[Freitag, 30.4.2021]

Es ist Cheat Day. Und es ist Walpurgisnacht. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich seit 6 Wochen keinen Alkohol mehr getrunken. Ich könnte jetzt im Blog danach suchen, aber so wichtig ist das auch nicht.

Wir machen uns eine vegetarische Lasagna und trinken Bier. Und hören dabei Anita Lane und Nick Cave. Wir haben uns nur kurz überlegt, ob wir die vegetarische Lasagna mit Haferkönern bzw. -Flocken zubereiten, oder nur mit Gemüse. Ich habe ja ziemliche Eile darin, mit Haferkörnern in meiner Küche zu experimentieren, aber man muss an dieser Stelle wissen, dass meine Frau keine bösen Überraschungen mag. Das klingt so, als würde ich wiederum böse Überraschungen mögen, das ist natürlich nicht so, damit will ich nur sagen, dass meine Frau böse Überraschungen viel weniger mag, als die Summe aller Leute in Berlin, in Deutschland, in ganz Europa. Wer hier länger mitliest, kennt die Geschichte mit dem Eis. Wer von uns beiden experimentiert und wer immer das Gleiche nimmt (und dabei glücklich ist).
Wenn schon Cheat Day, dann muss es auch genau jene Speise sein, die man sich erwarten kann, wenn man von vegetarischer Lasagna spricht.

Meine Frau sagt häufig zwei Sätze zu mir, wenn wir gemeinsam in der Küche stehen:
1) nicht so viel
2) vorsichtig

Das Vertrauen wird nicht größer, wenn ich nach sechs Wochen wieder einmal zwei Biere trinke und beim Kochen den Ship Song singe.

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Nach zwei Bieren werde ich ziemlich müde. Es ist erstaunlich, wie schnell man eine Trinktoleranz abbaut.

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Ich schreibe diesen Tagebucheintrag nur noch aus der Erinnerung heraus. Die zwei Biere haben mich sehr ermüdet und schläfrig gemacht. Wir schauten noch Schitt’s Creak, danach setzte ich mich an die Tastatur und wollte die Notizen ausformulieren, dann merkte ich, dass ich keine Notizen vom Tag hatte. Und als ich da die längste Zeit vor drei oder vier Sätzen saß, merkte ich, dass ich mich jetzt besser einfach schlafen lege und mich morgen früh um den Eintrag kümmere.

[Samstag, 1.5.2021]

Ich wache auf und fühle mich verkatert. Es waren lediglich zwei Flaschen Bier. Das ist irre.
Außerdem stelle ich mich auf die Waage, wie ich das jeden Tag morgens vor dem Frühstück mache und sehe, dass ich 2,7 Kilo mehr wiege als gestern zur gleichen Zeit. Ich weiss, dass das nur Wasser ist bzw keine wirkliche Körpersubstanz, aber dennoch erstaunlich, wenn ich es mir verbildliche, dass mein Körper 3 fast volle Literflaschen Wasser im Gewebe versteckt.

Eigentlich wollte ich, wie jeden Morgen, den Blogeintrag zu Ende schreiben, einlesen und dann veröffentlichen. Aber ich wache erst um 8 Uhr auf und um 9 bin ich mit Madame Modeste zum Morgenspaziergang durch den Prenzlauer Berg verabredet. Eigentlich wollten wir zum Markt an den Arnswalder Platz gehen und uns eine Kaffee holen, aber weil erster Mai ist, gibt es keinen Markt.

Den ganzen Tag lang lang kreist ein Hubschrauber über Berlin. Wie mittlerweile fast jeden Freitag und jeden Samstag. Immer bei den Demos, von Querdenkern, gestern sicherlich wegen des ersten Mai. Gefühlt ist Freitag und Samstag ja meistens die halbe Stadt wegen Demos verstopft.
Komisch auch: früher haben Demos bei mir meist positive Gefühle ausgelöst. Zum einen war ich selbst oft Teilnehmerin und zweitens ging es eigentlich immer um die gute Sache. Mittlerweile haben sich ja seltsame Personengruppen das Medium Demonstration einverleibt. Wenn ich eine Demo von Weitem sehe, bin ich mittlerweile immer erstmal skeptisch, suche tendenziell eher den Abstand und versuche an Fahnen oder Bannern die Gesinnung zu erkennen.

