[Di, 28.1.2025 – Geburtstag, Klavier, Pizza]

Weil ich Geburtstag hatte, bereitete heute meine Frau das Frühstück zu. Normalerweise bin ich der Frühaufsteher und kümmere mich deswegen um die gesamte Morgenlogistik. Einmal einfach liegen bleiben und warten, bis die ganze Wohnung nach Frühstück duftet, ist daher schon schön. Aber das geht jetzt ja nicht, wir haben jetzt ja die Hündin, mit der ich morgens immer mindestens eine Stunde auf dem Weg bin. So nahm meine Frau heute die Zeit meines Spaziergangs, um alles vorzubereiten.

Sie schenkte mir ein E-Piano. Das wollte ich schon lange, aber ich drückte mich immer vor dem hohen Preis. Zudem habe ich nicht wirklich einen guten Ort in meinem Arbeitszimmer, wo ich das Piano dauerhaft hinstellen könnte. Nach langer Überlegung entschied ich mich jedoch, es einfach über das Hundebett zu stellen, bzw das Hundebett darunter. Wenn die Hündin dort liegen will, während ich spiele, dann habe ich immerhin warme Füsse, oder ich kann mich mit den Zehen ins Fell des Tieres einkraulen. Nach dem Frühstück baute ich es gleich auf und lud mir Noten von Bach und Max Richter herunter. Ich werde mit dem „Präludium I“ aus dem „Wohltemperierten Clavier“ wieder meine Finger in Übung bringen und je nach Stimmung auch „Departure“ von Max Richter. Das Präludium konnte ich einmal wirklich gut, aber es ist schon 16 oder 17 Jahre her, dass ich es spielte, ich fange wieder völlig von vorne an. „Departure“ ist die eindringliche Sonate aus der Serie „The Leftovers“. Die wollte ich immer schon einmal spielen können. Sie ist vermeintlich einfach, aber da man den Hauptpart mit der linken Hand spielt, ist es für mich ungeübten Amateur sehr schwierig zu erlernen.

Warum ich überhaupt Klavierspielen kann? Ich kann es nicht wirklich gut. Als Kind hatte ich eine Obsession für klassische und frühromantische Musik. Niemand verstand, wie das passieren konnte. Schliesslich komme ich aus einem bildungsfernen Elternhaus. Meine Eltern sind weder musikalisch noch kulturell interessiert. Als wir einmal bei unserem Nachbarn, den Doktor, zu Besuch waren, legte er Beethoven auf einem Plattenspieler auf. Offenbar erstarrte ich damals vor dem Plattenspieler zu einer unansprechbaren Säule aus Natriumchlorid. So etwas hatte ich vermutlich noch nie gehört. Der Doktor wusste wohl, was er in diesen kleinen Jungen ausgelöst hatte, und so schenkte er mir ein paar Tage später ein Boxset der neun Symphonien von Beethoven. Und später legte er noch Schallplatten mit Opernchören und Ouvertüren von Verdi und Puccini dazu.
Ich war damals sechs oder sieben Jahre alt. Ich hörte danach jeden Tag und den ganzen Tag lang diese Musik. Nach einiger Zeit und neuen Schallplatten wollte ich schliesslich Pianist werden. Meine Eltern wussten nicht so recht, was sie damit anfangen sollten, aber der Schullehrer, der selber Klavier und Klarinette spielte, empfahl ihnen, das zu fördern. So bekam ich irgendwann ein Klavier. Allerdings übte ich nicht gerne. Ich musste wochenlang und monatelang Terzen und Quinten üben. Nach einigen Jahren entwickelte ich meine Klavierkünste kaum weiter und so gab ich den Unterricht wieder auf.

Ich kann mir allerdings Musikstücke selber beibringen. Vor etwa zwanzig Jahren, als ich in Madrid lebte, kaufte ich mir ein billiges Keyboard, weil ich wieder Lust hatte, ein bisschen zu spielen. Da ich Noten lesen konnte, studierte ich manchmal Stücke ein. Vorzugsweise von Bach oder Mozart. Weil ich aber nicht gut bin, brauche ich dafür ewig. Ich arbeite mich Takt für Takt voran und nach einigen Wochen kann ich ein relativ komplexes Stück spielen. Als ich nach Berlin zog, verkaufte ich das Keyboard wieder, weil ich andere Schwerpunkte in meinem Leben hatte. Seit einigen Jahren drängt sich aber wieder diese Lust am Musikspielen in mir auf. Diese Freude erfüllte mir heute meine Frau. Das war ein schönes Geburtstagsgeschenk.

Am Nachmittag gingen wir ins Due Forni Pizza essen und Bier trinken. Ich liebe das Due Forni am Nachmittag. Ich liebe es auch am Abend, aber ich liebe es noch mehr am Nachmittag, wenn dieser riesige Raum fast leer ist. Und ey, ihr könnt mir mit euren neumodischen Pizze alla Napolitana kommen wie ihr wollt, für mich gibt es keine bessere Pizza als die im Due Forni. Früher sagte ich oft, es sei die beste Pizzeria nördlich der Alpen, aber neuerdings bin ich der Überzeugung, dass es sogar südlich der Alpen keine besseren Pizze gibt. Und ich möchte behaupten, dass ich an jedem Ort, den ich auf dieser Welt besuch habe, schon einmal Pizza ass. Sogar in einem Einkaufszentrum in einer mittelgrossen Stadt in Nordwest Schottland und auch in Lappland. Sogar auf Spitzbergen in der Hocharktis. Wobei ich diese drei nicht unbedingt weiterempfehlen möchte.

Danach setzten wir uns ins Kaschk am Rosa-Luxemburg-Platz, diese durch BRLO betriebene Bierbar in dem schwarzen, fensterlosen Bau an der Ecke zur Torstrasse. Mittlerweile habe ich meine Meinung zu den BRLO Bieren geändert. Sie haben offenbar ihre Rezeptur angepasst, vor allem das Pale Ale und das rosane IPA sind wirklich gut geworden. Nicht das German IPA, das hat so eine unausgewogene Härte, aber das mit den rosanen Buchstaben ist super. Überteuert sind sie dennoch, aber daran wird sich wenig ändern.

