Knochenwerfen

Eigentlich dachte ich, dass ich von diesem neuen Bloggervirus in Ruhe gelassen werde, da mein Musikgeschmack aeusserst konservativ und eintoeönig in meinem Regal herumlungert. Aber der AxelK vom Apfelstrudelrestaurant, hat mir den Knochen zugeworfen, und weil ich ja ein ganz wilder Hund bin, und heute eh nichts anderes zu schreiben habe, beisse ich mal zu. Nun, runter zu den Fragen.

1. Wieviel gigantische Bytes an Musik sind auf deinem Computer gespeichert?

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Boah, knappe 5 gigantische Bytes. Wusste ich gar nicht. Jetzt wird natürlich erwartet, dass ich irgendwas gescheites dazu sage, sonst macht das ganze ja keinen Sinn. Nun, da ist wirklich nichts besonderes dabei. Ich übe mich schon seit Jahren darin, meinen Musikgeschmack etwas auszubreiten. Ich kann meinen Gaesten beim Essen oder Kartenspielen schliesslich nicht dauernd dasselbe Gedüdel vorspielen. Das hier ist die Sammlung.

2. Die letzte CD, die du gekauft hast…

Ich glaube das waren die Tiger Lilies. Zirkuspunk im Stil der zwanziger Jahre. Ist schon laenger her. Ich kaufe mir aber nicht oft Musik. Ich kann mit den ganzen Neuigkeiten nicht mithalten, das ist mir zu stressig. Ich hoere und hege Lieder für eine lange Zeit. Manchmal hoere ich den ganzen Tag lang das gleiche Lied. Mit dem Finger auf der „Zurück-Taste“.
Ich verdaue Musik ganz langsam, und wenn sie mir wieder raufkommt, dann geht sie in meinen zweiten Magen und ich wiederkäue sie undsoweiter. Und sie wird dabei immer schöner. So auf die Schnelle hoeren geht bei mir nicht, und Hintergrundmusik erst recht nicht. Wenn ich arbeite, ist bei mir Stille, und wenn ich Musik nur nebenher hoere, dann hoechstens beim Abwaschen.
Überdies werde ich durch meine Chorarbeit sowieso dauernd von irgendwelchen Bachmotetten oder Schubertliedern verfolgt, sodass ich mich oft gar nicht auf andere Musik konzentrieren kann.

3. Welches Liedl hast du gerade gehört, als dich der Ruf ereilte?

Keines, da ich natuerlich gerade am Rechner sitze. Das letzte war jedoch (immernoch) „Mutual Friend“ von Divine Commedy, das Lied worüber ich schon vor einigen Wochen schrieb. (Das Lied ist gerade mal in meinem dritten Magen angekommen).

4. Fünf Lieder, die dir viel bedeuten oder die du oft hörst.

Watching Alice – von Nick Cave and the Bad Seeds. Das erotischste Lied das ich jemals gehoert habe. Nein, ich bin nicht notsaechlicherweise ein Voyeur.
C.C.C.P. – Maciste contro tutti. Kennt eh kein Schwein hier in Deutschland. Grossartige Musik aus meiner Jugend. Die Band gibt es nicht mehr. Zumindest nicht in der Form. Die Band wurde in Italien Ende der achtziger (bei uns in Südtirol erst anfang der Neunziger, wie alles andere da auch erst immer viel spaeter anfängt) als Kultband vergoettert. Mit dem Zusammenbruch des Ostblockes lösten sie sich dann auch auf, und benannten sich um in C.S.I. Die italienische Abkuerzung fuer „Gemeinschaft Unabhaengiger Staaten“. Philosowjetischer Punk, so nannte man das. Nein, keine Kommunisten.
Luce – von Milva Jaja ich weiss… Milva. Aber ihr Deutschländer habt leider ein Vorurteil gegenüber der Frau. Die hat auch wirklich grossartige Sachen gemacht, nicht nur die Schlager womit sie hier berühmt geworden ist. So hat sie zB. sizilianische Volksmusik neu interpretiert und sogar Berthold Brecht gesungen. Aber ich muss zugeben, ihre Schlager gefallen mir am Besten.
Redukt – Einstuerzende Neubauten Musikgruppe aus meiner Jugend. Hoere ich beinahe taeglich. Oder besser gesagt, wöchentlich. Redukt ist bloss das erste das mir gerade einfiel, von einer ganzen Reihe Stücken die mir viel bedeuten.
Prelüde in C-Dur des wohltemperierten Claviers von Bach – Das Stück könnte ich den ganzen Tag lang, und auch den darauffolgenden hoeren. Wie schon vor langer Zeit mal erwähnt gibt dieses Stueck exact mein Gemuet wider. Allerdings nicht die Originalversion auf Cembalo, sondern die Version des Klingeltones auf meinem frueheren Handy, das monophone (ist das das Gegenteil von Polyphon?) graue Ding. Wenn mich jemand anrief, dann tat ich mich wirklich schwer das Gespräch anzunehmen, anstatt es fröhlich weiterklingeln zu lassen.

