[Mo, 25.3.2024 – am Telefon]

Am Vormittag griff ich dann zum Telefon und rief einfach meine Mutter an. Ich kann es nicht länger hinausschieben. Als Grund meines Anrufes nannte ich den psychiatrischen Zustand meiner kleinen Schwester und dass ich übermorgen nach Südtirol käme. Ich sagte gleich zu Beginn, dass ich immer noch sehr sauer sei und wir reden müssen, aber es mir auch klar sei, dass wir das jetzt nicht in einem Telefongespräch klären können.

Ich hatte das Gefühl, dass sie nicht genau wusste, warum ich sauer war. Sie fragte aber nicht nach den Gründen, allerdings beschwichtigte so gut es ging, daher vermute ich, dass sie es weitgehend vergessen hat. Die Vergesslichkeit. Auch so ein Ding.
Ich sagte ausserdem, dass ich diesmal nicht -wie sonst üblich- bei ihr wohnen würde. Das schien sie sehr zu treffen. Danach drehte sich die ganze Konversation nur noch darum, dass ich bei ihr wohnen soll.

Geklärt ist das alles nicht. Aber das war in meiner Familie immer schon so. Nie ist etwas geklärt und richtig gestritten wird auch nicht.

[So, 24.3.2024 – Neo Western, Torte]

Der Kater war grösser als erwartet. Ich wusste gar nicht, dass ich so viel getrunken hatte. Aber ein Blick in den Kühlschrank verriet mir, dass der Biervorrat ziemlich ausgedünnt war.

Am Vormittag schauten wir “The English” mit Emily Blunt. Ein sehr bewegender, aber auch gewalttätiger Neo-Western über eine Frau, die von England in den mittleren Westen der USA aus dem Jahr 1890 reist, um sich an jenen Mann zu rächen, der ihren Sohn getötet hat.
Immer wenn ich Neo-Westerns schaue, habe ich in den nächsten Tagen dutzende geöffnete Tabs über die Geschichte der USA. Das Neunzehnte Jahrhundert in den USA ist eine sehr europäische Geschichte. Eine unfassbar invasive Geschichte der Kolonialisation. Es ist auch eine sehr deutsche Geschichte, auch wenn das in den englischsprachigen Produktionen nie so erzählt wird. In üblichen Western sind die Deutschen immer religiöse Gruppen aus naiven Menschen mit seltsamen Bärten. Dabei waren Deutsche und Iren die ersten Bevölkerungsgruppen, die auf den Plantagen keine Sklaven einsetzten. Vor allem ab 1848 gab es eine riesige Auswanderungswelle liberaler und progressiver Menschen aus den damaligen deutschen Ländern, die vor Verfolgung nach der gescheiterten Märzrevolution flüchteten.
Manchmal denke ich, ob wohl Militarismus, der Erste Weltkrieg und damit auch der Nationalsozialismus passiert wären, wenn diese progressiven Kräfte nicht ausgewandert wären.

Wären wären.
Nun ja.

Am Nachmittag hatte Frau Modeste zum Tortenessen eingeladen. Sie hatte Lust, eine Torte zu backen und lud daher ein. Ich finde, Torte ist ein guter Anlass, sich zu treffen.

[Sa, 23.3.2024 – neue mechanische Tastatur, Haferkorn Risotto]

Nach drei Jahren habe ich mir eine neue mechanische Tastatur gekauft. Die RK Royal Kludge als TLK Version in einem 75% Layout. Das Tippgefühl mit den braunen Schaltern dieser Tastatur ist nicht ganz so grossspurig wie auf meiner bisherigen Redragon, deren schwere Tasten sich manchmal anfühlen, als würde man einen Steinwayflügel bespielen.
Die RK ist etwas leichter und die Taktilität der Tasten ist etwas runder, leiser auch, es fühlt sich zwar etwas mehr nach Plastik an, aber Plastik in seiner hochwertigen Form. Das Tippgefühl ist total angenehm, man spürt die einzelnen Anschläge wie feine Wasserblasen und die Texte sprudeln darunter hervor.