Mensch, ich habe wirklich gerne Geburtstag. Es mag kindisch sein, aber ich liebe es, an einem Tag Geschenke und Glückwünsche zu kriegen und dabei irgendwas zu unternehmen, das mir gefällt. Sei es auch nur in einer etwas schäbigen Pizzeria Pizza zu essen und Bier zu trinken. Und einen im Tee zu haben, bevor die Sonne untergeht.

Danke für die Glückwünsche auf den verschiedenen Kanälen.

[Mo, 27.1.2025 – neue Autorin, Textsatz, Fotos]

Im Hundepark mischte sich heute eine junge Frau ins Gespräch ein. Ich stand gerade mit einem jungen Pärchen auf der Wiese. Mit der Frau aus dem Pärchen rede ich sehr oft, sie weiss von meiner Arbeit an der Novelle, deswegen fragte sie mich nach dem der aktuellen Entwicklung. Die junge Frau, die sich einmischte, bekam das mit und sie sagte, sie sei ja auch Autorin und im März erscheine ihr erster Roman. Ich gratulierte ihr und wir plauderten in der Viererrunde eine Weile über Literatur.
Ich kenne die Frau schon länger. Wir reden nicht oft miteinander, aber wir grüssen uns und ab und zu tauschen wir ein paar Sätze über unsere Hunde aus, wenn wir uns begegnen. Vor einem Jahr hatten wir einmal ein längeres, persönliches Gespräch, das fand ich aber sehr anstrengend. Sie weiss immer alles besser und sie kann ununterbrechbar reden. Ich fand sie nicht unsympathisch, nur anstrengend, deswegen suchte ich nie den Austausch mit ihr.

Wegen des Bücher-Themas blieb sie heute allerdings bei uns hängen und als das Pärchen ging, blieben nur wir beide übrig. Also schlug ich vor, eine kleine Runde zu drehen, dann ist meine Hündin beschäftigt und ich kann zuhören, ohne interagieren zu müssen.

Die junge Frau ist vierzig Jahre alt und ist jetzt endlich Autorin, wie sie sagte. Sie hatte oft gezweifelt, ob sie Autorin sein wolle, aber jetzt ist sie schon überzeugt davon. Sie sagte auch, sie möchte so schreiben können wie Peter Stamm. Ob ich denn Peter Stamm kenne. Ja, natürlich kenne ich den. Waas? Sie war begeistert davon, dass ich den kenne, den kennt nämlich fast niemand ausserhalb der Literaturblase. Ich zeigte mich verwundert, schliesslich ist er ja ein Bestsellerautor, aber sie meinte, er sei ein Genie, aber man kenne ihn nur innerhalb der Szene und das, obwohl er in 41 Sprachen übersetzt worden sei. In ihrem Buch wird auch stehen, dass Peter Stamm ihr grosses Vorbild sei. Sie hat ihn auch bereits persönlich kennengelernt, weil sie in einer Buchhandlung arbeitet und sie dort eine seiner Lesungen organisierte. Einige Zeit später schrieb sie ihm eine E-Mail mit Fragen zu Poetik und ihrem Wunsch, Autorin zu werden. Er antwortete ihr etwas verspätet und anfangs auch ein bisschen distanziert, aber je öfter sie sich schrieben, desto freundlicher gab er sich. Sie sagte, sie schreibe ihm allerdings mehr als er ihr antworte, aber das sei okay, das hatte sie ihm auch so geschrieben. Er müsse ihr nicht immer antworten, sie wisse ja, er hat viel zu tun und sei so viel in der Welt unterwegs. Sie hätte ein Agreement mit ihm, dass er allerdings antworte, wenn er das Gefühl habe, dass es wichtig sei. Sie verriet mir, dass sie zuhause eine Weltkarte hat, auf der sie Pins einsteckt. Die Pins markieren die Orte, von denen aus er ihr eine Email geschrieben hat.

Ich finde, das kann man sich alles gar nicht ausdenken.

#

Gestern Abend kam der Textentwurf der Grafikerin. Das Buch wird nun doch 140 Seiten haben. 137, um genau zu sein. Ich las den Text einmal im Schnelldurchgang durch, um auf eventuelle Setzfehler zu überprüfen. Da ich immer noch keinen Titel habe, auch nicht annähernd, empfahl mir der Lektor, bei der Durchsicht des Textes, Notizen aus den Wortfetzen zu machen, die mir währenddessen entgegenkommen. So hatte er das nämlich auch gemacht. Er will mir bei der Titelsuche helfen. Ich wusste nicht, dass die Titelsuche so schwierig sein würde. Die von ihm empfohlene Methode war durchaus erfolgreich. Am Abend hatte ich schliesslich 29 Titel, die mir zu 80% gefallen. Nicht achtzig Prozent der Titel gefallen mir, sondern alle Titel gefallen mir zu achtzig Prozent.

Danach bat ich meine Frau, Autorenfotos zu schiessen. Ich stellte mich an die Küchenwand und machte Gesichter. Ein paar sind ganz okay geworden. Ein bisschen steif vielleicht. Morgen gehe ich Pizza essen. Ich werde meine Frau fragen, mich über den Tisch hinweg zu fotografieren. Mit Pizza und Bier. Das sind immer die besten Fotos von mir. Als sei ich an meinem Happy Place.

#

Wie geht es dir heute?

[So, 26.1.2025 – Heimspiel, Vasektomie, Zucchini Rollatini]

Eigentlich wollte ich am Samstag auf die grosse Demo gehen, da meine Frau jedoch noch auf Reise und ich mit der Hündin alleine war, blieb ich zu Hause. Am Abend war das Spiel gegen den Hamburger SV, dafür hatte sich die Nachbarin netterweise bereit erklärt, das haarige Tier zu sich aufzunehmen. Meine Frau würde erst gegen Mitternacht zurück sein und ich auch, die Hündin wäre sonst sieben Stunden alleine gewesen, das mag ich ihr nicht antun.