5. Wem wirfst du dieses Stöckchen zu (3 Personen) und warum?

Also als erstes fällt mir da Herr Fabe ein. Weil der DJ bei Radio Flora in Hannover ist, und damals bei der Sendung mit der Bloggerlesung, so viel tolle Musik aufgelegt hat, bei der ich mir dauernd gedacht habe „warum gibt es so viel schoene Musik da draussen?“, dass ich die aufgenommene Sendung noch immer gerne abspiele. Es stoert mich schon beinahe, dass da dauernd irgendwelche Blogger (inklusive meinerselbst) dazwischenlesen.
Dann möchte ich mal wissen was die Damen da drüben bei La vie de mai und Melancholie Modeste so für Musikgewohnheiten haben. Wer schön schreiben kann, muss schliesslich auch Musik zu schätzen wissen.

Bloss kurz einkaufen

 

Manchmal ist mir aber nach Einkaufswagen. Meistens bekomme ich alles in den Korb, aber manchmal will ich einen Einkaufswagen. Etwa einmal pro Monat. Also ging ich zu den Einkaufswagen und hatte natürlich keine passende Münze dafür. Bloß Zwanziger und Fünfziger, aber LIDL hat jetzt diese neuen Einkaufswagen mit dem Schlitz, anstatt die guten alten mit der kleinen, seitlichen Schublade. Und da passen nur noch Euros rein.
Ich muss wohl irgendwie blöd rumgestanden haben, weil mich ein vierzehnjähriges Mädchen ansprach: „Du brauchst da eine Euromünze.“

Ich lächelte ihr freundlich zu und sagte, dass ich leider keine Euromünzen hätte. Also drehte ich mich um und ging zur Eingangstür. Ein Korb würde mir reichen.

„Hast du zwanzig Cents?“, fragte sie. Ja, die hatte ich. „Damit kannst du auch diese neuen knacken.“ Meine Aufmerksamkeit war geweckt. „Du meinst, ich kann die einfach reinstecken und das Schloss geht auf?“ Sie nickte. Ich zog eine zwanzig Cent-Münze hervor und steckte sie in den Schlitz. Nichts bewegte sich. Ich rüttelte. Und schüttelte. „Das geht nicht“, sagte ich zu ihr. Sie näherte sich dem Wagen und begutachtete das Schloss. „Tja, manchmal bleiben die Münzen auch drin stecken“, sagte sie. „Na toll!“


Sie stieß aber ein aufmunterndes Lachen aus und bot mir an, zusammen mit ihr den Wagen zu benutzen. Ich die linke Seite und sie die rechte Seite. Nun ja, warum auch nicht, dachte ich, und so betraten wir den Supermarkt.

Ich schätzte das Mädchen auf vierzehn Jahre. Von der Größe her. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto jünger erscheint sie mir. Sie war bloß groß gebaut. Ich würde jetzt sagen, dass sie zwölf ist. Es schien ihr ausgesprochene Freude zu machen. „Schiebst du den Wagen?“, fragte sie und lachte. Ich schob.