Im Audio dieses Beitrages habe ich die beiden Tastaturen klanglich vorgeführt. Für wen reinhören mag.
Zuerst hört man die schwere Redragon mit braunen Schaltern. Sie klingt metallischer und etwas lauter. Bisher dachte ich immer, das Schreibgefühl der Redragon sei das beste, mit dem ich je Texte tippen durfte. Im Audio bekommt man das Tippgefühl natürlich nicht mit. Aber die Taktilität der RK fühlt sich so ähnlich an, wie sie sich anhört. Wie feine Blasen. Ein bisschen gutmütige und weich.

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Am Abend hatten wir die Nachbarn vom Nebenhaus zu Besuch. Die Familie, die für einen Tag und eine Nacht auf unsere Hündin aufpasste, während wir in Lappland waren. Wir hatten Risotto aus Haferkörnern gekocht. Haferotto oder Haferreis-Risotto, oder wie auch immer man das nennen mag. Wer hier schon lange mitliest, weiss, wie sehr mich Hafer über längere Zeit beschäftigte. Ich bin bei Hafer weiterhin missionarisch unterwegs. Aber vor allem will ich mich in den Künsten des Haferkornrisottos üben. Leider geriet er diesmal etwas langweilig. Ich habe aber nicht genau verstanden, woran es lag. Vielleicht einfach am Gemüse. Meine Frau riet mir, das nächste Mal den Hafer länger vorzukochen und ihn erst später dem Soffrittto zuzugeben. Aber ich finde nicht, dass das Problem beim Hafer lag, sondern eher bei den anderen Zutaten. Vielleicht habe ich das Gemüse etwas totgekocht.

Es war aber trotzdem ein sehr netter Abend.

[Fr, 22.3.2024 – Casual fine dining, Klempner, Debian]

Kollegendinner im “Julius” an der Gerichtsstrasse im Wedding. Ich hatte im Tagesspiegel über dieses Restaurant gelesen. Es war ein Interview mit dem Besitzer des Restaurants “Ernst” direkt gegenüber. Ein junger Kanadier, der in Berlin deutsche Spitzenküche zubereitet. Das Gespräch war auf vielen verschiedenen Ebenen erkenntnisreich, weil es zum einen die “Fine Dining”-Szene beleuchtete, es thematisierte aber auch Deutschland und das Essen und Berlin überhaupt. Und was nicht funktioniere, und wie er auch auf einer bestimmten Weise nie akzeptiert wurde, aber auch, dass er so radikal innovativ eigentlich nur in Berlin sein konnte, weil man als kreativer Koch in Paris oder London immer in eine bestimmte Richtung gedrängt werde, in Berlin konnte man einfach radikal sein und sein eigenes Ding machen. Andererseits erreicht man in Berlin irgendwann ein Limit, über das man nicht mehr hinauswachsen könne. Ich glaube zu verstehen, was er damit meint.

Das “Ernst” wird in diesem Jahr schliessen, dafür konzentriere er sich jetzt auf das “Julius” direkt gegenüber, das sich eher als Casual Fine Dining definiert. Nachdem ich das Interview las, wollte ich unbedingt verstehen, was Casual Fine Dining bedeutet. Dafür bietet sich ein Dienstessen an. Ich hatte eine vage Vorstellung von Casual Fine Dining. Es war etwas weniger Casual als erwartet, aber verglichen mit anderen Lokalen wie beispielsweise das damalige “Reinstoff” weniger theatralisch, wesentlich bodenständiger in der ganzen Aufmachung, was sich auch in den niedrigeren Preisen bemerkbar macht. Und natürlich die verringerte Vielfalt an Speisen. Während es im “Ernst” zwischen 40 und 50 kleine Gänge gibt, sind es im Julius nur 9. Im Interview erklärte der Koch, dass es dieselben Produkte sind, nur mit weniger Handgriffen zubereitet.
Mit weniger Handgriffen zubereitet.
Solche Sätze erwecken eine unfassbare Neugier in mir.

