten mit dem Original Goethe Professor plaudern, und der hat ja dann vielleicht eine Meinung ob das passt. Es würde aber wieder jemand dagegen klagen etc. etc. :-(((
Die Panik der Japanerin kann ich gut verstehen. Viel fusst ja bei solchen Dialogen auf einem gemeinsamen Vokabular, und sie hat sich dann also das B2 Wissen angelernt, und dann kommt auf einmal so ein Muttersprachler mit einem Lustigen Akzent und irre vielen Vokabeln im Kopf. Hab mir mal kurz im Japanischen die unterschiedlichen Wörter für „Ehefrau“ angesehen, und es gibt da jede Menge Auswahl, zuallererst lernt man halt den neutralen Begriff. Aber jedesmal wenn ich all diese Auswahlmöglichkeiten auch nur sehe, bekomme ich schon irgendwie Angst. Im Deutschen sagen die Leute ja auch „Frau“, „Ehefrau“, oder „Partner“.
An eine Plauderei mit einem Goethefachmenschen dachte ich auch schon. Um Missbrauch vorzubeugen, sollten es natürlich zwei Fachleute sein. Das ist beim Modul „Sprechen“ ja auch so. Allerdings ist die Messbarkeit eines solches Gespräches natürlich unscharf und jede Unschärfe öffnet das Tor für Klagen.
Die Situation in Belgien war mir gar nicht geläufig. In Südtirol rechnet man sich einer Sprachgruppe zu. Deutsch. Ladinisch, oder Italienisch. Weil ich (als ethnischer Deutschsprachiger im ladinischen Teil grossgeworden bin und natürlich fliessend ladinisch spreche), wies ich mich als Ladiner zu. Das kann man aber selbst wählen und wird nur situativ abgefragt, beispielsweise bei Jobs oder bei einer Volkszählung. Theoretisch kann sich ein Italiener ohne Deutschkenntnisse als deutschsprachig registrieren. Diese Sprachgruppenzugehörigkeit ist also eher politisch und nicht wirklich von Sprachkenntnissen geprägt.
Wichtig wird das erst, wenn man bestimmte Berufe wählt, beispielsweise in Ämtern, bei der Polizei usw. dann muss man allerdings die Doppelsprachigkeitsprüfung abgelegt werden. Und diese gilt nur für Deutsch und Italienisch, nicht für Ladinisch.
Was mich wundert ist, dass Abschlüsse an belgisch-deutschen oder süditroler Schulen nicht als zugelassene Abschlüsse einer Einbürgerung gelten. Das zählt nur für Österreich und der Schweiz. Deswegen musste ich diesen Test machen. Hier könnte man ja ansetzen. Aber das würde anderen versprengten Muttersprachlerinnen natürlich nicht helfen.
Wir haben das Thema nochmal ausführlich mit Freunden nachbearbeitet: Einer hat kürzlich den B1 gemacht, damit er sich hier permanent ansiedeln kann. Die Frau muss noch. Er meinte, sein Gesprächspartner sei Besitzer einer Pizzeria gewesen und habe daher immer versucht, das Gespräch auf Pizza etc zu bringen. Das Thema der Unterhaltung wäre nämlich gewesen, dass sie als Arbeitskollegen eine Art Party für die anderen in der Firma planen sollen. Der Pizzamann hätte daher direkt vorgeschlagen, die fiktive Feier in der Pizzeria abzuhalten, unser Freund hielt dagegen, daß er viel lieber eine schöne Location mieten wolle, eine Dachterrasse mit Catering oder so.[Ich glaube sie hatten einfach ein recht unterschiedliches Bild von der fiktiven Firma.] Sie hätten trotzdem beide bestanden, der Gesprächspartner habe sich dann aber beschwert, dass er dem Gespräch nicht in die vertrauten pizzazentrischen Bereiche gefolgt war. Ich erklärte, im Grunde sei da ja schon was dran, denn im Prinzip wäre eine mögliche Strategie ja einfach mal immer nur den Part des anderen leicht verändert bejahend zu wiederholen. Wir übten das dann eine Weile, es war ziemlich lustig, ich schlug der Frau sogar vor, gemeinsam die Prüfung aufzusuchen, nachdem wir schon so viel und gut trainiert hätten. Da wurde sie aber wieder ernst und meinte, -sicherlich nicht, denn dann wäre ich ja die Frau mit dem irren Wortschatz und potentiellen Mangel an verbaler Selbstkontrolle und sie würde sich da nur fürchten. Sicherlich ist das für alle auch das Beste.
Ja hilfreich ist das sicher nicht. Teilnehmende mit einem geringen Wortschatz fallen in der Bewertung vielleicht etwas ab, wenn die andere Teilnehmende zu gut ist. Andererseits kann man ja auch durch Gestikulation und Ausdrucksstärke nachhelfen. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. In lauten Clubs unterhalten wir uns ja auch vornehmlich über Ausdrucksstärke. Ach ich sag nur was vor mich hin.