#

In der Kurve war wieder alles voll. Es wird jedes Jahr voller und enger. Neulich hatten wir im Fanclub beschlossen, mindestens zwei Stunden vor Anpfiff unten im Block zu stehen, weil es mittlerweile nicht mehr möglich ist, dass einzelne Personen Dutzende Plätze reservieren. Bei diesen grossen Spielen wie gegen den HSV werden zudem zahlreiche Menschen in die Kurve geschmuggelt, es ist immer ein Gedrängel. Wenn ich es jetzt ganz nüchtern betrachte, stehe ich 2 Stunden ohne Fussball im Block und 1,5 Stunden mit Fussball. Glücklicherweise muss ich es nicht nüchtern betrachten, weil ich jetzt auf 1-Liter-Becher Bier umgeschwenkt bin, anstatt immer an den 0,5 Liter Bechern zu nuckeln.

An allen Plätzen waren blaue sowie weisse Papierfahnen hinterlegt. Zum Anpfiff, während wir die Vereinshymne singen, sollten alle die an dem Platz vorgesehene Fahne hochhalten. Im Gesamtbild ergab das einen Apfelbaum. Es sollte den Apfelbaum darstellen, den der verstorbene Präsident Kay Bernstein pflanzte. Heute jährte sich sein Todestag zum ersten Mal. Der Apfelbaum war sein Symbol für Hoffnung und für einen neuen Weg nach den turbulenten Jahren mit Milliarden von zwielichtigen Gestalten.
Nachdem wir die Fahnen hochhielten, wurde ein riesiges Banner vom Oberring nach unten gezogen. Es stellte ein kleines Mädchen vor einem Apfelbaum dar. Es sitzt auf einem Stuhl, vor ihr ein Korb mit Äpfeln, an der Lehne hängt die sogenannte Präsidentenjacke, die er bei der historischen Wahl trug. Rechts im Hintergrund das Olympiastadion.

Symbolik.

Siehe Bilder.

Meiner Nachbarin kamen die Tränen. Aber sie weint immer, wenn man über Kay redet.

#

Die Geschichte des Spiels:

  • Hertha ist die aktivere Mannschaft
  • Der HSV schiesst zwei Kontertore gegen uns
  • Nach sechzig Minuten kommt unser langzeitverletzter Hoffnungsträger und Beautyking Reese ins Spiel und leitet zwei Tore für uns ein
  • Kurz vor Schluss fangen wir noch ein blödes Kontertor

Und so verloren wir. Es half auch nichts, dass ich „Hertha BSC heisst unser Verein“ lauter sang als sonst.

Neben mir steht neuerdings immer eine junge 23-jährige Niedersächsin. Sie hat sich als Achtjährige in Hertha verliebt und ist vor zwei Jahren in die Stadt gezogen um ihrem Verein nahe zu sein. Vorher musste immer der Vater sie zu den Heimspielen nach Berlin bringen. Jetzt ist sie autonom und steht bei jedem Heimspiel in der Kurve, zudem fährt sie zu jedem Auswärtsspiel mit Leuten aus unserem Fanclub mit. Sie ist superlieb und lustig, aber sie ist auch unheimlich frech. Es ist nichts Neues, dass Frauen frech zu mir sind. Irgendwie scheine ich das in vielen Frauen auszulösen. Heute machte sie sich ständig über mich lustig, dass ich beim Klatschen aus dem Takt falle. Ausserdem behauptete sie, dass ich auch gesanglich hinterherhänge. Ich sagte ihr, ich wisse, was ich tue, ich sei schliesslich Schlagzeuger. Damit verstummte sie. Das ist zwar gelogen, aber als Schlagzeuger musste ich ja wissen, was ich tue.

Nach dem Spiel hingen wir noch lange am Rondell, gegen halb 12 hatte sich der Ansturm auf die S-Bahnen etwas gelegt, also machte ich mich auf den Heimweg. Wir sassen dann zu viert in einer Sitzgruppe. Einer der Freunde hatte eine seltsame Hose an, deswegen sprach ich ihn darauf an und er meinte, er hätte sich gerade einer Vasektomie unterzogen und müsse daher noch zwei Wochen lang etwas vorsichtiger sein. Wir alle fanden das unheimlich interessant. Er hatte sich aus nachvollziehbaren Gründen dazu entschlossen. Zum einen schluckt seine Frau seit Jahrzehnten Hormone, um ungeplante Schwangerschaften zu verhindern und andererseits hätten sie ohnehin schon zwei Kinder, die Familienplanung sei nun abgeschlossen. Ausserdem: Er will mit 50 kein Vater mehr werden.

Wir löcherten ihn mit Fragen. Über Schmerzen, übers Masturbieren, über seine Gefühle. Ein Mix aus Neugierde, Respekt und Belustigung. Er erzählte bereitwillig und auch amüsiert darüber. Das Thema liess uns die ganze Fahrt nicht mehr los. Auch nicht, nachdem sich am Alex unsere Wege trennten. Ich fuhr da nur noch mit einem Freund auf der u5 weiter nach Osten. Wir fragten uns auch, ob sich an der Qualität des Spermas etwas verändert. Aber was bedeutet Qualität bei Sperma schon genau? Die Textur? Der Geruch, der Geschmack? Wenn man danach googelt, findet man viele Antworten, aber nicht, ob sich an der Qualität des Spermas etwas verändert. Ausgenommen natürlich, dass es nicht mehr befruchten kann.