Für mich ist aber auch der erste Mai bedeutungsloser geworden. Zum einen kann ich nichts mehr mit linker, revolutionärer Haltung anfangen aber noch weniger mit linker Tradition oder mit linker Folklore.

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Ich koche Spargel.

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Am Abend habe ich mich für ein online Kneipenquiz angemeldet. Ich liebe Quizze und ich liebe Kneipen. Das Quiz ist mit Hertha Thematik, aber es gibt auch allgemeinere Fragen. Es ist sehr lustig, ich merke aber auch wieder, dass ich unter der Woche an zu vielen Zoomkonferenzen teilnehme und wie sehr ich es mittlerweile hasse auf einen Bildschirm zu schauen, auf dem ich viele Menschen sehe und wo ich mich per unmute zu Wort melden muss.

Dennoch hat es Spass gemacht. Mit fast 5 Stunden war es etwas zu lang. Aber auch mal gut zu sehen, wie sich die Firma Zoom mit den Breakoutrooms und ähnlichen Features der Pandemie angepasst hat.

Am Ende wird mein Team 11. von 18. Gepflegtes Mittelfeld, wie es bei Hertha eben sein muss. Immerhin nicht die Plätze 16 bis 18. Vielleicht ist das ein Omen.

[Sonntag, 2.5.2021]

Heute den Text von Saskia im Blog der Axel Kruse Jugend live gebracht.

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Ich habe immer noch irgendwie Kater vom Freitagabend. Nicht mehr vordergründig natürlich, aber einen hintergründigen, jammernden Kater, der mich ins Sofa hineinzieht.

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Dafür bin ich am Nachmittag in der Küche sehr aktiv gewesen. Weil wir noch viel Gemüse aufzubrauchen hatte, habe ich verschiedene Gemüsegerichte zubereitet. Alles gleichzeitig. Das hat schon nur aus logistischer Sicht Spass gemacht. Auf die Gefahr hin, dass dieses Blog zu einem Kochblog mutiert:

  • Kartoffelsalat mit Frühlingszwiebeln
  • Fein geschnittener Weisskohlsalat
  • Paprikas im Ofen
  • Porree mit Öl in einer Pfanne gebraten
  • Endiviensalat mit Zwiebeln und Tomaten
  • Omelett mit Kürbiskernmehl und Hafermilch

Das Kürbiskernmehl kam auch aus dieser Fehllieferung von Bringmeister. Ausser das Mehl beim Brotbacken zuzugeben, habe ich bisher nicht viel Verwendung für finden können. Beim Omelett dachte ich, man nimmt sicherlich Mehl um das Ei zu binden, damit das Omelett kuchiger wird. Als ich das so mixte, wollte ich noch Pfannkuchen machen, aber als ich dann sah, dass Kürbiskernmehl sich nicht so verhielt wie Mehl, wurde es eben ein Omelett mit Kürbiskernmehl. Es schmeckte eigentlich ganz OK. Wie ein Omelett mit geriebenen Kürbiskernen halt. Man hätte sie auch weglassen können.

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Morgen geht es wieder mit Fussball weiter. Hertha ist aus der Quarantäne heraus und hat jetzt ein sogenanntes Hammerprogramm vor dem Bug. Wir müssen 3 Spiele nachholen und haben deshalb 5 Spiele in 12 Tagen zu absolvieren. Wir stehen bereits auf einem direkten Abstiegsplatz. Nur wenige Leute in meinem Umfeld sind optimistisch. Aber es sind die mir Wichtigsten, die Optimistisch sind. So schaut es sich am besten in den finsteren Abstiegsschlund hinein. Wenn man nämlich keine Angst hat.