Das Julius befindet sich in einem Plattenbau (West) an der Gerichtsstrasse im Wedding. Das Lokal hat nur etwa zehn Tische. In den Räumlichkeiten muss früher so etwas wie ein Waschsalon angesiedelt gewesen sein oder eine chemische Reinigung. Vielleicht ein Papierwarenladen. Auf zwei Seiten des Raumes befinden sich grosse Fenster. Draussen hängen auf nur wenigen Metern Entfernung Jugendliche aus dem Wedding herum. Sie sitzen auf den Pollern und quatschen. Sie scheinen sich nicht dafür zu interessieren, dass drinnen Schnösel wie wir sitzen, die für dreistellige Beträge Essen zu sich nehmen.

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Am Morgen hatte ich den Klempner bei mir in der Wohnung. Es gab ein paar Kleinigkeiten zu erledigen. Nachher quatschten wir noch eine ganze Weile. Er erzählte mir von seinem Herzinfarkt in 2017. Da war er ohne Vorwarnung und ohne Schmerzen in der Brust einfach am Steuer des Autos eingeknickt. Das geschah mitten auf der grossen Kreuzung vor der Jannowitzbrücke. Der Notarzt hatte ihn eigentlich schon aufgegeben, aber er hatte offensichtlich überlebt. Seitdem rauche er nicht mehr. Letztes Jahr passierte es ihm aber wieder. Glücklicherweise sass er dieses Mal nicht am Steuer. Aber mit dem Rauchen habe er deswegen nicht wieder begonnen. Das sei vorbei, das habe ihm sehr geschadet. Aber seltsam findet er das schon. Er trinkt kaum Alkohol, nur wenn er mal mit Kumpels angelt, da gibt es ab und zu Bier aus der Dose. Und er esse auch nicht viel Fleisch und fette Sachen. Es muss Veranlagung sein, glaubt er.

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Ich baute in den letzten Tagen die Technik meines Arbeitszimmers um. Über die Jahre hinweg wucherten Kabel zu einem staubfangenden Organismus heran, Kabelführungen brachen ab und blieben unerreichbar hinter einer Kommode stecken. Das Mauskabel, das sich schon seit Jahren irgendwo im Loch hinterm Schreibtisch verhängt hat und die Maus sich daher nur noch einen eingeschränkten Radius bewegen lässt. Aber ich gewöhne mich an alles.
Sicherlich, weil ich weiss, dass ich es irgendwann reparieren werde. In diesen Tagen war es so weit. Ich fasste jedes einzelne Kabel an, entstaubte es und verlegte es neu.

Ausserdem habe ich einen neuen Laptop. Es kostete mich zwei Tage, um ihn unter Linux ans Laufen zu bekommen. Ich bin wieder zurück zu den Basics. Ich betreibe wieder Debian und nicht das benutzerfreundliche Ubuntu. Als ich von Debian-Linux auf Ubuntu-Linux umstieg, wohnte ich noch in Hamburg. Das ist 16 Jahre her. Ich vergass, wie viel man bei Debian immer Hand anlegen muss. Ubuntu installiert sich fast von selbst und dauert eine halbe Stunde. Ich kann mich an die alten Debian Zeiten erinnern. Wenn ich mir einen neuen Computer anschaffte, nahm ich mir das ganze Wochenende dafür frei. Sechzehn Jahre später ist auch Debian einfacher geworden. Aber Audio funktioniert immer noch nicht. Deswegen hänge ich wieder in den Foren herum. Das ganze Internet ist voll von Leuten, die Lösungen für Computerprobleme beschreiben.

[Di, 19.3.2024 – die letzten Bürotage]

Es passiert derzeit nicht viel blogbares. Es sind meine letzten Arbeitstage. Es kommen immer noch Mitarbeiter und wollen mit mir reden. Ich erfahre viel Zuspruch. Ich sage vor allem: Ein Manager sollte nie irgendwo länger als 4 Jahre arbeiten. Ich habe mein Soll übererfüllt.
Gestern sagte einer, ich sei der beste Chef gewesen, den er je hatte. Heute bat ein iranischer Mitarbeiter um ein Gespräch. Es war sehr kurz. Er wollte mir nur mitteilen, dass ich der Grund gewesen sei, bei uns zu arbeiten. Weil er sich sehr respektvoll und freundlich behandelt gefühlt habe. Das kenne er von höherem Management nicht. Nun ist Iran sicherlich nicht der Massstab für moderne Führung, aber ich fühlte mich dennoch sehr geschmeichelt.