#

Heute hatte meine Frau Geburtstag. Letztes Jahr um diese Zeit waren wir in Rovaniemi bei minus 23 Grad. Sie wurde fünfzig. Wir denken gerne an jene Reise zurück. Übermorgen werde ich fünfzig. Ich überlegte das ganze Jahr, was ich zu meinem Fünfzigsten Geburtstag machen will. Entweder verreisen oder eine grosse Party. Weil ich das ganze Jahr lang keine Entscheidung traf, gehen wir wahrscheinlich Pizza essen und Bier trinken. Meine Frau findet das super.
Für ihren eigenen Geburtstag zog sie es heute vor, Horrorfilme zu schauen und zu kochen. Sie hatte ein aufwendiges Gericht ausgesucht, das uns drei Stunden lang in der Küche binden würde. Es heisst „Zucchini Rollatini„. Den Grossteil der Zeit verbringt man damit, Zucchini in papierdünne Scheiben zu schneiden, diese zu trocknen, auszulegen und wieder aufzurollen.

Die Speise war sehr gut, aber sagen wir so: der Aufwand ist den Ertrag nicht ganz wert. Jedoch hatten wir Champagner und gutes Bier und so war der Tag immerhin unterhaltsam.

#

[Fr, 24.1.2025 – Textbild, Guillemets, die Schriftdeutschigkeit deutscher Serienproduktionen]

Frühmorgens brachte ich meine Frau mit dem Auto zum Ostkreuz. Von dort aus kommt sie gut und schnell mit dem FEX zum Flughafen. Mit den Öffis und Gepäck zum Ostkreuz zu gelangen, ist von uns aus hingegen sehr umständlich. Zwei Mal umsteigen und viele Treppen. Mit dem Auto ist es eine entspannte, neunminütige Fahrt.

Als ich zurückkam, war es noch zu früh, um mit der Hündin rauszugehen, auch zu früh um zu frühstücken, und zu früh um irgendwas Gescheites zu tun, aber zu spät, um noch einmal ins Bett zu gehen. Also ging ich mit der Hündin raus. Hunde mögen Dunkelheit aber generell nur mittelmässig. Meine Hündin bellt in der Dunkelheit irrationale Gefahren an, wie Mülleimer und unbekannte Gegenstände auf dem Bürgersteig. Sie bellt eigentlich selten, aber in einer dunklen Stadt sehr oft.

Also drehten wir schnell wieder um, nachdem sie ihre Blase geleert hatte.

Eine Stunde später kam das Tageslicht und einer der Hundefreunde schrieb mich an, ob ich noch rausginge. Das nahm ich zum Anlass, wieder rauszugehen. Der kurze Spaziergang von vorhin würde nicht ausreichen, die Hündin wird dann im Laufe des Vormittages unruhig. Momentan rennt sie gerne. Drei Monate nach der Läufigkeit kommt ihre Energie zurück. Das war immer schon so. In drei Monaten ist sie aber wieder läufig, dann fangen wir von vorne an.

Und sonstso: Heute hörte ich während des Salatschnipselns die letzten Episoden von „Plus Ultra“, der neue Podcast über den Dreissigjährigen Krieg. Endlich verstehe ich mehr oder weniger die Zusammenhänge. Die erste Staffel dieses Podcasts erzählt lediglich, wie es zu dem Konflikt kam, der letztendlich ein Drittel der Bevölkerung Europas umbrachte. What a Shitshow. Ich kann die sieben Folgen hier natürlich nicht zusammenfassen, aber den Podcast will ich wärmstens empfehlen. Zumindest jenen Menschen, die sich für Geschichte interessieren. Und es ist nicht schwierig, Parallelen zu unserer Zeit zu ziehen. Was allerdings nicht die Laune hebt.
Der Podcast wird übrigens von den Hosts des Podcasts „Geschichten aus der Geschichte“ produziert.

Am Nachmittag schickte mir die Grafikerin drei Entwürfe, wie das Textbild des Buches aussehen könnte. Es geht um Zeilenabstände, Zeilenumbrüche, Absätze und >Guillemets<. Sie favorisierte einen bestimmten Entwurf. Dem stimmte ich zu. Ich muss aber auch sagen, dass ich wenig Meinung dazu habe. Die Grafikerin wird schon wissen, was sie tut. Die Guillemets, also die französischen Anführungszeichen, finde ich allerdings super. Ich schreibe so selten Dialoge in wörtlicher Rede. In der Novelle regte der Lektor an, in einigen bestimmten Passagen die wörtliche Rede einzuführen. Mit diesen französischen Anführungszeichen sieht das optisch gleich viel besser aus.

Weil meine Frau nicht zu Hause ist, beschloss ich etwas zu schauen, worauf sie nie Lust hat. Meistens sind das Sci-Fi Sachen oder auch deutsche Produktionen. Sie sagt immer, das könne ich ja mal schauen, wenn ich alleine bin. Wenn ich alleine bin, habe ich aber selten Lust etwas zu schauen. Heute war das anders. Ich hatte die Wahl aus „Dune“, „Alien Romulus“ oder „Achtsam morden“ mit Tom Schilling. Da „Dune“ und „Alien“ zu neu sind und noch Geld kosten, entschied ich mich für „Achtsam morden“. Ich versuche mich deutschen Produktionen immer unvoreingenommen zu nähern, was ich jedoch nie restlos schaffe, ich bin deutschen Produktionen gegenüber wesentlich kritischer und strenge mich deswegen sehr an, mir ein objektives Bild zu machen. Was aber sofort auffällt: die Dialoge! Alles ist so ausbuchstabiert. Und die Pointen auch immer so erklärend ausgelegt, dass jeder Onkel sie versteht. Ausserdem stört mich irgendetwas am Tempo. Es will eine rasante schwarze Komödie sein, aber das Schauspiel und die Inszenierung kommen dem vorgegebenen Tempo nicht recht hinterher. Irgendwie leiert die Erzählung. Es liegt zum Teil auch an den Dialogen, die immer den einen Satz zu viel enthalten und irgendwie unauthentisch sind, zu schriftdeutschig, so redet man halt nicht, es liegt aber auch am Tempo der Schauspielerinnen, wie sie sich durch das Set bewegen. Ich kann es noch nicht ganz festmachen. Nach einigen Folgen stört der Umstand weniger, weil man der Geschichte folgt, aber. Ja, aber.