[Montag, 3.5.2021]

Der dritte Mai ist unser Hochzeitstag. Wir sind jetzt seit acht Jahren verheiratet. Ich finde das gut. Meine Frau auch. Wir feiern das eigentlich nie, wir feiern eher andere Tage, aber es ist trotzdem immer schön zu sagen: hey, heute ist unser Hochzeitstag.
Das fühlt sich jedes Mal sehr erwachsen an.

Eigentlich wollte ich ein paar Blumen mitbringen. Ich habe noch nie Blumen für unseren Hochzeitstag gekauft. Manchmal sind die schönsten Geschenke, jene Geschenke, die nicht erwartet werden. Aber ich geriet heute in unerwartete Eile, sodass ich es vergass.

Ich geriet in Eile, weil um 18:00 das Spiel gegen Mainz angesetzt war und das Meeting in dem ich saß, so schräcklich überzogen wurde und als ich mich aus dem Meeting ausloggte, musste mich ein Kollege noch unbedingt sprechen, während die Zeiger auf der Uhr tickten.

Ich kam dann um 18:01 zuhause an. Meine Frau hatte schon den Fernseher in der Küche vorbereitet und stand bereit, mit mir zusammen, meinen Fernsehsessel vom Wohnzimmer in die Küche zu tragen Das ist ein Ritual bei jedem Spieltag. Ein notwendiges Ritual weil des Sessel zu sperrig ist, um ihn alleine zu tragen.
So viel Liebe, damit ich das Spiel schauen kann. Und dann fielen mir die vergessenen Blumen ein.

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Das erste Spiel nach der Quarantäne. Meine Mannschaft wirkte nicht so strukturiert, sie war aber in Kampflaune. Würden wir gewinnen, dann würden wir auf dem Relegationsplatz stehen und nicht mehr auf dem direkten Abstiegsplatz. Am Ende wurde es ein 1:1, immerhin ein sehr spannendes 1:1 und man merkte, dass die Mannschaft lebt. Ich bin für die paar verbleibenden Spiele noch optimistisch, dass wir uns aus der Abstiegszone befreien können. Am Donnerstag geht es weiter, gegen Freiburg.

[Dienstag, 4.5.2021]

Es war ein sehr einspannender Tag auf der Arbeit. Als ich nach Hause fahren wollte, brach ein Regen über die Stadt herein. Das ist in letzter Zeit oft so, dass es genau zur Feierabendzeit regnet.
Bisher hat sich Berlin eher dadurch ausgezeichnet, dass es selten regnet. Meist regnet es nachts. Tagsüber verhältnismäßig selten. Ich kann mich erinnern, dass ich in den Niederlanden oder auch in Hamburg das Fahrrad oft habe stehen lassen, weil es regnete. Das passiert mir in Berlin so gut wie nie.
Seit einigen Monaten versammeln sich die Regenwolken aber immer zum Feierabend. Das klingt jetzt apokalyptisch bedeutungsschwer, als würde ich etwas suggerieren wollen. Das ist eine Methode, sich wichtig zu machen.

Der Regen fiel nahezu waagrecht. Also wartete ich zuerst ein bisschen. Dann merkte ich aber, dass der Regen waagrecht in östliche Richtung wehte, ich würde also Sturmwind im Rücken haben. Sturmwind im Rücken ist die beste Sache der Welt. Also fuhr ich los.

Während der Fahrt lichtete sich der Himmel. Eine Stunde später war Instagram voll mit Regenbogenfotos.

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Später am Abend regnet es wieder. Ich mache das Fenster auf. Jetzt fängt wieder die Zeit des Jahres an, in der man den Regen im Hof beim Plätschern zuhört.