Sie hielt gleich bei der Marmelade an, nahm zwei verschiedene aus dem Regal und fragte: „Welche soll ich nehmen? Die Leckere, oder die mit weniger Zucker?“. Ich blieb stehen, guckte auf die beiden Gläser, dachte nach, welche ich nehmen würde, und sagte: „Die Leckere“. Sie guckte auf das Glas in ihrer Rechten und seufzte dramatisch: „Ja, möchte ich auch gerne, aber ich muss abnehmen.“ „Du bist nicht dick“, sagte ich und drehte mich zum Weitergehen um. „Findest du?“ sagte sie. „Ja, finde ich.“ „Ach, dann nehme ich die Leckere, meine Mutter ist sowieso schon fett.“ Ich schob den Wagen in Richtung Gemüseauslage. Sie lief neben mir her und betrachtete das Gemüse uninteressiert. Ich wunderte mich plötzlich, dass sie gar nicht einzukaufen schien. „Musst du eigentlich nicht einkaufen?“, fragte ich sie darum. „Oh. Ja“, sagte sie und lachte. Dann sprang sie davon. Vielleicht blieb sie ja ein bisschen länger weg und ich hätte kurz Zeit, mir die Geranien anzugucken. Deshalb schob ich den Wagen zu den paar ärmlichen Pflanzen. Aber da sprang sie mir schon vor den Wagen und hielt Nudeln, Reis und eine Dose Bohnen in der Hand, die sie mitten in den Wagen schmiss. Also mit der Teilung der Waren würden wir es wohl nicht so genau nehmen. Mir auch recht. Ich ließ die Pflanzen sein und fuhr zurück zum Gemüse, nahm ein paar Zucchinis, Möhren, etwas Salat und fuhr weiter zu den Milchprodukten, während sie neben mir herschlenderte.


„Brauchst du Milch?“, fragte sie. „Ja, genau“, antwortete ich und hielt den Wagen an. Flugs machte sie einen Satz zur Milch. „Einen Liter?“. [SENT]„Ja, einen Liter.“ Dann packte sie einen Liter Milch und legte ihn zu ihren Sachen in der Mitte des Wagens. Ich ließ es geschehen. Was sollte ich schon sagen? Sie führte ja nichts Böses im Schilde und ich war theoretisch in guter Laune.
„Die Dinger schmecken Scheiße“, sagte sie und zeigte auf die fettarmen Brotaufstriche. Ich lachte: „Haha, ja, von denen bekommt man noch mehr Hunger.“ Sie lachte auch und nahm eines der fetthaltigen vom Regal, wobei sie sagte, dass sie ja nicht fett sei, wie ich ihr versichert hatte.

Langsam wurde ich ungeduldig und machte ihr klar, dass ich gleich kochen müsse und deshalb nur schnell meine Sachen zusammensuchen möchte, damit ich schnell wieder nach Hause gehen kann. Sie sagte in einem bedauerlichen Ton, dass sie auch nicht viel Zeit habe, weil ihre Mutter zu Hause auf sie warte.
Ich lief kreuz und quer durch den Supermarkt, nahm Sahne, Apfelsaft, Müsli und Mineralwasser, Bier, legte es behutsam auf der linken Seite des Wagens hin, und ab und zu hüpfte mir das Mädchen vor die Füße, lachte mich an und schmiss ihre Sachen mitten in den Wagen. Ich war bald fertig und stellte mich in die Mitte des zentralen Ganges auf und hielt Ausschau nach ihr.
Plötzlich kam sie mit einem sehr besorgten Blick zum Vorschein. „Was ist los?“, fragte ich.
Sie kam näher und senkte den Kopf. „Ich kann die runden, bunten Schokoladen in dem roten Netz nicht finden.“ „Oh, das ist doof“, entgegnete ich. „Hast du hier vorne links schon geguckt? Da sind die Schokoladen.“
Ja, hatte sie schon, aber die waren nicht da. „Hast du den Bediensteten schon gefragt?“, fragte ich. „Nein“, sagte sie, „kannst du ihn für mich fragen?“.
Ich ließ mir nicht anmerken, dass ich etwas genervt war, und machte sie mitkommen zur Tür, wo man die Pfandflaschen abgeben kann. Ich klingelte an der Tür, der Bedienstete kam und ich forderte sie auf, ihm die Schokoladen, die sie suchte, zu beschreiben. Er schüttelte den Kopf. „Nein, führen wir nicht.“
Daraufhin wurde sie sehr unruhig. Ich nahm sie mit in Richtung Schokolade und gab ihr Vorschläge, die vielleicht als Alternative in Frage kommen könnten. Die runden, bunten im roten Netz sind schließlich nicht unersetzbar. Aber sie blieb besorgt.