[Do, 23.1.2025 – Testimonials, Unbehagen, Regen, Nuuk]

Die Rechtschreibprüfung in meinem LibreOffice ist total buggy. Ich verbrachte den gesamten Mittwochnachmittag, um die finale Version des Manuskriptes fertigzustellen. Dabei wollte ich nur einmal alle Wörter durchchecken. Weil der Text viele niederländische Begriffe enthält, werden in der Übersicht nämlich viele Fehler angezeigt, das wollte ich einmal bereinigen. Das Programm stürzte aber ständig ab. Zwischendrin speichern half mir manchmal als Überbrückung, aber es crashte trotzdem immer dann, wann ich gerade nichts gespeichert hatte. Und schon musste ich wieder von vorne beginnen. Am Ende war ich dann fürchterlich schlecht gelaunt.

Die Grafikerin goss den Text in Form. Ohne Seitenumbrüche der Kapitel hat der Text 125 Seiten. Vermutlich werden es also 130. Etwas weniger als gedacht, ich sprach immer von 140. Über Nacht las die Grafikerin zum ersten Mal den Text. Die Geschichte hielt sie offenbar bis vier Uhr morgens wach, so sehr hatte die Geschichte sie in ihren Bann gezogen. Sie sagte, das passiere selten. Allerdings seien die Vorkommnisse darin auch unbehaglich. Vielleicht nehme ich diese Erfahrung als Testimonial für die Rückseite des Buches. Ich habe ja noch keine Zitate über mich oder den Text gesammelt. Oder ich füge ausgewählte Kommentare ein, die unter dem ursprünglichen Text abgesetzt wurden. Die Geschichte erschien ja zuerst vor fast 20 Jahren ja hier im Blog. Macht euch aber bitte keine Mühe, den damaligen Blogtext zu lesen, das war sehr schlampig geschrieben und besteht auch nur aus umgerechnet 15 Buchseiten oder so. Das ist bis auf den Inhalt ein ganz anderer Text. Die aussagekräftigsten Kommentare gingen jedenfalls so:

  • (Holt sich dänische Kekse und süßen Tee, macht es sich damit auf dem Sofa bequem.) Mehr davon, ganz wunderbar, ich bin bereit. – Die Kaltmamsell
  • seufzt fettkatzig – Lu
  • Wenn ich jetzt gleich nicht schlafen kann, weiß ich auch, warum. – Frau Arboretum
  • sollte das mal aufgeführt werden, hätt ich gern die rolle der clumsy (der hund) – Lu

Oder eine Freundin schrieb auf Facebook: „[…] lese ich aktuell ständig Texte von Dir, und das macht mich diffus fröhlich.“ Diffuse Fröhlichkeit. Das ist bestimmt eine gute Sache. Es war aber nicht auf diese Geschichte bezogen.

Diese unseriösen Testimonals finde ich durchaus charmant. Die Geschichte scheint jedenfalls Auswirkungen auf den Schlaf zu haben. Es gibt mehrere gruselige Momente, das war mir vordergründig gar nicht bewusst. Der Lektor sagte hingegen, es sei eine lustige und warme Geschichte. Dass manche Menschen es lustig und manche jedoch unbehaglich finden, kann ein gutes Zeichen sein. Vielleicht ist das ein gutes Testimonial. „Manche Menschen finden den Text lustig und manche unbehaglich. – unbekannter Kritiker, unbekannte Zeitung“

#
Am Nachmittag besuchte ich eine Freundin. Sie hat sich von der Krebs-OP gut erholt und heute bekam sie sogar die Nachricht, dass keine weiteren Eingriffe nötig sind. Weder Chemo noch Bestrahlung. Eigentlich wollten wir spazieren, aber bei 1 Grad Plus und eisigem Regen beschlossen wir, bei ihr zu Hause zu bleiben und Kaffee zu trinken, dabei wurde meine Hündin von den Kindern mit Aufmerksamkeit und Leckerlis überschüttet, so waren wir alle happy.

#
Auch der September kommt näher. Wir werden nach Island und nach Grönland fliegen. Es wird ein eher kurzer und ungewöhnlicher Besuch. Meine Frau muss in Reykjavík an einem Kongress teilnehmen und sie hegt schon lange den Wunsch, nach Grönland zu reisen. So nehmen wir den Islandaufenthalt als Anlass, für ein paar Tage nach Grönland zu fliegen. Bis nach Nuuk sind das lediglich zwei Flugstunden und gar nicht so teuer. Ich reise also mit und besuche tagsüber alleine das Land und nach ein paar Tagen fliegen wir weiter auf die Eisinsel.

Heute buchte ich das Hotel in der Hauptstadt Nuuk. Nuuk ist gar nicht so klein, es hat 19000 Einwohner, das ist wesentlich grösser als Longyearbyen auf Spitzbergen. Ein Hotel in Nuuk gebucht zu haben ist ein schönes Gefühl. Die Emailbestätigung fand ich dermassen aufregend, dass ich sie ich überall auf Socialmedia postete. Nuuk und ich haben jetzt eine in Stein und Bookingdotcom gemeisselte Connection.

[See You Next Tuesday]

Apropos MAGA-cunt, ich lernte das Wort „cunt“ erst Anfang der Zweitausender kennen. Das war in Madrid in einer Bar namens Lovely’s, in der immer britische und niederländische Expats abhingen. Die Gäste waren hauptsächlich meine Kolleginnen, da sich unweit davon das Büro unserer Firma befand, wo mehrere internationale Teams versammelt waren, um als Support-HUB Kunden aus dem europäischen Raum zu unterstützen. Der Grossteil der Kolleginnen waren Studiumabgängerinnen, männlich, mitte zwanzig und zum ersten Mal weit von der Familie entfernt. Für die meisten war die Madrider Zeit lediglich ein Aufenthalt für ihren Lebenslauf und für die Briten waren die Nächte im Lovely’s ein Leben in der britischen Diaspora.