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Am Abend schreibe ich einen längeren, offiziellen Text für die Mitglieder des Fanclubs. Offiziell klingende Texte, sind immer seltsam zu schreiben. Ich rutsche ständig in einen Tonfall ab, der klingt, als stünde ich mit geradem Rücken und mit gehobener Brust vor einer Menschenmenge, würde in mein Posthorn blasen und die Mitteilung der versammelten Menge auf dem Dorfplatz verkünden.
Ich lasse es mittlerweile einfach geschehen, ich verfasse solche Texte mit einem Posthorn unterm Arm. Es geht nicht anders. Danach verbringe ich aber immer viel Zeit damit, einen Hüftschwung in den Text zu kriegen.

[Mittwoch 5.5.2021]

Als ich heute wach wurde und auf mein Telefon schaute, quollen verschiedene Gruppenchats in verschiedenen Messengern bereits über. Ich lag noch im Bett und verstand, dass der ehemalige Nationaltorwart Jens Lehmann jemandem eine WhatsApp geschickt hatte, in der er Dennis Aogo einen „Quotenschwarzen“ nannte. Diese Nachricht hatte er aber nicht dem erhofften Empfänger geschickt, sondern an Dennis Aogo. Dieser wiederum postete diese Nachricht auf Insta. Und damit löste sich die Welle.

Nun ist es so, dass Jens Lehmann ein [strafrechtlich beleidigendes Schimpfwort] ist, gleichzeitig aber auch als Vertreter eines Investors im Aufsichtsrat der Profiabteilung von Hertha BSC sitzt. Und damit wird er seit längerer Zeit mit Hertha in Verbindung gebracht Neben ein [strafrechtlich beleidigendes Schimpfwort] zu sein, machte er in der Vergangenheit mehrmals mit dummen homophoben Kommentaren und dumpfen Grippe/Corona Vergleichen auf sich aufmerksam.

Die ersten Stunden nach meinem Aufstehen, drehten sich darum, wie man den Mann los wird. In den Chats meines Fanclubs quillte es über, wie wir uns am besten organisieren. Briefe, einen offenen Brief von mehreren Organisationen, Barrikaden errichten.

Aber dann: noch am Vormittag trennte sich der Investor von ihm.

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Heute hatte ich auf dem Hinweg zum Büro sehr viel Gegenwind, aber auf wem Rückweg – das war wieder super.

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Am Abend telefoniere ich mit meiner kleineren Schwester. Sie holt gerade das Abitur nach und sie hat Fragen zur Wirtschaft. Jetzt wo ich das so schreibe, kommt es mir komisch vor, dass ich als Ratgeber zu Wirtschaftsfragen herangezogen werde. Wir führen eine sehr interessante Konversation über Staatssysteme, in der ich wir beide während des Gespräches erstaunliche Erkenntnisse gewinnen. Die Fragestellung war, welche Herausforderung die Sozialsysteme in der Vergangenheit hatten und welche sie in Zukunft haben werden, in Anbetracht des Wirtschaftswachstums. Wir reden über die Konkurrenzstellung von Staatensystemen.

Wesentlich besser sind wir aber darin über unsere Aufschieberitis zu reden. Da erlangen wir allerdings keine neuen Erkenntnisse. Richtige Methoden dagegen haben wir beide nicht gefunden, aber in meinem privaten sowie beruflichen Alltag hat es meistens keine tragischen Auswirkungen mehr, da ich im Laufe der Zeit gelernt habe, meine Schwächen, öhm, auszulagern. Aber Schwächen auslagern funktioniert natürlich nicht, wenn du vor einer Abiturprüfung stehst.

Donnerstag, 6.5.2021]

Die Kaltmamsell hat meinen Eintrag über den Hochzeitstag, den Blumen und den Fernsehsessel verlinkt. Wenn die Kaltmamsell etwas verlinkt, dann sehen meine Blogstatistiken so aus:

Heute ist wieder Spieltag. Hertha gegen Freiburg. Meine Frau wird wieder den Fernseher vorbereitet haben. Und sie wird mir helfen, den Sessel in die Küche zu tragen.