Auch brachte ich eine grosse Tasche ins Büro, um meine Habseligkeiten mitzunehmen. Im Laufe der Jahre sammelten sich viele Dinge an. Bücher, Handcremen, Kabel, Geschenke von Mitarbeitern und auch das Spielzeug der Hündin. Die Tasche ist sehr schwer.

[So, 17.3.2024 – Feeenstaub des Aufstiegs]

Für das heutige Spiel beschloss ich, keinen Alkohol zu trinken. Das ist ein ungewöhnliches Unterfangen, aber ich bekam wesentlich mehr vom Spiel mit. Das werde ich jetzt öfter machen.

Unten im Block schien die Sonne herein. Wegen der Hitze zog ich mich bis aufs TShirt aus. Sobald ich auf die Toilette ging und im Schatten stand, musste ich die dicke Winterjacke anziehen.

Diese Saison hakte ich bereits mehrmals den Wiederaufstieg in die erste Liga ab. Da wir zu schwach sind, zu jung, zu unerfahren, ausserdem sind wir pleite und in den wichtigen Spielen lässt die Mannschaft immer die Mentalität vermissen. Deswegen dümpelt Hertha im Mittelfeld herum. Wenn wir drei Spiele gegen unterklassige Gegner nicht vergeigt hätten, stünden wir jetzt auf dem dritten Platz und die Bundesliga wäre wieder nahe. Ich rechne diese sechs Punkte immer mit. Aber so stehen wir eben auf Platz 11 und ich versuche jegliche Gefühle von mir wegzuhalten. Positive wie negative. Bis zum nächsten Spieltag, in den ich dann immer wieder mit der gleichen jugendlichen Naivität hineintauche und an eine Siegesserie glaube. Meist werde ich in den darauffolgenden neunzig Minuten in die Realität zurückgewatscht. Links und rechts.

Doch dann. Dann siegen wir wieder so wie heute, in einem wilden Spiel gegen Schalke 5:2. Und der magische Feeenstaub des Aufstiegs glitzert wieder vor meinen Augen.

[Sa, 16.3.2024 – Downtime, Aufbau]

Den halben Samstag lang war der Server down. Also nicht einer der beruflichen Server, sondern der Blogserver. Keine Ahnung, was da los war. Ich startete ihn mehrmals neu, die Oberfläche blieb aber immer lange im Neustart hängen. Ich kontaktierte nicht den Helpdesk, denn ich ahnte, dass die virtuellen Hosts dahinter irgendein grösseres Problem hatten. Gegen vier Uhr herum lief dann alles wieder. Ich weiss aber nicht, was in Wirklichkeit los war. Ist auch nicht so schlimm.

Den Server einfach mal down sein lassen. Das ist ein luxuriöses Gefühl. Es geht nur um mein Blog. Ich denke aber bereits an das Gefühl nach Mitte April, wenn ich nicht mehr für meinen Job zuständig bin. Wenn da einmal wieder die Server down sind. Das erste Mal Egaligkeit zu spüren, wenn ich den sogenannten “Spinner” endlos drehen sehe. In den letzten Jahren löste er immer Stress in mir aus.

Am Nachmittag baute ich einen kleinen Aufbau für den Küchenschrank auf. Das kleine Ikea-Päckchen hatten wir bereits vor etlichen Monaten gekauft. Als es fertig aufgebaut war, räumte ich den anderen Schrank aus, putze ihn und stellte den neuen Aufsatz drauf. Erst in jenem Moment merkte ich, dass die Masse des neuen Aufsatzes nicht stimmten. Wir hatten das falsche Schrankmodul bestellt. Das ärgerte mich sehr. Ich muss das Prokrastinieren besser in den Griff bekommen. Ich redete mir immer ein, ich könne darauf warten, bis ich mich für ein neues Bett und einen neuen Kleiderschrank entschieden hätte und dann würde ich alles in einem Rutsch aufbauen. Aber das war nur eine Ausrede, um die Aufschieberitis zu rechtfertigen. Ich habe im Laufe der Jahre viele Mechanismen entwickelt.