Mein Englisch war damals eher mittelmässig. Zwar sprach ich ein gutes IT-englisch, aber wenn ich Zeit mit den Natives verbrachte, dann geriet ich schnell an die Grenzen meines Vokabulars. Diese Unzulänglichkeit verstärkte sich in den langen Nächten im Lovely’s, wo sich nach mehreren Gläsern Cerveza bestimmte Sprachareale in meinem Bewusstsein verdunkelten. Und so geriet ich in die verfängliche Situation, dass mir eine junge Frau aus Manchester das Wort „cunt“ beizubringen versuchte.

Ich kann mich nur erinnern, dass jemand einen Witz erzählte, dessen Pointe ich nicht verstand. Anstatt mich in Sicherheit zu verstecken und verschwiegen mitzulachen, fiel mir in einer übermütigen Laune nichts besseres ein, als zu sagen, dass ich den Witz nicht verstanden hätte. Daraufhin sah sich eine junge Frau auf der anderen Seite des Tisches dazu verpflichtet, ihn mir zu erklären.

Ich kenne die Pointe nicht mehr, sie drehte sich jedenfalls um das Wort „cunt“. Vermutlich war es ein Wortspiel. Nun muss man wissen, dass „cunt“ eines dieser Wörter ist, die damals als unaussprechbar galten. Vor allem in einem semiberuflichen Umfeld, wo es nicht schadet, wenn man ein Mindestmass an Anstand aufrecht hält, ausserdem kann eine Frau mit vulgärem Sprachgebrauch zwischen britischen Mates und Lads schnell in Verruf geraten.

Um mir den Witz zu erklären, hätte die junge Frau aus Manchester das Wort „cunt“ aussprechen müssen. Das traute sie sich allerdings nicht. Sie war eine der wenigen Frauen im Raum, ausserdem waren auch zwei Chefs anwesend. Deswegen buchstabierte sie mir das Wort C-U-N-T und sagte den Satz: „C U Next Tuesday“.
Ich verstand nicht, warum sie mir vorschlug, mich nächsten Dienstag zu sehen. Sie hatte einen Freund, der sass direkt neben ihr. „Why next Tuesday?“ wollte ich wissen. Ich stand völlig auf dem Schlauch. Da bemerkte ich bereits die ersten Gesichter, die rot anliefen. Die junge Frau sagte: „Noo! C U Next Tuesday!“. Bei mir kam aber nur „See you next tuesday“ an. „Next Tuesday?“. Um mich herum gab es Belustigung.

„Noo! You don’t understand!“. Sie sagte, ich sollte nur die Anfangsbuchstaben nehmen. Sie buchstabiere nämlich. „C U Next Tuesday!“. Jetzt verstand ich. See You Next Tuesday! Ich sagte: „SYNT?“ Ich sprach es mit einem deutschen Ypsilon aus. SÜNT. Es gab erstes, vorsichtiges Gelächter. Der Frau begann es unangenehm zu werden. Sie sah sich um. Sie sah ihren Freund an. Dann schüttelte sie den Kopf.
„C-U-N-T!“
Ich wiederholte: „Yes. SYNT!“

Das war der Moment, wo das Gelächter losbrach. Die Frau verzweifelte. Sie sagte: „C U Next Tuesday. C-U-N-T.“ Aber diesmal lauter. Als würde es etwas helfen. Ich wiederholte nur: „See you Next Tuesday.“
Sie sah mich an: „Und jetzt sprich es aus!“
Ich so: „SYNT!“

Das Dumme ist: ich hatte das Wort noch nie gehört. Ich kannte Immanuel Kant, also hätte ich es phonetisch hinbekommen, weil das aber ein deutscher Name ist, legte ich natürlich nicht den Link. SYNT lag mir schon wegen Synthesizer näher als irgend ein anderes englisches Wort. Ich sah nur „See You Next Tuesday“ vor meinem inneren Auge und das war SYNT. Die Frau starrte mich aber entsetzt an. Sie schien meinen sprachlichen Fehlgriff nicht akzeptieren zu wollen.

Wir wiederholten es mehrmals:

„Say after me: C-U-N-T“
„C-U-N-T“
Yes und jetzt aussprechen!
„SYNT!“
„No!“
„What no?“
„C-U-N-T!“
„See-You-enn-Tee: SYNT!“

Die Menschen kriegten sich vor Lachen nicht mehr ein. Die Chefs grinsten nur, versuchten sich aber zurückzuhalten. Ihrem Freund wurde es allerdings unangenehm, er bat sie, damit aufzuhören. Sie dachte aber nicht daran und wiederholte ständig: „C-U-N-T!“, worauf ich weiterhin mit „SYNT!“ antwortete.

Schliesslich war es der Niederländer Antoon aus meinem Team, der mir die Auflösung ins Ohr soufflierte. Ich verstand mein Missgeschick. CU. Deswegen sprach ich es laut aus: „CUNT?“. Dabei zuckten die Engländer zusammen. „I don’t know that word“.

Nach der Auflösung schienen alle zufrieden zu sein. Auch die junge Frau. Der Satz hat sich bei mir allerdings ziemlich eingeprägt. Wenn sich jemand verabschiedet und auch nur „See you next Monday“ sagt, denke ich immer nur: you cunt!

Die Frau wurde übrigens die beste Freundin der Frau aus dieser Geschichte. Da kommt aber keine cunt darin vor.

Heute höre ich das Wort überall im Netz, vor allem Ricky Gervais verwendet es in jedem zweiten Satz. Vielleicht ist es nicht mehr so unaussprechbar, wie es damals war.