Diesmal verlasse ich die Firma früh genug, damit ich auch die Blumen nachholen kann.
Sie freut sich sehr, sie hat aber nicht den Blogeintrag gelesen und kennt daher nicht die Geschichte dahinter. Deswegen lese ich sie ihr vor.

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Das Spiel ist großartig. Am Ende gewinnen wir 3:0. Alle Chats quillen vor Siegesschaum über.

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Sandro Wagner, mit Spitzbärtchen und überdimensioniertem Musketiermoustache, outet sich live im Fernsehen als Südtirolliebhaber. Ich erhalte Nachrichten deswegen.

[Freitag, 7.5.2021]

Am Abend shoppe ich auf Zalando herum. Meine Kleider werden mir zu weit. Ich habe so viel abgenommen, dass mir die Hosen untenrum fast bis in die Knie hängen und sie mit Gürteln zu bändigen, sieht bei so viel Leerraum nicht sonderlich gut aus.

Während des Onlinehoppens merke ich: mir fehlt das Offlineshoppen. Ich hänge wirklich gerne in Malls rum und schaue mir Sachen an, fasse den Stoff an, teste sie auf die richtige Form. Wenn ich Kleidung online bestelle, schicke ich immer 99% der Einkäufe wieder zurück. Weil sie nicht dem entsprechen, was ich mir von den Fotos erhofft hatte. Vor allem die Passgenauigkeit kann man online nicht einschätzen.

Ich kaufe ja immer enge Sachen. Ja, ich habe Übergewicht, sogar mehr als nur Übergewicht, aber gerade deswegen. Tshirts müssen bei mir eng sitzen, an Bauch, an der Brust, alles eng und Hosen auch, am Arsch und an den Oberschenkeln. Ich habe keine Lust, meine Körperform zu verstecken. Wenn jemand dick nicht mag, dann mag diese Person einfach nicht dick, und wird mich auch nicht in überweitem Kartoffelsack-Look mögen. Dann zeige ich es lieber, dann muss ich es nämlich nicht so verstecken, und das entspannt mich, ich habe keine Lust, mich zu verstecken oder irgendwas zu verstecken. Und wenn jemand genau das an mir mag, dann ist es eben genau richtig. Und es ist überraschend, wie viele Leute das eben doch mögen.

Das Gleiche gilt übrigens bei Frauen. Ich schrieb vor Jahren schon über die feiernden Frauen in Glasgow, wie sie Samstagabend in ihren engen Stretchkleidern blendend gelaunt die Strassen bevölkern. Dünn und dick, vollkommen egal. Spontanverliebtheit für alle diese Frauen.

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Heute kein Spieltag. Ich könnte mich daran gewöhnen, dass Hertha alle drei Tage spielt. Ich werde dann ganz schnell unersättlich und finde spiellose Tage ziemlich dumpf.
Vielleicht liegt es aber daran, dass ich in Aufholjagd-Modus bin. Dieses nachträgliche Punktehamstern fühlt sich an wie Vorräte für den Winterschlaf einzusammeln.

[Samstag, 8.5.2021]

Wir beschlossen, nicht morgen, sondern heute spazieren zu gehen, weil morgen das Quecksilber bekanntlich auf fast 30 Grad hochschnellen und ganz Berlin sich an der Spree ausbreiten wird.
So war es dann auch. Unten am Fluss war es bei 13 Grad erstaunlich leer für einen Samstag. Alle sparen sich den Spaziergang auf, für diesen frühen Hochsommer, der sich angekündigt hat. Wir hingegen werden am Sonntag die Fenster putzen. Ich schiebe unser Fensterputzen seit Wochen, ich glaube, ich hatte auch schon darüber geschrieben. Der Grund, warum ich seit Wochen schiebe, ist die Temperatur. Meine Frau schlägt jedes Wochenende den Fensterputz vor, aber ich verweise immer auf die Kälte. Ich würde gerne dieses sommerliche Gefühl haben, wenn wir das erste Mal seit sechs Jahren die Fenster putzen. Alle Fenster aufreissen, den Frühsommer in die Wohnung lassen und dabei die Scheiben putzen.