[Fr, 15.3.2024 – Chili, alter Link]

Wir fassten den Entschluss, über Ostern nach Südtirol zu fahren. Angesichts der jüngsten Vorkommnisse ist das sicherlich nicht die schlechteste Idee.

Am Nachmittag trafen wir eine Freundin meiner Frau. Sie war beruflich in Berlin und wollte sich mit uns zum Essen verabreden. Da sie um 18 Uhr einen Zug nach Norddeutschland schaffen musste, trafen wir sie im Brewdog an der Ackerstrasse in Mitte. Von da aus kommt sie schnell zum Hauptbahnhof. In der Ackerstrasse gibt es Pizza und gutes Bier. Die Freundin liebt nämlich Pizza und auch Bier. Sie und meine Frau bestellten eine aussergewöhnlich scharfe Variante. Beide gerieten davon ins Schwitzen und die Nahrungsaufnahme schien ihnen nicht sonderlich Freude zu bereiten. Deswegen sollte ich mithelfen. Ich bekam zwei grosse Stücke ab. Während ich die beide Stücke ass musste ich regelmässig meine Zunge zum Runterkühlen heraushängen. Ich werde nie verstehen, warum Menschen gerne so etwas essen.

Auf dem Weg zum Brewdog lief ich auch am gestern erwähnten Prassnik vorbei. Ich muss da wieder mal einkehren. Vor 14 Jahren schrieb ich über einen netten Abend in dem Lokal. Schon damals schwärmte ich von deren Bier. Ich habe mich offensichtlich kaum verändert.

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Hundetwitter

[Do, 14.3.2024 – Ohrwurm, Kleinkino, Prassnik]

Seit dem Wochenende habe ich “Where the Streets have no Name” als Ohrwurm. Das kommt daher, weil ich mich auf die Suche nach Coverversionen begab, in der Hoffnung, es gäbe eine Version ohne den herumschreienden Bono. Aus diesem Grund hörte ich das Lied dermassen oft, dass es die Ohrwurmschutzmauer niederriss und es jetzt auf Repeat in mir düdelt.
Ich weiss nicht, wie lange so etwas dauert.

Wir vergessen ständig, diesen Kinofilm über Krähen zu schauen. Er läuft immer noch im “Tilsiter Lichtspiele” an der Richard-Sorge-Strasse. Das kleine Kino verfügt über eine sehr gemütliche Kneipe. Dort setzten wir uns heute hin. Man kann auch wieder draussen sitzen, es ist bestes Drinkwetter.
Neben uns setzte sich ein Paar hin. Die beiden waren etwas älter als wir. Fünf Jahre vielleicht, vielleicht auch zehn. Sie hatten gerade Baumaterialien in die Kneipe geschleppt und tranken ein Bier. Die Frau hatte rote Haare und war auffällig schön. Sie streichelte meine Hündin und wir redeten über Pudelmischlinge.

