Reis

Als ich meiner Kindheit entwuchs, glaubte ich genauso wenig an das chinesische „L“ wie ich an das Christkind glaubte. Alberne Märchen der Erwachsenen, die uns weismachen wollten, dass in China kleine, Leis essende Mädchen namens Balbala lebten. Denn, warum sollten die Chinesen den Reis erfinden wenn sie nichtmal dessen Namen aussprechen konnten. Bis ich Jahre später eine junge Frau aus China kennenlernte die auf meine Frage hin, was sie denn trinken möge, einen Lotwein haben wollte.
Aber das ist auch nicht schlimm. Bloss witzig. Und da ich einen sehr stark ausgeprägten Sinn für schlechte Witze habe, konnte ich mich heute vor Lachen auch nicht mehr einhalten, als mein chinesischer Lieblingskollege eine E-Mail an die Abteilung schrieb:

„Chef ist heute klank.“

Ein Freudscher Vertipper der ganz skurrilen Sorte.

Eintrag #600 und was soll ich bloss lesen?

Eigentlich mag ich ja keine Jubileen. Die bringen Unglück. Und alkoholbedingte Kopfschmerzen. Aber da ich jetzt bei Eintrag Nummer 600 angekommen bin und ich dieses Weblog nun seit zwei Jahren führe, bin ich gerade etwas nachdenklich geworden und habe mal eine mathematische Bilanz gezogen. 600 Einträge über 730 Tage verteilt macht optimistisch gerechnet sechs Einträge pro Woche. Das ist gut. Gerade so, dass ich noch ein wenig Freizeit habe und auch wieder genug um kein Wochenendblogger zu sein. Laut einer etwas pessimistischeren Rechnung wären das fünf Einträge pro Woche. Nicht ganz so toll, aber auch das würde mir reichen. Weil ich aber ein ganz cleverer Bursche bin, habe ich es ausgerechnet: 5,7851239669421487603305785123967 Einträge pro Woche. Ich bin ein Optimist, ganz klar.

Aber ich labere… was ich eigentlich sagen wollte:

Jetzt stehe ich vor dem Dilemma, dass die werte Modeste mich gefragt hat, im Januar auf einer Berliner Lesung vorzulesen. Zusammen mit anderen geschätzten Schreiberlingen natürlich, daher muss ich mir kein Abendfüllendes Programm aussuchen, sondern bloss einzweidrei Texte.
Allerdings habe ich keine Lust mir aus diesen 600 Texten selber einen auszusuchen, da ich eh nur die elendigen Heulgeschichten auswähle und ich eigentlich lieber ein bisschen Rocknroll lesen möchte. Weil ich keinen Rocknroll schreibe überlasse ich die Wahl dem Publikum, schliesslich wisst ihr besser, wofür ihr hier jeden Tag vorbeikommt. Die Urne ist in den Kommentaren.

(dies ist ein Aufruf zur Stimmenabgabe)

zugeschnürt und eingepackt

Ich trage schon seit etwa sieben Jahren keine Jeanshosen mehr. Ich habe damit aufgehört, weil ich damals auch mit Kaffee aufhörte und mir dachte, dass ich dann auch gleich zwei Fliegen auf einem Streich erschlagen kann. Im Sog des Aufhörens riss ich dann auch noch Fingernägelbeissen und Whiskeytrinken mit. Weil das auch dumme Angewohnheiten waren. Vor allem das Whiskeytrinken. Das ersetzte ich darum durch das viel billigere Vodkatrinken.
Das Tragen von Jeanshosen hatte keinen wirklich konkreten Grund und auf meinen Geldbeutel ging das schon gar nicht, jedoch hatte ich immer schon ein wenig eitle Neigungen und deshalb nervte mich diese monotone Jeanskultur, die Rebellentum audrücken wollte. Das kollektive Rebellentum vom Banker nach Feierabend bis hin zum Vollzeitjunkie auf einer Bahnhofstreppe. Immer wenn man in eine Menschenmenge guckt, dann ist der Grossteil der Masse untenherum Jeansblau. Wie ein Dominospiel an dem man die blauen Hälften zusammenschieben kann.
Ich hatte damals schon genug rebelliert und befand mich gerade auf dem Weg mich zum bürgerlichen Altrevolutionären zu entwickeln und kaufte mir meine erste Bügelfaltenhose. Dann noch eine und noch eine, irgendwann kaufte ich Nadelstreifenhosen und war sehr glücklich damit. Abgesehen von meiner neu dazugewonnenen Individualität überraschte mich vor allem die neuentdeckte Freiheit meines Geschlechtsorgans. Alles hatte Platz und konnte fröhlich vor sich hin baumeln. Kein steifer Jeansstoff mehr, der alles versuchte an seinem Platz zu halten, sondern richtiges und uneingeschränktes Atmen.
Seit ich aber nach Deutschland gezogen bin, hat sich mein Rumpf aufgewölbt. Das mag am Essen hierzulande liegen, oder vielleicht am regnerischen Wetter, durch das ich mich des öfteren gezwungen sehe, das gesunde Fahrrad stehen zu lassen und dafür die Bahn zu nehmen. Aber das ist auch egal, worauf ich hinaus will, ist nur, dass mir in letzter Zeit aus meinem Umfeld des öfteren nahegelegt wurde, mich doch mal in etwas sportliche Klamotte zu kleiden. Das würde mich jünger machen und eben, nunja, frischer und dynamischer. Lange habe ich mich geweigert, aber letzten Samstag in der Mönckebergstrasse überfiel mich der Wahn der Jugend: Ich kaufte mir Seife und eine Jeanshose.

Sosehr mich damals die dazugewonnene Freiheit meines Gemächts erfreute, sosehr überraschte mich plötzlich diese angenehme, ähm, Verpackung meiner Eier. Wie nach Hause zu kommen und zu wissen, dass alles gut geschützt, verschnürt und eingepackt ist. Und weil mein Bauch jetzt nach oben gedrückt wird, muss ich die Brust nach vorne heben um halbwegs Luft zu bekommen. Zusammen mit dem breitbeinigen Laufen (mit soviel steifem Jeansstoff im Schritt kann man gar nicht anders) bin ich jetzt wirklich schlagartig zu einem richtigen Kerl herangeschnürt. Beeindruckend.

erster Dezember

Es freut mich immer wieder, mein Blog als unfreiwilliges Dokumentationssystem zu entdecken. So weiss ich heute beispielsweise, dass ich mich dem 1. Dezember des Vorjahres gegenüber deutlich gebessert habe. Heute stehen lediglich fünf Türchen offen. In vier Jahren habe ich vielleicht Disziplin gelernt. Ich habe nun wirklich keinen besonderen Hang zu Süssigkeiten, meine Körpermasse stammen vom herzhaften Essen her. Den Süsswaren kann ich widerstehen. Zumindest solange sie im Laden stehen. Wenn ich mir Schokolade ins Haus hole, ist das schon wieder eine ganz andere Sache. So ein nutzlos herumstehender Adventskalender ist halt doof.

Aber ach, was sind schon meine kleinen haushaltlichen Querelen, schliesslich ist heute Weltaidstag und daher möchte ich der Besinnung wegen auf diese kurze und ergreifende Geschichte von Lu verweisen.
Und da ich heute Abend meine Fabrik frühestens um zehn Uhr Abends verlassen werde, schaffe ich es auch nicht zur Benefizlesung im Weissen Raum. Geht bitte zahlreich hin, ihr Hamburger.