[Mo, 20.1.2025 – Teltow, Inauguration, Nullkommasechs Prozent]

Am Nachmittag fuhr ich zu einem Bewerbungsgespräch nach Teltow. Teltow-Stadt ist gar nicht so weit entfernt wie gedacht, allerdings muss ich vom Endbahnhof aus noch einen Bus verwenden und Busse finde ich als Verkehrsmittel immer unseriös. Ich nutzte meine ganze Kindheit und Jugend Busse, um zur Schule oder auf den Berg hinauf zu kommen, für mich fühlt sich das immer noch wie ein unerwachsenes Verkehrsmittel an. Als Teenager wünschte ich mir eine U-Bahn von Bozen bis hinauf in mein Bauerndorf. Verkehrsmittel auf Gleisen fand ich toll.

Ich wollte immer schon einmal nach Teltow. Das ist ja der neue Boomtown im Speckgürtel Berlins. Verstanden habe ich Teltow aber noch nicht. Ob es ein Zentrum gibt oder ob es optisch schön ist. Auf Googlemaps erkenne ich keines von beiden. Man sieht vor allem Reihenhäuser. Reihenhaus um Reihenhaus. Für Familien ist das sicherlich schön, oder auch für Menschen, die sich einen Garten wünschen. Teltow hat einen S-Bahn Anschluss, das ist sicherlich ein Vorteil gegenüber wohlhabende Schlafstädte wie Klein-Machnow. Mit dem Bus fuhr ich durch eine Strasse, an der sich Dönerläden und Bäckereien häuften. Unweit davon gibt es einen Marktplatz. Das ist vermutlich das Zentrum. Ob es schön ist, erkannte ich allerdings nicht. Darum geht es schliesslich. Ob ein Ort schön ist. Allgemein und landläufig schön. Es gibt jedenfalls viele alte Leute. Vor allem im Bus. Das gefällt mir. Ich halte diese Akkumulation an jungen Menschen in Friedrichshain manchmal nur schlecht aus.

Andererseits würde ich hier nicht wohnen wollen. Schon nur wegen des Selbstverständnisses darüber, wo ich wohne. Wenn ich im Ausland bin und gefragt werde, wo ich wohne, sage ich immer Berlin. Niemals Deutschland. Ich identifiziere mich nicht mit Bayern oder mit der Pfalz oder was auch immer, auch nicht mit Brandenburg, in meinem Selbstverständnis bin ich ein Bewohner Berlins. Auch wenn sich seit einigen Jahren ein gewisser Berlinblues über mich gelegt hat und ich mir durchaus vorstellen kann, wegzuziehen, gerne auch in ein Dorf, das läge vorzugsweise Lappland oder an der schottischen Westküste. Der Berlinblues hat bei näherer Betrachtung allerdings nicht unbedingt etwas mit Berlin zu tun, es ist ein genereller Deutschlandblues, Berlin ist dabei noch einer der erträglichsten Orte, um in Deutschland zu leben.

Das Gespräch war jedenfalls gut und die kommenden Projekte sind interessant. Es werden noch ein paar Gespräche folgen. Wir werden sehen, ob es für uns alle passt.

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, die Show um den Antritt des neuen Präsidenten weitgehend auszublenden, auf dem Rückweg von Teltow scrollte ich dennoch durch die Nachrichtenfeeds. Diese Symbolik der Dekrete. Auch Transmenschen sollen wieder ihre Rechte entzogen werden. Ich frage mich immer, woher Leute diesen Hass gegen 0,6 % der Bevölkerung nehmen. Diese 0,6 % sind keine Gruppe von Mächtigen, keine gewalttätige Gruppe, keine Gruppe von Kriminellen. Sie wollen einfach akzeptiert werden. Rechtlich und sozial. Nichts einfacher als das, würde man sagen. Niemand verarmt dadurch, niemand muss ein Stückchen des Kuchens abgeben. Und trotzdem hat sich eine wütende Mehrheit gegen diese 0,6 % Prozent gebildet, gegen diese Menschen, die ohnehin schon überall ständig diskriminiert werden und am kürzeren Ende des Hebels sitzen.
Ich verstehe andere Sachen. Ich verstehe den Hass gegen die sogenannten Eliten und ich verstehe viele andere Dinge. Ich teile die Meinung und den Hass nicht, aber ich kann nachvollziehen, wie er entsteht. Den Hass gegen Transmenschen oder überhaupt den Hass gegen Minderheiten, den verstehe ich aber nicht.

Und nein, ich will ihn auch nicht erklärt bekommen.

[So, 19.1.2025 – Schritte]

Seit die Hündin bei uns lebt, haben sich meine täglichen Schritte mehr als verdoppelt. Mittlerweile sogar verdreifacht. Vor dem Februar 2022 mass meine Schrittzähler-App jeden Monat etwa 100.000 Schritte. Nachdem die Hündin kam, stieg diese Zahl abrupt auf 200-250.000 monatliche Schritte und seit dem letzten Jahr hat es sich ziemlich konstant bei 300.000 eingependelt. Ich glaube, das ist gut. Gewicht habe ich dadurch keines verloren, weil Bewegung aber als „Universelle Pille“ bezeichnet wird, werde ich jetzt 150 Jahre alt.

Lustig auch diese Grafik:

Man kann den Mittwoch sehen, den Tag, an dem die Hündin mit der Hundesitterin unterwegs ist.

#

Heute gingen wir in einer grösseren Gruppe im nahen Brandenburg, nördlich von Buch spazieren. Meine Frau und drei Freundinnen. Und zwei Hunde. Da ich der einzige Mann in der Gruppe war, zeigte ich mich für die Orientierung zuständig. Nach einer Stunde hatten wir uns aber verlaufen. Glücklicherweise wies uns eine schlaue App auf meinem Handy jedoch wieder den Weg. Allerdings verliefen wir uns ein zweites Mal. Weil auf der Karte Wege eingezeichnet waren, die sich jedoch nicht als Wege herausstellten, sondern als Hochspannungsstromleitungen. Sahen auf der Karte aus wie Pfade in einem Acker. Aber das war nicht schlimm. Auf dem Acker konnte man sich gut orientieren. Wir kamen über ausgetrocknete Gräben wieder zurück auf den richtigen Weg.