In der Kneipe schenken sie ihr eigenes Bier ein. Das wusste ich, aber ich hatte vergessen, welche Brauerei das braut. Also fragte ich den offensichtlichen Chef hinterm Tresen. Er erklärte mir, dass sein Freund Alex das Bier braue. Ich wollte wissen, wer genau das sei, also welche Brauerei. Er sagte, es käme von der Brauerei Zukunft. Und ich so: Zukunft am Ostkreuz? Ich kannte den Namen nämlich, ich kenne fast jeden Braukessel in ganz Berlin. Er sagte aber, da arbeite man nicht mehr, man sei jetzt weitergezogen, ein Stück näher an die Elsenbrücke heran.
Es gibt in dieser Gegend zwischen Ostkreuz und Treptow diese vielen Gelände mit Clubs und Bauwagenplätzen. Ich kann der Entwicklung dort nicht mehr folgen. In einem der Wagenplätze gab es letzte Woche die Razzia wegen Gerwig, einer der letzten RAF-Flüchtigen, der dort gewohnt haben soll. Der Chef am Tresen erklärte mir, wo das neue Zukunft-Gelände jetzt liegt, aber ich konnte es nicht recht einordnen, ohne Google Maps heranzuziehen. Natürlich zog ich nicht das Kartenmaterial aus meiner Tasche, das wäre dann doch etwas übertrieben gewesen, ich sagte nur “AH-OKAY-DAA!”. Er sagte, dass dort auch das Bier für Prassnik gebraut werde. Davon war ich überrascht, ich sagte, ich ginge früher oft ins Prassnik, weil die das beste Bier der Stadt brauten. Das war noch zehn Jahre früher, bevor in Berlin all die Mikrobrauereien ihre Gärbottiche in irgendwelchen Hinterhöfen aufstellten. Der Wirt sagte, wenn ich früher oft im Prassnik gewesen sei, dann würde ich bestimmt das Paar vor der Tür kennen, das am Tisch neben uns sass. Ich sagte, nein, die kenne ich nicht, und er sagte, das sind die beiden Leute vom Prassnik. Davon war ich dermassen gut gelaunt, dass ich hinaus ging und sagte, es wäre mir gesagt worden, dass sie vom Prassnik seien. Da war ich früher ganz oft, weil sie das beste Bier der Stadt brauten. Die beiden schienen sich ganz offensichtlich darüber zu freuen und so redeten wir über dies und das und über Bier.

Ich muss da wieder einmal hin. Vor 15, 20 Jahren spielte sich mein Berlin wesentlich mehr in jener Gegend um die Torstrasse ab. Auguststrasse, Teutoburger Platz, Kastanienallee, Zionskirchplatz. Wir sind alle weitergezogen. Aber die Touristen sind jetzt da. Und das Prassnik.

[Mi, 13.3.2024 – Nachbesprechungen]

Es gab viel mit meiner grösseren Schwester und meinem Vater zu besprechen. Tagsüber schrieb ich mit der Schwester auf Whatsapp und abends telefonierte ich mit meinem Vater. Ich versuchte zu verstehen, was in den letzten drei Wochen passiert war. Inhaltlich gab es keine Erkenntnisse. Ich werde irgendwann auch das Gespräch mit meiner Mutter aufnehmen müssen, aber dazu bin ich noch nicht bereit.
Die kleine Schwester schickt mir ab und zu Nachrichten aus der Psychiatrie. Sie klingt belustigt. Aber gleichzeitig betrübt. Ich antworte freundlich, gehe aber nicht tiefer in den Dialog.
Sie tut mir sehr leid. Sie ist in ihrem Schicksal gefangen.

Und sonstso: Die Lage auf Arbeit ist derzeit natürlich seltsam. Ich bin noch keine Lame Duck, aber eigentlich habe ich nicht mehr wirklich etwas zu tun. Meine Arbeit besteht vornehmlich aus längerfristigen Themen. Meine längerfristigen Planungen sind jetzt nicht mehr relevant. Ab April werde ich vermutlich nicht mehr in die Firma gehen.
Jetzt sitzen täglich Mitarbeiter bei mir im Büro und wollen reden. Die meisten sind entsetzt. Ich beschwichtige aber. Es wird sich für niemandem wirklich etwas ändern. Die Dinge gehen weiter. Es wird ein Neuer kommen und wird vielleicht andere Schwerpunkte legen. Aber letztendlich werden sich alle schnell daran gewöhnen. Sie tun gut daran, bereits jetzt eine positive Haltung zu der kommenden Person zu entwickeln.

Einige wenige haben sich aber noch nicht bei mir gemeldet. Ich hätte diese drei Personen lustigerweise schon vorher benennen können. Aber so ist das ja immer. Mit einigen Leuten kann man nicht. Bei Hunden ist das auch so. Manche Hunde mögen einander einfach nicht.