So stelle ich mir den morgigen Sonntag vor.
Aber heute ist Samstag, heute nutzen wir das noch leere Berlin.

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Als wir von dem langen Spreespaziergang zurückkommen, wollen wir kochen. Wir hatten an Auberginenlasagna gedacht. Ohne Haferkörner. Die Haferkörner haben wir online bestellt und sie sind immer noch nicht angekommen. Also Auberginenlasagna.

Seit Auberginen im internationalen Emojiregister Karriere gemacht haben, denke ich beim Anfassen von Auberginen unweigerlich an Sex. Früher waren Auberginen Bittergemüse jetzt ist es Sexgemüse. So schnell kann es gehen.

Den Auberginen, die ich gekauft habe, hat man eine Deutschlandfahne aufgeklebt. German Premium Fetish Content.

Als ich so die beiden Auberginen auf den Küchenblock lege, denke ich mir: es dauert ewig, bis das fertig ist. Meine Frau sitzt auf der anderen Seite des Blockes und sucht nach dem geeigneten Sound fürs Kochen.
Ich sage zu ihr: es dauert ewig bis das fertig ist. Ich habe Hunger.

Eine halbe Sekunde später haben wir uns auf den Pizzalieferdienst geeinigt.

[Sonntag, 9.5.2021]

Heute war also Fensterputztag. Unsere Wohnung hat 7 Fenster, mit jeweils Oberlichtern und zur Strassenseite hin haben wir 3, das sind es Doppelkastenfenster, die also an vier Seiten geputzt werden. Ausserdem gibt es die zwei schmalen Erkerfenster, die natürlich auch mitgeputzt werden wollten. Und es war so, wie ich es mir vorgestellt hatte: Fenster auf und den Frühsommer hereinlassen.

Man kann jetzt hinausschauen. Und leider auch hereinschauen.

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Irgendwann dazwischendrin telefoniere ich mit meiner Mutter zum Muttertag. Sie hat heute so viele Themen, dass sie sofort in einen Monolog ausbricht. Als sie mit dem Monolog fertig ist, quatschen wir noch ein bisschen über dies und das. Am Ende fällt mir der Grund des Anrufes wieder ein und ich wünsche ihr einen guten Muttertag. Sie bedankt sich.

Morgen hat sie Geburtstag, wir werden dann ja eh wieder telefonieren.

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Nach dem Fensterputzen haben wir die Auberginenlasagna gemacht. Währenddessen stellte meine Frau ihr Telefon auf den Küchenblock und spielte live die Rede zur Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz ab. Er sagte natürlich gute Dinge. Andererseits deprimierte er mich. Die SPD steht in den Wahlprognosen bei 14%, Scholz ist sehr sehr weit von einer Kanzlerschaft entfernt, es klang wie eine präsidiale Rede des Aufbruchs, dass das Land in die Zukunft gebracht werden muss, wie eine Rede an das Volk. Bei manchen Sätzen dachte ich mir regelrecht euphorisch: wow, ja, das wollen wir. Und dann fällt mir immer wieder ein, dass es nur eine Rede für die Mitglieder ist, für die Mitglieder einer Partei die bei 14% steht.

Als die Lasagna essbereit war, begann das Spiel gegen Bielefeld, wir assen also nicht zusammen, oder am Tisch, sondern getrennt, sie im Wohnzimmer und ich in der Küche vor dem Fernseher. Die Lasagna schmeckte so gut wie erwartet.
Warum schreibe ich das auf? Ich habe das Gefühl, ich müsse nach meinem gestrigen Eintrag die Auberginenlasagna gebührend ehren.