„Was ist denn los?“, wollte ich wissen. „Meine Mutter wird mir das nicht glauben, dass es keine gibt“, sagte sie, „das brauche ich schriftlich. Das glaubt sie mir sonst nicht.“ Ich versuchte, beruhigend auf sie einzureden, und sagte, dass das wohl nicht so schlimm sein könne. Doch dann heiterte sich ihr Gesicht auf: „Du könntest mir vielleicht auf einen Zettel schreiben, dass LIDL diese Schokoladen nicht mehr hat! Mit Unterschrift und allem.“
Ich seufzte innerlich. Ich guckte mich um. Hier mitten im Supermarkt so einfach einen Brief fälschen? Ich kam mir vor wie ein Zwölfjähriger. „Ach komm, das kann wohl nicht so schlimm sein, sag ihr einfach, die wären ausverkauft, Punkt aus.“ Sie machte wieder ein besorgtes Gesicht. „Du kennst meine Mutter nicht“, sagte sie. Da hatte sie recht – ich kannte sie in der Tat nicht.
Ich zog einen Zettel und den Kugelschreiber aus meiner Tasche und schrieb schön leserlich: „Das von ihrer Tochter gewünschte Schokoladeprodukt führen wir derzeit leider nicht.“ Mit freundlichem Gruß, Ihr L*DL-Mitarbeiter und darunter ein unleserliches Gekritzel.
Sie lächelte und schob ihre Brust nach vorne. Sie hatte einen riesigen Busen, fiel mir plötzlich auf. Ich wollte nicht hingucken. „Komm, lass uns zur Kasse gehen, ich bin fertig, du auch?“ Sie bejahte.

So standen wir in der Schlange, die zum Glück nicht besonders lang war, und sie erzählte mir von sich selbst. Über Unterschriftenfälschungen, was gar nicht so schlimm sei. Dass sie des Öfteren Unterschriften fälschen würde. Vor allem in der Schule, wenn sie schlechte Noten bekam, und dass das noch nie aufgeflogen wäre. Sie beschrieb mir, wo sie wohnte, nannte die Straße und Hausnummer und wollte dann von mir wissen, wo ich wohne. „Ah, hier um die Ecke, gleich rechts“, sagte ich. „Welche Hausnummer?“, wollte sie wissen. „160“, log ich. Sie lächelte.


Dann konnten wir die Waren auf das Band legen. Natürlich war das kompliziert, da wir erst alles sortieren mussten. Ihre Sachen erst, dann das Warentrennschild und dann mein Zeug. Plötzlich schlug sie sich die Hand vor den Mund: „Ich hab die Eventnüsse vergessen.“ „Die was?“, sagte ich. „Die Eventnüsse“, wiederholte sie. „Weißt du, was das ist?“ Ich schüttelte den Kopf. Dann zog sie ihre Einkaufsliste hervor und zeigte mit dem Finger auf das Wort „Erdnüsse“. „Da steht Erdnüsse, nicht Eventnüsse.“ [SENT]„Egal“, erwiderte sie, „kannst du mir die Nüsse holen? Ich kann nicht weg, ich bin fast dran.“ Gut, dem war nichts entgegenzusetzen, und freundlich und hilfsbereit bin ich ja. Ich lief zu den Nüssen hinüber, fand aber keine Erdnüsse und schon recht keine Eventnüsse, und lief daher zurück. Aus der Ferne rief sie mir über alle Leute hinweg zu: „Kannst du uns bitte auch noch eine Packung Nudeln mitnehmen? Ich habe nur eine, das reicht für heute Abend nicht.“ UNS?? Ich dachte, nicht richtig gehört zu haben. Das ist gleich alles vorbei, du verlässt den Laden und gehst nach Hause. Ich nahm also eine willkürliche Nudelpackung aus dem Regal und hastete zurück zur Kasse. Man hatte auf mich gewartet.
Sie bezahlte, dann war ich dran und wollte meine Sachen nach dem Scannen gleich in meine Tasche packen, aber das Mädchen nahm meine Einkäufe vom Band und legte alles sorgfältig zurück in den Wagen. Sie schien es zu genießen.
Nach dem Bezahlen packte ich mein Zeug und ließ sie den leeren Wagen schieben. Bei der Tür sagte ich ihr ganz selbstverständlich: „Ach, dann bringst du den Wagen zurück, ja? Man sieht sich.“ Sie winkte mir nach und sagte: „Bestimmt“. Dann lächelte sie noch.

Man kann foermlich hoeren wie sie in verschiedene Dichten der Methangaslagen absinkt. Alsob es Turbulenzen gaebe. Ich habe Gaensehaut bekommen. Geraeusche von weit, weit (weit, weit…) weg. Man realisiert oft nicht, dass es da draussen im Weltall auch Geraeusche gibt, wie hier auf dem Erdball wenn man eine Pfanne fallen laesst. Das Geraeusch der absinkenden Huygens Raumsonde heute, in die Atmosphaere des Saturnmondes Titan. Hier bei der ESA.