[Sa, 18.1.2025 – gute alte Männer, Herz der Finsternis]

Komischer Tag heute. Ich stand auf, ging mit der Hündin raus, danach machte ich Obstsalat, dann schauten wir Horizon mit Kevin Costner, nach 20 Minuten brachen wir das Vorhaben jedoch ab, weil es uns nicht mehr interessierte, also spazierten wir eine lange Runde mit der Hündin, dann war es plötzlich Abend und ich machte einen grossen Salat. Zum Salat versuchten wir einen anderen Film zu schauen, der uns auch nicht interessierte, woraufhin meine Frau vorschlug, „Ruf der Wildnis“ mit Harrison Ford zu schauen, einen etwas kitschigen, aber unterhaltsamen Film über einen grossen Bernhardiner, der in Alaska seine Bestimmung findet. Danach gingen wir ins Bett.

Ich frage mich, seit wann Harrison Ford wieder cool geworden ist. In den Nuller- sowie Zehnerjahren war er ein unsympathischer grumpy old man. Neuerdings ist er jedoch ein sympathischer grumpy old man. Man sieht, dass man als weisser alter Mann immer noch im Leben stehen kann, wenn man kein Arschloch ist. Sage ich jetzt mal so.

In den letzten Wochen zitierte ich oft Josef Hader, den Wiener Obergrantler. Im Tagesspiegel sagte er letztes Jahr: „Dieselben Leute, die Ende der Sechzigerjahre mit Megaphonen ihre Professoren angeschrien haben und Spaß daran hatten, die ältere Generation zu schockieren, sind jetzt ganz aufgescheucht, wenn die Jungen wieder neue Regeln aufstellen so wie sie damals. Die Boomer wollen Deutungshoheit bis ins Grab, das steht ihnen nicht zu. „

Harrison Ford sagte über die Letzte Generation: „Wir müssen ihnen mit unserem Rat, unserem Geld und unserem Engagement helfen. Das sind wir ihnen schuldig“

So geht es halt auch.

Sally Rooney habe ich vorerst beiseitegelegt. Ich komme nicht in den Text hinein und es fehlt mir momentan die Geduld hineinzukommen. Und wenn ich ein Buch habe, das mir nicht gefällt, dann lese ich im Allgemeinen nicht mehr. Deswegen habe ich Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ angefangen. Das wollte ich schon lange lesen, mich interessiert darin vor allem die Verstörnis. Verstörenheit. Wie auch immer. Ein Text hat mich noch nie verstört. Ich möchte das gerne empfinden. Aber darüber schrieb ich schon vor ein paar Jahren. Der Text hat 140 Seiten. So viele wie meine Novelle, vielleicht liest er sich in einem Rutsch durch.

#

Edigga:

[Fr, 17.1.2025 – Buchgestaltung, Seeensystem]

Am Donnerstag war ich bei der Grafikerin, um das Layout und das Cover zu besprechen. Ich hatte zunächst die Idee, ein Foto des Hauses zu verwenden, um das es in der Geschichte geht. Es zeigt Ausschnitte der Fassade nach dem Brand. Dazu den Titel „Hausfrieden“. Die Kombination gefiel ihr und auch dem Lektor allerdings nicht besonders. Der Lektor fand das Bild eine andere Botschaft senden, als die Geschichte es tut. Er nannte die Geschichte eine warme und liebevolle Erzählung über Menschen und nicht über die Tragik von Hausbränden. Mit „warmer und liebevoller Geschichte“ hatte er mich natürlich eingelullt und meine Idee wurde ganz weich. Ich erinnerte mich an Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“, wo Kafka darauf bestand, dass kein Insekt zu dem Text abgebildet wird, sondern eine Türszene. Denn es geht in der Geschichte nicht um ein Insekt, sondern um diese Szenen an der Tür. Mit der Schwester, mit der Mutter und natürlich mit dem Vater.
Die Grafikerin schlug vor, dass ich ihr alle möglichen Fotos aus jener Zeit zukommen lasse und sie werden schauen, ob sie etwas daraus verwenden kann. Manchmal sind es auch Details aus scheinbar belanglosen Bildern, die sich als richtig interessant erweisen.

Auf dem Buchrücken möchte ich aber nur sehr wenig Text. Ein oder zwei grossgedruckte Sätze aus dem Buch. Oder eine Zusammenfassung der Geschichte in zweidrei Sätzen.

Wir redeten auch über das Textlayout. Kapitelunterteilung, Absätze, Einzüge. Wie man den Text atmen lässt. Wir vergleichen Bücher aus dem gleichen Verlag. Es sind interessante Details, über die ich mir noch nie Gedanken gemacht habe. Aber ich merke auch, dass ich keine starke Meinung zur Optik eines Buches habe.

#

Heute fuhr ich morgens meine Frau mit dem Auto nach Potsdam. Auf dem Rückweg kehrte ich bei einem See zu, um mit der Hündin zu spazieren. Was in Brandenburg immer funktioniert: Man öffnet Googlemaps, hält den Zeigefinger auf ein Gewässer, das in Brandenburg nie weiter als 5 Kilometer entfernt ist und wählt „Route hierher“ aus. Das wird immer ein schöner, einsamer Spaziergang.

Heute waren wir bei den Nudower Teichen. Ich hatte keine Lesebrille dabei, ich sah erst zu Hause, dass es sich um Teiche handelte und nicht um einen See. Es ist ein sehr verwildertes, kleines Seeensystem mit kleinen Sandstränden und Landzungen bzw. Kanälen, die alle miteinander in Verbindung stehen. Wie ich las, wurde hier auch eine Szene aus der Serie DARK gefilmt. Die Hündin fand es super.

Mir macht es immer gute Laune, wenn ich meiner Hündin hinterherschaue: